Des Regens Schicksalstränen

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Ich hasste Regen.

Und heute umso mehr. Warum musste es immer regnen, wenn ich meinen Regenschirm nicht mitnahm?

Unschlüssig stand ich nun vor dem Haupteingang des Krankenhauses und überlegte, wie ich trocken nach Hause kam.

Taxi?

Nein, zu teuer.

Auf Hinata warten?

An sich eine gute Idee, aber sie war schon vor einer Stunde in den Feierabend gegangen, da sie selbst einen Arzttermin hatte. Obiki war auch schon weg und Chishiya... Naja, ich konnte ihm noch immer nicht so wirklich in die Augen gucken.

Ich musste einfach nur- oh nein...nein... NEIN!

Ich sah den Wasserschwall zu spät und wurde direkt getroffen.

Was sollte das denn?

Ein Auto war absichtlich viel zu schnell an mir vorbeigefahren! Und ich dumme Nuss hatte mir das Nummernschild nicht gemerkt!

Das wäre viel Kohle gewesen, wenn ich den Fahrer angezeigt hätte...

Jetzt war es eh egal, also könnte ich laufen. Meine Kleidung war nun klitschnass und der kalte Wind trieb mir eine Gänsehaut auf den Nacken. Hoffentlich erkältete ich mich jetzt nicht...

"Hayashi-chan?"

Ich drehte mich um, nur, um Chishiya direkt in die Augen zu blicken. Sofort trieb es mir die Röte zurück ins Gesicht und ich senkte meinen Blick, damit es ihm nicht auffiel. Sein Grinsen war mir aber nicht entgangen.

"Na los, du holst dir den Tod, wenn du hier stehenbleibst", wies er mich an, bevor eine Hand nach meinem Arm griff und mich schwungvoll mitzog. Auf einmal lief ich neben ihm, er hielt einen Regenschirm, den er mit mir teilte.

Wieder einmal Out-of-character von ihm...

Moment... warte... wir zwei waren alleine... Shit, Shit, Shit! Ich hatte mir geschworen, ihm das Rätsel zu geben, wenn sich mir die Möglichkeit bot! Und auch meinen drei Freundinnen hatte ich es versprochen... Oh nein, wo führte er mich überhaupt hin?

"Es wäre vom Vorteil, wenn du einen Zahn zulegen würdest... In dem Tempo bin auch ich gleich noch klatschnass", wies er mich an und ich konzentrierte mich auf seinen Schrittrhythmus.

Wie peinlich...

Erstaunlicherweise blieben wir vor einem modernen Apartmentkomplex stehen. Er zog einen Schlüssel hervor und öffnete die große, gläserne Haustür, bevor wir in den kahlen Flur eintraten.

So langsam dämmerte es mir. Es war doch nicht das, was ich gerade dachte, oder?

Er drückte den Fahrstuhlknopf, nachdem er seinen Regenschirm in das vorgegebene Fach gesteckt hatte, damit dieser trocknen konnte. Ich nutze die kurze Pause, um mich heimlich umzusehen.

Irgendwie war das hier ziemlich luxuriös...

Der Fahrstuhl kam und wir stiegen ein, er drückte die vier.

"Du kannst gleich duschen gehen, ich leihe dir ein paar Sachen. Dann fahre ich dich mit dem Auto nach Hause", sagte er, während er seine Haare aus dem Zopf löste und sie lose herunterhängen ließ.

"Äh... Ich will dir keine Umstände machen, Chishiya-kun!", wollte ich abwinken, doch er deutete auf die nasse Kleidung.

"Noch länger in dem Zeug und du holst dir den Tod, Hayashi-chan", seine Stimmlage ließ keine Widerrede zu, also ergab ich mich und folgte ihm in sein Apartment.

Es war eine ziemlich gemütliche Behausung.

Ehrlich gesagt hätte ich es nicht von ihm erwartet, aber schien großen Wert auf Kompatibilität zu legen. Seine Möbel passten zur Wandfarbe, seine "Deko" passte zu den Möbeln und so weiter.

