Der Fluch des Verliebtseins

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Drei Visa-Tage nutzte ich, um mich auszuruhen.

Ich verließ das Zimmer nur, um etwas zu Essen und etwas zu trinken zu holen. Das alte Armband hatte ich auch bereits abgegeben, zum Glück war ich aber nicht Hatter, sondern Ann begegnet, welche mir den Trip zum Vorstandssaal gespart hatte.

Am vierten Tag konnte ich dann aber nicht mehr still sitzen. Mein Körper flehte mich praktisch an, dass ich ihn endlich wieder bewegte und so kam es dazu, dass ich frühmorgens ein Handtuch schnappte und hinunter zum Pool huschte. Um diese Zeit war nicht viel los, nur vereinzelt hatten sich andere Personen auf den Liegen ausgebreitet, um die Sonne zu genießen, die sich ihren Weg an den Himmel bahnte. Ich schmiss mein Handtuch auf einen freien Stuhl und setzte mich dann an den Beckenrand, um meine Haut an das kühle Nass zu akklimatisieren. Das Wasser kräuselte sich leicht und ich genoss die Ruhe, welche es hier sehr selten gab.

Als ich merkte, dass ich mich so langsam mit meinen Beinen an das Wasser gewöhnt hatte, ließ ich mich vorsichtig ins Wasser gleiten. Dann machte ich die ersten Schwimmzüge. Meine Muskeln seufzten erleichtert auf und ich schwamm ein paar Bahnen. Recht schnell schaffte ich es, meine Umgebung auszublenden, was dazu führte, dass ich nicht mitbekam, wie sich jemand an den Rand gesetzt hatte und mir zusah. Erst, als mein Name gerufen wurde, bemerkte ich Sakusa, die mich angrinste.

"Mensch, du hättest mich ruhig fragen können, ob ich vielleicht auch mitschwimmen will, weißt du?", zog sie mich auf, während ich mich hochzog und neben sie setzte.

"Komm doch rein, es ist schön hier", meinte ich, während ich im Wasser hüpfte. Sie kicherte nur und winkte dann ab. Dann schwiegen wir eine Weile.

"Ich hatte echt Angst gehabt, weißt du?", fing sie plötzlich an, "Du bist nicht zurückgekommen. Ich habe gedacht, dass du gestorben wärst. Im Nachhinein schäme ich mich ziemlich für den Gedanken." Ich sah sie verwundert an.

"Wieso schämst du dich denn? Es ist normal, dass man vom Schlimmsten ausgeht, gerade hier im Borderland. Ein ganz normaler Gedanke", versuchte ich sie zu beruhigen und sie lächelte.

"Das meine ich damit nicht. Ich schäme mich, dass ich an deiner Intelligenz gezweifelt habe. Dabei hast du mir schon so oft das Gegenteil bewiesen", entgegnete sie schließlich, "Für einen Moment habe ich den Gerüchte über dich Glauben geschenkt." So war es also. Ich glaubte, es war an der Zeit, dass ich Sakusa ein wenig mehr vertraute.

"Kommst du mit? Ich will ein wenig plaudern, aber nicht hier", fragte ich sie schließlich und sie sah mich neugierig an. Dann zog ich mich aus dem Pool, griff nach meinem Handtuch und deutete ihr an, mir zu folgen. Wir steuerten mein Zimmer an, da es näher lag, sonst hätte ich mit in den Militärflur kommen müssen und das war mir noch immer unangenehm.

Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, deutete ich auf das Sofa und wir setzten uns. Ich verschränkte meine Beine und dann machte ich den Mund auf: "Du hast Recht, es sind wirklich nur Gerüchte." Sie sah mich an, als hätte sie nur Bahnhof verstanden. Ich lächelte kurz, bevor ich mit dem Finger auf meinen Oberkörper deutete. "Wer bin ich?", wollte ich von ihr wissen und ihr Gesicht veränderte sich von Verwirrung auf komplette Ahnungslosigkeit.

"Du bist Hayashi Ayuna. Mensch, worauf willst du hinaus, Ayu?", sie war neugierig.

Ich schmunzelte und nahm meinen Mut zusammen, bevor ich es endlich ausschüttete: "Genau. Ich bin Hayashi Ayuna. Ich habe ein Stipendium für die Universität Tokio erhalten, um Psychologie zu studieren." Der Knoten war geplatzt, als ich den letzten Satz ausgesprochen hatte.

"Nein...", murmelte Yuki, "Das hat Ayumi nicht gemacht..." Ich nickte.

"Oh doch... Das hat sie. Sie war nicht davon ausgegangen, dass auch ich hier gestrandet war. Weißt du, ich hab nicht das beste Verhältnis zu meiner Schwester. Es gibt da ne ziemlich schreckliche Vorgeschichte. Aber das ist gerade unwichtig. Jedenfalls hatte ich mich nicht getraut, endlich gegen sie zu wirken. Bis vor vier Tagen", ich zeigte ihr das Armband und ihre Augen weiteten sich, "Jemand hat mir ins Gewissen gesprochen."

Auf einmal hatte sie ein fettes Grinsen im Gesicht. "Oh... Dieser jemand... Das ist doch nicht Chishiya gewesen, oder?", sie grinste breiter, als mein Gesicht einfiel.

Mensch, sie kannte mich anscheinend besser, als ich es erwartet hatte.

"Chishiya? Echt jetzt? Du kommst mit ihm aus?", fragte sie mich.

Also entschied ich mich für eine Gegenfrage, die ich schon lange hatte stellen wollen: "Und was ist mit dir? Wie läuft es so mit Niragi?"

Bingo, ich hatte ins Schwarze getroffen.

"Wieso weißt du das?", fragte sie mich mit großen Augen und ich schmunzelte.

"Du musst an deinen Blicken und an deiner Körperbeherrschung arbeiten. Da bist du praktisch wie ein offenes Buch", erzählte ich ihr und sie wirkte beeindruckt.

"Jetzt weiß ich, warum Kuina sagt, dass du und Chishiya so gut zusammenpassen", grinste sie und lenkte damit das Gespräch geschickt wieder in eine andere Richtung. Ich stöhnte auf. Wieso wusste Kuina auch schon so viel? "Und? Wie ist er so, habt ihr schon miteinander geschlafen?", die Röte schoss mir sofort wieder ins Gesicht, als sie mich diese Frage fragte. Sie lachte auf. "Das ist jetzt nicht wahr! Echt?! Wie geil ist das denn! Und, wie ist er so im Bett? War es toll? War seiner groß genug?", ich sprang auf und vergrub mein Gesicht in meinem Kissen. Warum wollte Sakusa das alles bloß wissen? Wie peinlich!

"Ja, ja- es war gut", antwortete ich schließlich und spürte, wie sie sich neben mich auf das Bett setzte. Im nächsten Moment war ich einer Kitzelattacke ausgesetzt.

"Komm schon! Erzähl mehr!", knickerte sie und ich kriegte vor Lachen kaum noch Luft.

"Ic- kein- Luft!", ächzte ich schließlich und sie ließ von mir ab. Dann erzählte ich ihr, wie es dazu gekommen war. Ihr Gesicht verzog sich von Wut zu Trauer und dann zu Freude. Sie verstand, was ich durchgemacht hatte.

"-und jetzt weiß ich nicht, was dieses Gefühl mir sagen will", beendete ich die Erzählung. Sie legte ihr Kinn auf ihren Handrücken und schien zu überlegen.

"Du scheinst im gleichen Fluch gelandet zu sein, den auch ich durchleben muss", antwortete sie schließlich und ich wusste, dass sie von Niragi sprach. Sie liebte ihn, er kannte nicht einmal ihren Namen. Ein trauriges Schicksal. Chishiya kannte mich zwar, aber er würde meine Gefühle auch nicht erwidern. Zwischen uns gab es nur eine platonische Beziehung, nicht mehr.

Also konnten wir wohl wirklich vom gleichen Fluch sprechen. Ich war ganz klar verliebt. Doch diese Gefühle prallten gegen eine Wand.

Es tat weh.

Und doch wusste ich, dass ich nicht einfach den Schalter umlegen konnte. Ich würde diese Gefühle mit mir herumschleppen. Es waren die Konsequenzen, die ich tragen musste.

Wer weiß? Vielleicht waren die Gefühle ja morgen schon verschwunden und ich hatte sie mir einfach nur eingebildet.

The Winners Take It All | ChishiyaWhere stories live. Discover now