Ein Stückchen Wärme

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Damit hatte ich nicht gerechnet, als ich nach Hause kam.

Auf dem großen Sofa saßen zwei Typen. 

Chishiya und Obiki.

"Auch mal zu Hause, Ayuna-chan?", zog Hinata mich auf und ich streckte ihr die Zunge raus. Die anderen hatten mich einfach stumpf alleine zurückgelassen.

"Sehr lustig", erwiderte ich und stiefelte in die Küche, wo ich die Tasche mit den Lebensmitteln abstellte. Nach dem Besuch bei Sarumi-chan hätte ich schon längst Feierabend gehabt, weshalb ich niemanden mehr vorgefunden hatte - sie waren alle nach Ende ihrer Schicht abgehauen. 

Ich hatte dann beschlossen, noch ein paar Sachen einzukaufen, bevor ich zurück zur WG gegangen war. 

Aber nun schien es ja so, als ob aus meiner Entspannungszeit nichts wurde.

"Du bist noch ganz", die Stimme hinter mir ließ mich zusammenzucken und ich drehte mich blitzschnell um.

Schlechte Entscheidung...

Auf einmal waren unsere Gesichter ganz nah beieinander. Ich konnte seinen Atem praktisch auf meiner Haut spüren. Die Sekunden schienen ewig zu dauern, mein Herz schlug mir bis zum Hals. 

Verdammt, was war los mit mir?

"Mmh, das finde ich äußerst interessant", der Satz jagte mir einen Schauer über den Rücken. 

Hatte er das nicht schon einmal gesagt? Aber wann?

Ich blinzelte. Sein Gesicht war meinem noch immer gefährlich nahe. Ich schaffte es, mich aus der brenzligen Situation zu befreien, indem ich einen Schritt zur Seite machte, meine Hand auf die Anrichte legte und... kippte?! 

Verdammt, war das diese komische Klischee Szene aus einem Drama? Dort, wo sich das Female Lead auf die Nase legte und die männliche Hauptfigur die Rettung in Person war?

Eine Hand griff nach meinem Arm und zog mich wieder ins Gleichgewicht. 

Oh man, der Mann hatte Reflexe! 

"Kurzer Hinweis, du solltest deine Hand auf die Anrichte legen, wenn du dich abstützen möchtest", sein Grinsen brannte sich in mein Gedächtnis.

"Ich weiß", erwiderte ich einfach nur, da ich nicht die Kraft hatte, weiter mit ihm zu diskutieren. Er würde eh gewinnen. 

Langsam begann ich, die Lebensmittel an die richtigen Stellen zu verteilen. Er sah mir interessiert dabei zu, wobei ich manchmal das Gefühl hatte, dass er meinen Körperbau analysierte.

"Wie sieht es mit 205 aus?", wollte er schließlich wissen und ich hielt in meiner Bewegung inne. Dann sah ich zu ihm. 

"Sie hat einen Namen", erinnerte ich ihn und er runzelte kurz die Stirn. 

"Ich weiß, Hayashi-san", war er sauer? Ich warf die Packungen mit Instant-Nudeln in die unterste Schublade. 

"Ich habe ihr die Entscheidung überlassen", erzählte ich ihm dann, "Jetzt liegt es an ihr, ob sie Hilfe haben möchte oder nicht." Er schien nicht zu verstehen, was ich meinte, aber es war mir gerade auch egal. 

Ich verließ die Küche und er schien mir zu folgen, während ich mein Zimmer ansteuerte. Da ich mir sicher war, dass er noch weitere Fragen hatte, hielt ich ihm meine Tür auf und er trat tatsächlich ein, bevor er es sich auf dem Schreibtischstuhl bequem machte.

Ich griff nach ein paar frischen Klamotten, die ich mir aufs Bett legte und setzte mich dann auf meinen großen Sitzsack.

"Schieß los, was liegt dir auf dem Herzen?", wollte ich wissen, als ich seinen nachdenklichen Blick bemerkte. Er antwortete nicht, also wollte ich auch nicht weiter bohren. 

Stattdessen schwiegen wir uns an. Es führte sogar so weit, dass es langsam peinlich wurde.

