Beschämende Gedanken

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Seit dem Zwischenfall waren nun gut zwei Wochen vergangen. Noch zwei weitere Wochen - dann war die Studie vorbei.

Der normale Alltag war ziemlich schnell wieder eingekehrt. Erfreulicherweise hatte Yura-chan das Krankenhaus verlassen dürfen.

Mit Asahi-san und Asami-chan habe ich auch erhebliche Fortschritte erreichen können. Es waren noch ein paar andere Patienten dagewesen, die ich kurz betreut hatte, aber sonst war meine Arbeit immer gleich gelaufen.

Ach ja, ich hatte fast vergessen zu erwähnen, dass sich noch etwas geändert hatte: Die Beziehung zwischen Chishiya und mir war nun ein wenig...nun ja...kompliziert?

Ich war mir nicht ganz sicher, was wir nun waren, aber Kollegen, beziehungsweise Freunde waren wir nicht mehr - dafür war es nun schon zu persönlich.

Seine Kommentare, die mir die Röte in den Kopf trieben, das Kribbeln, das er absichtlich in mir auslöste, wenn er mir unnötig nah kam, das Necken... Es war nicht mehr normal.

Das hatten Ann, Kuina und Hinata mir auch erzählt, als wir eines Abends darüber gesprochen hatten.

"Ohne Frage! Das ist Liebe!", hatte Hinata geschwärmt und mich mit wackelnden Augenbrauen angesehen. Ich war ein wenig rot geworden und hatte meinen Kopf in einem der Kissen versteckt.

"Er hat dir ja wirklich den Kopf verdreht...", meinte Kuina, die neben Ann saß und gemütlich ihren Tee schlürfte. Ich sah zu ihr und sie grinste kurz, bevor ich aufstöhnte.

Irgendwie hatten sie ja Recht... Seit unserem Gespräch in meinem Zimmer hatte ich schon so etwas vermutet, hatte aber nicht gedacht, dass es mich so schnell so stark treffen würde. Der Peak war wohl vor zwei Wochen gewesen, als Sarumi-chan und ich den Flur entlanggelaufen waren und ich dann kollabiert bin.

Laut Erzählungen von Obiki und Hinata war Chishiya beinahe ausgeflippt (auch wenn ich mir das echt nicht vorstellen konnte, mal ehrlich, er wirkte eher wie ein ruhiger Typ).

Jedenfalls hatte er eine Untersuchung angeordnet (die ich nicht hatte haben wollen, aber er bestand drauf) und was soll ich sagen? Ich konnte ihm noch immer nicht in die Augen sehen.

E R H A T M I C H H A L B N A C K T G E S E H E N ! ! !

Oh nein, alleine der Gedanke daran ließ mich schon wieder rot anlaufen... Warum hatte er auch ausgerechnet darauf bestanden, im Raum bleiben zu wollen?

"Oh je, Ayu, du bist dem Fluch des Verliebtseins wirklich tief verfallen, oder?"

Hinatas Bemerkung hatte mich wehmütig gestimmt. Sie hatte Recht - aber was, wenn er mich nicht mochte?

Dann lag ich diesem Fluch noch immer vor Füßen und konnte nicht entkommen.

"Warum gestehst du es ihm nicht einfach, Ayu? Dann hast du es vom Herzen, die Entscheidung liegt dann in seiner Hand", hatte Ann vorgeschlagen und ich hatte ernsthaft über diesen Vorschlag nachgedacht.

War ich bereit, mein Herz in die Hand eines anderen zu legen?

Ja, das war ich.

Weil ich ihm vertraute, weil ich wusste, dass er es nicht misshandeln würde.

"A-Aber wie? Ich kann ihm momentan nicht einmal unter die Augen treten...", murmelte ich und versteckte mein Gesicht wieder in dem weichen Stoff des Kissens.

"Haaa? Nur, weil er deine Brüste gesehen hat?", Hinata schmunzelte und Kuina brach in Gelächter aus, "Nur, weil seine großen, sanften Hände deinen Oberkörper abgetastet ha-"

Das Kissen traf meine Mitbewohnerin genau im Gesicht. Ann prustete los und ich sah beschämt zu Boden.

"Girl! Du bist ja noch röter als eine Tomate! Er ist Arzt! Oder stellst du dir noch mehr vor?", oh verdammt...

"Ne, oder?", krähte Hinata und rutschte vom Sofa. Ich drehte mich mit dem Rücken zu den drei Frauen, die sich nicht mehr einkriegen konnten.

"Damn, ich hätte nicht gedacht, dass du so denkst, Ayu... Mein Weltbild ist zerstört!", Kuina hielt sich hysterisch die Hand an die Stirn.

"Nun lasst das arme Mädel in Ruhe, Kuina, Hinata... Ayu?", Ann sah mich direkt an, "Leg ihn flach."

Ich verschluckte mich an meinem Tee und hustete energisch los, mit der Hoffnung, die heiße Flüssigkeit aus meinem falschen Hals zu bekommen.

"Ihr seid alle echt unmöglich!", schnaufte ich leise und setzte mich wieder aufs Sofa. Mentale Bilder rutschten in meine Gedanken und ich quietschte leise auf, was die drei anderen nur noch mehr zum Lachen brachte.

Fies.

"Was schlagt ihr vor?", wollte ich wissen, als sie sich halbwegs beruhigt hatten. Die drei überlegten.

"Warum machst du es nicht ein wenig interessant?", schlug Kuina als Erstes vor, "So, wie ich dich kenne, wirst du eh nicht auf den Trichter kommen, die Worte so auszusprechen, dafür bist du momentan einfach nicht in der Lage."

Ein Punkt für Kuina.

"Ich stimme ihr da zu", meinte auch Ann, "Zwar kenne ich Chishiya nur von den Besuchen, wo er mit hier war, aber er scheint nicht dumm zu sein. Teste aus, wie weit du gehen kannst!"

Ein Punkt für Ann.

"Er ist schlau - also stelle ihm eine Aufgabe, woran er zu knobeln hat!", Punkt für Hinata. Jetzt lag es an mir, diese Punkte sinnvoll zu verbinden.

"Ein Rätsel...", überlegte ich und das Kribbeln setzte wieder ein.

Sollte ich es wirklich wagen?

"Du schaffst das", meinte Ann zu mir und ich lehnte mich zurück.

Was könnte ich ihm sagen, damit ich nicht gleich im Boden versank?

Und wann?

"Mache dir nicht so einen Kopf, Mädel. Ich kenne dich, du bist schon mit viel schlimmeren Sachen fertig geworden...", Kuina saß auf einmal neben mir und gab mir Halt, den ich dringend nötig hatte.

"I weiß... Ich bin einfach nur aufgeregt...", murmelte ich, "Das ist normal, oder?!" Die junge Frau neben mir nickte und ich fühlte mich gleich ein wenig besser.

"Stelle dir einfach vor, was kommen kann, wenn du es hinter dich gebracht hast", meinte Ann, "Dann liegt zu 50% die Chance vor, dass ihr eine gemeinsame Zeit habt... Gut, dieses Raster passt aber nicht zu euch, die Chance liegt hier bei 75%, Chishiya würde sich sonst anders verhalten."

"Genau! Ann hat Recht, Ayuna! Stell dir einfach vor, was danach kommt", sie beugte sich vor und ihr Kopf war jetzt genau zwischen meinem und Kuinas.

"Seine Hände würden sicherlich gerne noch einmal deinen Körper erforschen, findest du nicht? Stell dir vor, was er alles anstellen könnte..."

"H I N A T A!!!", quietschte ich, bevor ich ihr erneut ein Kissen ins Gesicht schlug.

Verdammt, warum mussten sie mich nur so aufziehen?

Aber dafür liebte ich sie einfach.

The Winners Take It All | ChishiyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt