Der Tod ist keine Lösung

275 24 3
                                    

Der Wind schlug mir ins Gesicht, als ich die Tür zum Dach öffnete.

Es war, als würden tausend Nadeln in meine Haut stechen.

Doch das war nicht das, was mir gerade die meisten Probleme bereitete.

Eher war es die Angst, die sich in mir ausbreitete und Übelkeit hervorrief.

Ich hatte gehofft, dass meine Intuition falsch gelegen hatte - doch leider war es genau das Gegenteil. Die Situation, die sich mir bot, ließ das Blut in meinen Adern gefrieren.

Sie war über das Geländer geklettert.

Was jetzt? Was sollte ich tun? Es konnte so viel passieren, wenn ich jetzt die falsche Entscheidung traf, es könnte mich so viel kosten...

Jemand konnte sein Leben verlieren...

Sarumi schien gehört zu haben, dass sich die Tür geöffnet hatte. 

Ihr eiskalter Blick lag nun auf mir, sie tastete mich mit ihren Augen ab. 

Ich ließ es ihr gewähren.

"Komm nicht näher!", ihre Stimme schallte mit dem Wind zu mir, "Halte mich nicht davon ab! Ihr blöden Psychologen! Ihr versteht doch eh nicht, was mit mir ist! Ihr wisst nicht, was ich durchmachen muss! Stattdessen gebt ihr mir immer nur diese dummen Ratschläge, die eh nichts bringen! Tabletten, Worte, Therapien! Ich will nicht mehr!"

Ich sagte nichts.

"Ich will nicht mehr! Ich kann einfach nicht mehr!"

War es damals auch so gelaufen? War ich auch so verzweifelt gewesen, wie das Mädchen, was nun an der Dachkante stand und weinend nach unten blickte? Hatte auch ich keinen anderen Ausweg gesehen?

"Warum sagst du nichts?!", ihre Stimme war schrill, sie hatte anscheinend mit einer Antwort gerechnet, mit irgendetwas, was in ihre Vorstellung passte.

So viel Blut...

Ich blickte ihr in die Augen.

Das schmerzliche Pochen in meinen Armen, der Badezimmerboden, der sich langsam rot färbte...

"Es tut weh, nicht verstanden zu werden", meine Stimme war leise, "Es ist so anstrengend, immer auf eine Besserung warten zu müssen."

Ihre Augen weiteten sich langsam.

Tiefrot... Und doch so beruhigend... Es war geschafft. Mit jedem Tropfen, der meinen Körper verließ, glitt ein wenig mehr Leben davon...

"Was weißt du schon?!", sie drehte sich mit dem Rücken zu mir. 

Sie brauchte nur noch loslassen... Dann würde sie in die Tiefe stürzen und ihre Augen nie mehr öffnen.

"Siehst du den Tod als deine letzte Lösung an?", die Frage schien gegen eine eiserne Wand zu stoßen.

Ich hatte es geschafft, ich war meiner Freiheit so nahe... Warum fühlte es sich dann nicht richtig an?

"Sarumi? Was lässt dich denken, dass der Tod deine Probleme lösen könnte?", ich machte einen Schritt auf sie zu, ließ den Abstand aber trotzdem noch groß genug. 

Ein Angriff auf ihren persönlichen Raum und sie würde garantiert loslassen.

"Was bleibt mir den übrig? Ich habe doch nichts anderes mehr!", mir fiel das Zittern in ihrer Stimme auf, als sie gegen meine Erwartung antwortete, "Warum interessiert es dich denn überhaupt?! Du bist doch ein kleines Püppchen, das wahrscheinlich in einer rosaroten, sorgenfreien Welt aufgewachsen ist! Du weißt doch nicht, wie es sich anfühlt, keinen Ausweg mehr zu haben!"

The Winners Take It All | ChishiyaOnde as histórias ganham vida. Descobre agora