"Hayashi Ayuna...", eine Gänsehaut lief mir über meinen Rücken, als er meinen vollen Namen aussprach. 

"Ja?", meine Stimme klang piepsig. Ich wusste nicht, was wieder in mir vorging, es war ein so ungewohntes, als auch bekanntes Gefühl.

"Warum machst du mich so verrückt?"

Meine Augen weiteten sich ein wenig. Er...was?! 

Was passierte hier gerade... das war eine Richtung, die ich nicht erwartet hatte.

"Wie-Was meinst du?", wollte ich leise wissen und er blickte mir in die Augen. Da waren sie wieder, die wunderschönen Pupillen...

"Es liegt mir auf der Zunge, ich weiß, dass wir uns schon vorher getroffen haben... Es ist, als kenne ich dich schon eine verdammt lange Zeit...", er überlegte, "Du... Ich kann es einfach nicht beschreiben. Es ist ein komisches Gefühl, was ich habe, wenn ich dich sehe."

Er sprach aus, was mir auf dem Herzen gelegen hatte. Das war kein Zufall mehr, ich wurde nicht verrückt, nein, es war die Realität - die Wahrheit.

"Chishiya Shuntaro."

Wir blickten uns erneut an und er schien ein wenig verblüfft zu sein.

"Ich bin mir sicher... wir kennen uns irgendwoher."

Wir hatten es zwar schon einmal angesprochen, aber jetzt... jetzt war ich mir zu 100% sicher.

Wir schwiegen uns an, hin und wieder trafen sich unsere Blicke.

Ich hatte das Gefühl, dass wir beide nicht wussten, was wir sagen sollten.

Schließlich stand er auf und verließ mein Zimmer. Ich blieb zurück und starrte zum Schreibtischstuhl, wo er eben noch gesessen hatte. 

Was für eine komische, weit hergeholte Unterhaltung.

Aber ja... es war mir aufgefallen, ich hatte die Zeichen nur nie so wirklich zusammengesetzt. Das ständige Necken, die Blicke, die Realisation in seinen Augen... Die einfachen Gespräche...

Es war alles zu einfach gewesen, dafür, dass wir uns erst seit Kurzem kannten. 

Es war ihm aufgefallen, er hatte sich damit verrückt gemacht. 

Nicht nur er, sondern auch ich.

Erst jetzt fiel mir die Wärme auf, die er hinterließ, wenn er in meiner Nähe war.

Es war diese wohlige, angenehme Wärme, in welcher man sich am liebsten verstecken wollte.

Ich schaffte es, meinen Gedankenfluss zu unterbrechen und nutzte meine Kraft lieber, um mich umzuziehen. Meine stickigen Alltagsklamotten wurden gegen luftige, einfache Kleidung getauscht, in welcher ich mich gleich viel wohler fühlte. 

Dann griff ich nach meinem Laptop, meinem Ipad und Co. Wahrscheinlich waren die beiden Männer hier, damit wir unsere Facharbeit beginnen konnten.

Ich legte noch einen Zwischenstopp in der Küche ein, wo ich eine Kanne Tee kochte und diese mitsamt fünf Bechern ins Wohnzimmer trug.

Mein Gespür hatte trotz der Verwirrung richtig gelegen. 

Ann hatte sich gemütlich auf einen der Sessel gepflanzt und schaute sich eine Serie auf ihrem Mac Book an. Die anderen Drei waren in ihre Notizen vertieft. 

Ich legte meine Sachen ab und stellte Ann ihre Tasse hin. Sie lächelte mich dankbar an und ich nickte ihr zu, bevor ich mich neben Hinata auf den Boden fallen ließ. Sie schaute kurz auf, runzelte fragend ihre Stirn, aber wandte sich dann wieder ihrem Bericht zu. 

Ich klappte meinen Laptop ebenfalls auf und versuchte, mich auf mein Tagesprotokoll zu konzentrieren, aber mein Blick schweifte immer wieder zu dem blondhaarigen, jungen Mann ab.

Ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich sein Gesicht und seinen Oberkörper bewunderte.

Vielen Dank, Chishiya, du hast mich völlig aus der Bahn geworfen.

Die nächsten Tage würden lustig werden...


The Winners Take It All | ChishiyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt