Projekt: 'Wir sind das Team von Morgen'

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Die Stille im Raum sagte schon so viel. 

Wir waren alle verwirrt - und das lag nicht nur daran, dass der junge Dozent auf einmal schräge Freudetänze vollführte.

"Eine Studie...", der andere junge Mann neben 'Chishiya' ergriff das Wort. Er schien genau wie wir noch ziemlich zwischen den Zeilen zu hängen. Tomoki-san nickte und hörte endlich auf, wie ein kleines Kind zwischen den Stühlen umherzulaufen. Stattdessen hatte er sich nun zu uns an den Tisch gesetzt und wirkte erstaunlicherweise wieder völlig ernst.

"Genau. Es soll erforscht werden, ob das Arbeiten erleichtert wird, wenn man immer mit den gleichen Menschen zusammenarbeitet. Es sind schon öfter Studien durchgeführt worden, die sich mit der Thematik befassen, jedoch sind sie mittlerweile wieder ziemlich überholt... Und da kommen Sie alle ins Spiel", er beugte sich ein wenig vor, "Nun, Sie haben schon bald Semesterferien, wenn Sie sich erinnern. Leider werden Sie diese wohl nun opfern müssen..."

Stimmt, das hatte ich komplett vergessen. Wir hatten in weniger als drei Wochen auch noch Ferien. Genauer gesagt fingen sie an, wenn ich vorhatte, mein ehemaliges Zuhause endgültig zu verlassen. 

Das hatte ich wirklich verschwitzt... Gar nicht gut, das machte es alles noch ein wenig komplizierter!

"Ziehen Sie nicht solche Gesichter, die Zeit wird sich trotzdem für Sie lohnen", Tomoki gab uns jedem ein paar Zettel in die Hand. Es war...

... ein Ratgeber?!

Im Augenwinkel sah ich, wie sich 'Chishiya' ein Grinsen verkniff. Er schien sehr vom Dozenten amüsiert zu sein, was ich ihm aber ehrlich gesagt nicht übelnehmen konnte.

"Wir werden genauere Details in den nächsten Tagen besprechen. Schließlich sind Sie alle noch im Studium, die Arbeit im Krankenhaus ist für einige von Ihnen vielleicht noch neuartig", er sah plötzlich zu mir, "Hayashi-san, Sie haben ja erst heute in die medizinische Psychologie gewechselt. Wenn es Ihnen zu schnell geht, dann melden Sie sich bitte, ich bin jederzeit erreichbar." Ich nickte und wandte meinen Blick wieder zu der Infobroschüre. 

Ob ich die heute noch durchbekommen könnte?

"Dann haben wir nun erst einmal alles geklärt", Tomoki erhob sich von seinem Stuhl, "Wir werden uns morgen erneut hier treffen. Wenn Sie Fragen haben, können Sie die morgen gerne mitbringen, dann werden wir uns genauer mit diesen befassen."

Und so kam es dazu, dass ich völlig verdattert vor dem Universitätsgebäude stand und erst einmal alles verdauen musste, was ich soeben erfahren hatte.

Eine Person tippte mir auf die Schulter und ich zuckte merklich zusammen. Es war Daiki-san, die andere weibliche Person meiner Gruppe. 

"Oh nein! Ich wollte Sie nicht erschrecken!", sie verbeugte sich entschuldigend, "Eigentlich wollte ich mich noch einmal persönlich vorstellen! Ich bin Daiki Hinata!" Ich lächelte sie an. 

"Ich bin Hayashi Ayuna. Wir können uns gerne duzen", sie lächelte nun ebenfalls, "Ach ja, Daiki-san! Wenn es nichts ausmacht, bevorzuge ich meinen Vornamen." Sie kratzte sich im Nacken. 

"Kein Problem, Ayuna-chan. Wenn das so ist, kannst du mich auch gerne beim Vornamen nennen", sie grinste verlegen, "Ich weiß ja nun schon, wo dein Major liegt... Ich bin im Bereich Physiotherapie, nur zu deiner Information." Wir begannen, ein Stück zusammen zu gehen.

Ich fühlte mich in ihrer Gegenwart wohl und hatte nicht das Gefühl, dass sie mich ausnutzen wollte, wie ich es von anderen kannte.

So verfielen wir in ein interessantes Gespräch. Sie erzählte mir, wie sie den Meteoriteneinschlag erlebt hatte.

"Man fand mich in den Trümmern auf der Shibuya-Kreuzung", meinte sie gerade. Ich blickte zu ihr. 

"Lustig, mich auch!", erwiderte ich und wir lachten kurz. Schon seltsam, dass ich offen darüber reden konnte. Andere hätten ein Trauma gehabt, doch ich? Nein, irgendwie spürte ich eine Art von Dankbarkeit und Stolz, woher diese Gefühle aber genau kamen, wusste ich nicht.

"Oh je! Es ist ja schon so spät! Ich muss sehen, dass ich nach Hause komme! Meine Mitbewohnerin zieht heute aus und ich habe versprochen, dass ich ihr beim Schleppen helfe!", sagte sie plötzlich, "Es war schön mit dir geredet zu haben!" 

"Ebenfalls! Komm gut nach Hause und bis morgen!", rief ich ihr hinterher und sie winkte noch kurz, bevor ich selbst in eine andere Richtung davoneilte. 

Kuina wartete bestimmt schon auf mich!

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"Na? Haben sie dich endlich gehen lassen?", fragte Kuina, als ich mich an den Tisch fallen ließ. Verdammt, die Stühle in diesem Café waren immer so gemütlich! 

"Ja und Nein, ich muss morgen gleich noch wieder hin", erwiderte ich müde und bestellte einen kleinen Kaffee. Ich brauchte Coffein, um funktionieren zu können. Kuina grinste mich an. 

"Du bist ja praktisch der Tod auf Latschen! Wie lange hast du nicht mehr richtig geschlafen, Girl?", wollte sie wissen und ich schnaufte. 

"Keine Ahnung, aber mein Leben lässt mir momentan eh keine Ruhe", meinte ich zu ihr, während ich meinen Kopf deprimiert auf die Tischplatte fallen ließ.

Sie seufzte. "Stress mit den Eltern?", fragte sie und ich nickte. Dann erzählte ich ihr von meiner Drohung und wie sie gerade vor meinen eigenen Augen zerfiel. Sie tätschelte mir beruhigend die Schulter. 

"Keine Sorge, es wird sich bestimmt noch was finden! Wunder geschehen immer dann, wenn man nicht damit rechnet", pflichtete sie mir bei. Dann versuchte sie, das Thema zu ändern, um mich ein wenig auf andere Gedanken zu bringen. 

Ich war froh darüber.

Irgendwann kamen wir auf meine Ersatzleistung zu sprechen und mir fiel ein, was ich ihr noch erzählen wollte.

"In meiner Gruppe ist ein junger Mann, der mir sehr bekannt vorkommt, ich kann allerdings nicht einordnen, woher ich ihn genau kenne...", meinte ich und sie begann zu grinsen. 

"Oh, wittere ich da etwa ein neues Drama?", fragte sie mit glitzernden Augen und ich verdrehte die Augen. Sie kicherte, bevor ihr Gesicht ernst wurde. 

"Du hast das Gefühl also auch?", wollte sie plötzlich wissen und ich sah sie verwirrt an. 

Meinten wir gerade etwa das Gleiche?

"Du siehst eine Person, hörst einen bestimmten Namen oder eine bestimmte Stimme und denkst, dass du diese Person kennst, oder? Aber wenn du versuchst, dich an sie zu erinnern, scheiterst du kläglich", sie sprach aus, was ich die letzten Tage immer wieder erlebt hatte. Mit großen Augen sah ich sie an, was anscheinend ein Deutliches "Ja" für sie war. Erleichtert nahm sie einen Schluck von ihrem Getränk.

"Es ist genauso, wie du es gesagt hast", bestätigte ich ihr noch einmal, als ich meine Stimme endlich wiedergefunden hatte. Wir musterten uns gegenseitig.

"Bin ich froh", murmelten wir gleichzeitig und sahen uns perplex an, bevor wir in Gelächter ausbrachen.

Ich war so froh, dass ich Kuina kennengelernt hatte.

Sie wusste es vielleicht nicht, aber ihre Worte konnten Wunden heilen und die Welt ein wenig bunter machen.

Wenn ihr etwas passierte, wüsste ich nicht, wie ich es verkraften könnte...


The Winners Take It All | ChishiyaWhere stories live. Discover now