"Da vorne ist das Badezimmer, ich bringe dir gleich noch ein paar Sachen", meinte er und wollte gerade kehrt machen, als ich nach seinem Ärmel griff und ihn festhielt.

Fuuuuck, das war nicht geplant gewesen.

Er sah mich abwartend an und schien darauf zu warten, dass ich etwas sagte.

Jetzt oder nie.

Ich legte mir die Worte ins Gedächtnis.

Worte, die ich von einer weisen Frau gelernt hatte... die ich an ihn weitergeben wollte, bevor ich im Badezimmer verschwand.

"Zufällig sieht man sich, man fühlt, man bleibt. Und dann wird man verflochten."

Es war auf einmal so einfach, diese Worte auszusprechen. Es war, als hätte ich es bereits einmal getan.

Ohne ihn noch einmal anzusehen, verschwand ich in seinem Badezimmer und schloss die Tür hinter mir. Dann wartete ich ab.

Ich hörte seine Schritte, er schien durch die Wohnung zu schlendern... Was er wohl gerade machte?

Dann klopfte es an der Tür.

"Ich habe dir Kleidung und Handtücher hingelegt", hörte ich ihn auf der anderen Seite der Tür sagen und schloss vorsichtig auf.

Sein Gesicht war genau vor meinem.

Erschrocken wich ich zurück, mein Herz schlug tausend Saltos.

So standen wir da, starrten uns an und spürten den Atem des jeweils anderen in unserem Gesicht.

"Wie mutig von dir", sein Säuseln jagte mir erneut eine Gänsehaut in den Nacken, "Das hätte ich nicht erwartet, Ayu-chan."

Wait... W a i t... W A I T !!!

Die Hitze stieg mir ins Gesicht und ich dachte, mein Herz würde mir dieses Mal komplett aus der Brust springen.

Er hatte mich bei meinem Spitznamen genannt...

Er... Chishiya... Wie?

"Hinata-chan hatte wohl Recht", meinte er grinsend, bevor er ein wenig Abstand nahm, "Verdammt, jetzt schulde ich ihr 10000 Yen..."

Ich sah ihn mit großen Augen an.

Es gab genau zwei Sachen, die mich gerade störten:

1. Was zum Teufel hatte Hinata damit zu tun?

2. Warum gab er mir keine Antwort?

Oh verdammt, sein Grinsen wurde breiter...

"Du hast mir den Kopf verdreht, Ayu, jetzt musst du die Konsequenzen tragen..."

Die Antwort traf mich wie ein Schlag in die Magengrube.

So plötzlich, so kurz und doch so aussagekräftig.

"I-Ich", meine Stimme versagte, während er mir in die Augen blickte und ich mich in seinen verlor.

"So sprachlos?", wollte er wissen und dann... dann explodierte das Feuerwerk.

Es kam mir so bekannt vor, als seine Lippen meine berührten.

Es war, als hätte ich ihn schon einmal geküsst, als wäre mir alles vertraut, was mich in diesen Moment umhüllte.

Ich war die Erste, die sich aus dem Kuss löste.

Aber auch nur, weil ich kräftig Niesen musste. Er lachte leise.

"Ich hätte ne Hand frei, um dir beim Duschen zu helfen", murmelte er provozierend und ich blickte ihn mit großen Augen an.

Das hat er gerade nicht gesagt, oder?

Wenn ja... was erwiderte ich denn jetzt? Ich konnte doch nicht einfach zustimmen, was, wenn es nur ein Scherz seinerseits gewesen war?

Ohne richtig nachzudenken, schlug ich die Tür vor seiner Nase zu.

Ich hörte, wie er leise lachte und wusste, dass ich mal wieder in eine seiner Fallen getappt war. Verdammt, dieser Typ war so hinterlistig...

Aber dafür liebte ich ihn.

Ich würde ohne ihn nicht mehr leben können.

The Winners Take It All | ChishiyaWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu