Zwang von Oben und Druck von Unten

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Ich wusste, dass es keine gute Nachricht war, als man zwei Tage später ohne Ankündigung nachmittags in mein Zimmer platzte.

Ja, ich konnte es mir sofort denken, dass etwas im Argen war, als man mich zum Vorstandssaal führte. Es war auch kein gutes Zeichen, dass der Vorstand versammelt in diesem Raum stand.

Ich mochte nicht, wie Hatter mich begrüßte. Man merkte es ihm gleich an, dass er mir etwas zu verkünden hatte. Es war eine Verkündung, die keinen Widerstand duldete und der ich mich ohne Worte unterordnen musste.

"Ayuna-chan! Willkommen! Setz dich doch, wir haben viel zu besprechen!", er deutete auf einen der Stühle, die an dem großen Tisch standen. Ich sah mich kurz um, doch als ich Chishiya sah, drehte ich meinen Kopf sofort wieder nach unten. Ich wollte sein Lächeln gerade einfach nicht sehen, ich konnte es momentan nicht vertragen.

"Du wirst viele Fragen haben, aber lass mich dir eines erklären!", der Hutmacher setzte sich auf den Stuhl neben mich und legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Ein unangenehmes Kribbeln machte sich in mir breit. Ich mochte nicht, was er tat, konnte aber auch nichts sagen, da sämtliche Personen mit Schusswaffen im Raum waren. Gerade einer wartete süchtig auf den Moment, wo er mich endlich niederwalzen konnte. Ich konnte es praktisch in Niragis Augen sehen. Also hielt ich die Klappe und hoffte, dass Hatter nicht noch auf andere Ideen kommen würde.

"Weißt du, Ayuna... Ich muss heute Abend mein Visa erneuern", fing der Hutmacher an und ich hatte eine Vorahnung, was jetzt auf mich zukommen würde, "Und jedes Mal nehme ich eine Auswahl an Personen mit. Herzlichen Glückwunsch, du hast mein Interesse geweckt! Ich habe dich als eine meiner Begleitpersonen ausgewählt!" Er strahlte, als er das verkündete. Ich jedoch fand es nicht so witzig. Hatter lachte und nahm seine Hand von seinem Bein, um mir auf die Schulter zu klopfen. Er wirkte zufrieden, was mich auf die Palme trieb.

"Damit ist das Team komplett! Ayuna, darf ich dir die anderen Begleiter vorstellen? Aguni", er deutete auf den Militärtyp, den ich aus Pik 5 kannte, "Und Chishiya." Mein Herz rutschte mir in die Hose und ich konnte das arrogante Lächeln praktisch spüren. Ohne Zweifel waren seine Finger im Spiel gewesen, da war ich mir hundertprozentig sicher.

"Du sagst ja gar nichts, ist dir nicht gut, Mädchen?", der Hutmacher fasste an mein Kinn und drehte meinen Kopf so, dass ich ihn direkt ansehen musste.

"Nein, Nein. Alles in Ordnung", erwiderte ich schnell.

"Sehr schön, ich dachte schon, dass du nicht mitkommen wolltest. Das wäre äußerst schade gewesen. Ich bin mir sicher, dass die restlichen Beachmitglieder auf jeden Fall mit dir getauscht hätten", keine schlechte Strategie, die die Nummer 1 anwendete. Er zwang mich zur Teilnahme und setzte mich mit seinen Anhängern unter Druck.

Ich verstand die Anspielung: Es galt dem Verrat, sich gegen seine Worte zu stellen. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als zuzustimmen.

Ich lächelte ihn gequält an und er klatschte in die Hände. "Perfekt! Dann steht unserem kleinen Ausflug nichts mehr im Wege!", er stand auf und deutete an, dass ich nun wieder verschwinden sollte.

Ich fühlte mich ausgenutzt, soviel konnte ich sagen.

Als ich die Gänge zurücklief, war ich innerlich nur am Schimpfen: Ich hatte noch genug Tage, doch wurde trotzdem wieder losgeschleppt. Und warum eigentlich ich? Ayumi war doch schon länger hier und in seinen Augen viel interessanter als ich?!

Wütend rannte ich die Treppen in den ersten Stock und suchte das Zimmer 103 auf. Als ich dort an die Tür klopfte, passierte erst nichts, dann hörte ich ein grimmiges Knurren. Ich hatte Sakura wohl geweckt. Ein kleiner Hauch an Schuldgefühlen überflog mich, doch es war mir im nächsten Moment egal.

Ohne Aufforderung betrat ich den Raum und eine verschlafene Yuki sah mir entgegen. "Ayuna! Was machst du denn so früh hier?", wollte sie von mir wissen und streckte sich ausgiebig.

"Nur das du es weißt, es ist schon früher Nachmittag", ich ließ mich auf die Couch fallen, "Und ich sitze gerade ganz tief in der Scheiße." Sie war sofort Auge und Ohr. Ohne zu murren, setzte sie sich neben mich auf das kleine Sofa und sah mich neugierig an.

"Was ist los? Was habe ich verpasst?", wollte sie wissen und ich holte Luft.

"Ich muss Hatter heute bei seinem Spiel begleiten", ihr Mund klappte auf.

"Aber... Wenn du nicht im Vorstand bist, ist das doch fast unmöglich!", sie sah aus, als ob sie die Situation nicht mehr verstand. Wenn ich ehrlich war, verstand ich es ebenfalls nicht mehr so wirklich. Aber nun war ich in der Situation und musste sehen, dass ich irgendwie durchkam.

"Irgendwer hatte seine Finger im Spiel", erwiderte ich, "Es muss etwas passiert sein, wovon ich nichts mitbekommen hatte. Ist irgendwas im Militär abgelaufen?" Sie schüttelte den Kopf und ich war kurz am überlegen, ob ich ihr meinen Verdacht mitteilen sollte, doch beließ es erst einmal dabei. Vielleicht lag ich völlig falsch und dann könnte es peinlich für mich werden.

"Und wer ist noch dabei?", Sakura griff nach den Schokolinsen, die auf dem Couchtisch standen. Ich hatte gehofft, dass sie die Frage nicht stellte, aber das Schicksal wollte es wohl wieder anders.

"Aguni und... Chishiya", erzählte ich zögerlich und ihr Mund klappte erneut auf.

"Ungewöhnlich", flüsterte sie schließlich, "Ich hätte nie gedacht, dass Chishiya mitgehen würde. Normalerweise-" Sie hielt mitten im Satz inne und starrte mich an. Dann fiel ihr Mund fast zu Boden. Mist, jetzt hatte sie es selber herausgefunden. Sie war manchmal verdammt flink, Sachen zu kombinieren und dann einen Schluss daraus zu ziehen.

"Vielleicht war er es", die erwartete These kam sofort und ich zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht, vielleicht auch nicht", meinte ich nur und sie musterte mich prüfend. Ich zappelte unter ihrem strengen Blick. "Was sollte Chishiya schon von mir wollen?", quiekte ich schließlich, als ich schon fast von ihr durchlöchert worden war.

"Das will ich von dir wissen, Ayu", sie setzte sich gerade hin, "Was hast du für eine Beziehung zu ihm?" Ich sah sie entgeistert an.

"Beziehung? Spinnst du? Er ist ein arrogantes Arschloch!", rief ich entsetzt und ihre Mundwinkel zuckten verdächtig. Oh mein Gott, wenn sie gleich wieder so eine 'Love' Nummer abzog, war ich am Ende mit meinen Nerven!

"Verstehe. Also Enemies to Lovers", sie brach in schallendes Gelächter aus, als ich mit dem Kissen nach ihr warf. "Aber mal ernst. Ist da was zwischen euch gewesen?", sie wurde wieder ernst und ich schüttelte nur den Kopf.

"Nur ein einfacher Wortwechsel, nichts weiter", erzählte ich, was ja nicht einmal gelogen war.

"Er hat mit dir geredet?", wollte sie wissen und ich nickte verwirrt. War das so unnormal?

"Er war es - das ist Fact. Er muss Hatter etwas ins Ohr gesetzt haben! Chishiya redet mit fast niemanden! Es gibt da nur vereinzelt Ausnahmen, du scheinst eine zu sein", berichtete sie und ich drückte mich tiefer ins Sofa. Ich wollte keine Ausnahme sein.

"Und warum unbedingt ich? Es gibt so viele andere Spieler... Ich verstehe das alles nicht, Yuki", quengelte ich.

Auf diese Frage konnte sie mir leider auch keine Antwort geben.

The Winners Take It All | ChishiyaWhere stories live. Discover now