Trauerphase

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Ich werde durch ein lautes Knallen wach, worauf ein „Au scheisse" von unten folgt. Ich springe aus meinem Bett, ziehe mir eine Jogginghose über und sprinte nach unten. Dort sehe ich Phil, dem das Regal mit Gewürzen runtergefallen ist. „Ah guten Morgen Mira", sagt er mit einem gespieltem Lächeln. „Guten Morgen Phil", gebe ich zurück und betrachte ihn dabei, wie er die Gewürze wieder aufsammelt. „Warte ich helfe dir", sage ich und knie mich zu ihn auf den Boden. „Hab ich dich aufgeweckt?", fragt er, während er die letzte Gewürzdose aufhebt. Ich schüttele mit dem Kopf und nehme mir ein Glas, welches ich mit Wasser fülle. Er setzt sich an den Küchentisch und schlägt die Zeitung auf. „Wieso ist das Regal runtergeflogen?", frage ich ihn und muss etwas schmunzeln. „Tja, gute Frage. Ich sitze hier, trinke seelenruhig meinen Kaffee und plötzlich knallt es. Da war wohl eine Schraube locker.", lacht er und schüttelt mit dem Kopf. Ich setze mich mit meinem Glas zu ihm und beobachte die Wassertropfen, die sich in meinem Glas bewegen. „Wie war deine Nacht?", fragt Phil, nachdem er seine Zeitung ablegt und erneut aus seiner Tasse schlürft. „Ganz okay.", seufze ich und ziehe meine Schultern in die Höhe. „Klingt ja nicht besonders gut.", stellt Phil fest und mustert mich besorgt. „Nee du. Sie war echt in Ordnung.", antworte ich auf seinen Blick, welcher dadurch jedoch nicht besser wurde.

Nach einer Stunde kommt Alex langsam die Treppe runter und läuft geradewegs auf die Kaffeemaschine zu. Er trägt seinen Schlafanzug, welcher aus einem weißen Shirt und einer schwarzen Jogginghose besteht, und wartet sehnsüchtig auf seinen Kaffee. „Noch einer mit einer bescheidenen Nacht.", lacht Phil und deutet auf Alex. Dieser dreht sich um und sagt: „Nee, sie war ganz gut." Phil fängt augenblicklich an zu lachen und sagt Alex, dass ich genau das selbe gesagt habe. Alex widmet sich wieder der Kaffeemaschine, die gerade seinen Kaffee fertig gebrüht hat und dann setzt er sich zu uns an den Tisch. „Papa schläft noch?", fragt Alex und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich hebe meine Schultern nach oben und sage: „scheint so."
„Ich möchte gleich einkaufen, da uns noch Salat für später fehlt. Willst du mit?", fragt Phil mich und ich nicke. Bisschen Abwechslung tut bestimmt gut. „Hast du Hunger?", fragt Alex. Augenblicklich schüttele ich mit dem Kopf und ernte zwei besorgte Blicke. Mir ist gerade einfach nicht nach essen zumute. „Du musst mehr essen.", stellt Alex fest und erhält ein bestätigendes Nicken von Phil. Weiter gehe ich da aber nicht drauf ein.
Nach einigen Minuten mache ich mich fertig und gehe mit Phil zu seinem Auto. Auf dem Weg zum Supermarkt frage ich ihn: „Phil?" Er sieht mich fragend an und dann spreche ich weiter: „Wer kommt später alles?" Es dauert einige Sekunden, doch dann zählt er die Namen auf: „Oli, Jacky, Stephan, Hannah und meine Freundin Paula." Ich sehe ihn mit strahlenden Augen an, woraufhin er verwirrt zu mir sieht. „Was denn?", fragt er, während er versucht auf den Verkehr zu achten und gleichzeitig mein Gesichtsausdruck zu deuten. „Paula und du? Seit wann das denn?", frage ich ihn glücklich. „Seit einigen Monaten.", antwortet er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Oh wie süß. Bald laufen kleine Phil's und Paula's durch die Gegend.", stelle ich euphorisch fest und muss ebenfalls lächeln. Er haut mir leicht auf meinen Oberschenkel und sagt: „Du bist verrückt, echt. So weit ist es noch nicht." Ohne ihm zu antworten fahren wir weiter. „Wieso wohnt sie denn nicht mit in der WG?", frage ich ihn, da es mich schon wundert. Sie sind seit ein paar Monaten zusammen, wohnen aber getrennt.  „Sie möchte bald zu uns ziehen aber das weiß bisher noch keiner, außer naja...du jetzt. Also pschhht.", antwortet er und hält seinen Finger vor den Mund. „Jaja.", antworte ich mit einem Lächeln um den Lippen.
Im Supermarkt holen wir die Zutaten für den Salat und fahren wieder nach Hause. Dort stellen wir fest, dass mein Vater auch endlich das Licht der Welt erblickt hat, denn er steht frisch angezogen mit Alex in der Küche und bereitet das Essen vor. Es ist schon erstaunlich viel fertig gewesen, dafür, dass wir nur knapp eine Stunde weg waren. Während Alex und Papa dann den Salat vorbereiten, helfe ich Phil beim vorbereiten, des Gartens.

Gegen Nachmittag treffen die Gäste ein und wir begeben uns in den Garten. Alle übergeben uns ihr Mitleid und versuchen uns, so gut es möglich ist, uns abzulenken. Oli steht am Grill und wendet das Fleisch. Ich sitze währenddessen gedankenverloren auf meinem Platz, zwischen Phil und Papa. Paula sitzt neben Phil und ich kann aus meinem Augenwinkel sehen, dass Phil seine Hand auf ihrem Oberschenkel hat. Es ist so schön zu sehen, dass die Menschen um mich herum noch glücklich sind. Nachdem die ersten Bratwürste und Steaks fertig waren, kommt Alex mit einem Teller mit Fleisch rum, sodass jeder sich was auftun kann. Bei mir bleibt er stehen und hält mir den Teller hin. Ich winke ab und sage, dass ich keinen Hunger habe. „Mhm okay.", antwortet Alex nur und läuft weiter. „Mira?", spricht Phil mich an. Ich drehe meinen Kopf zu ihm und sehe ihn fragend an. Paula schaut über Phil's Schulter ebenfalls zu mir und sieht mich ebenfalls fragend und besorgt an. „Kommst du mal?", sagt Phil und macht eine Handbewegung, dass ich ihn ins Haus folgen soll. Mein Vater ist in einer heissen Diskussion mit Oli verwickelt, wie man das Fleisch richtig würzt, wodurch die ganze Aufmerksamkeit auf den beiden liegt. Ich laufe Phil hinterher und bleibe in der Küche stehen. „Wieso isst du nichts?", fragt er und verschränkt die Arme. Ich schaue weg und hebe meine Schultern. „Mira.", sagt er, legt sein Kopf schief und nimmt mein Kinn in die Hand, sodass ich ihn in die Augen schaue. „Warum möchtest du nichts essen?", fragt er nochmal. „Es geht nicht.", schluchze ich und renne schnurstracks in mein Zimmer. Diese Fragerei ist mir zu nervig. Ich schmeiße mich in mein Bett und weine leise vor mich hin. Sobald ich essen sehe, wird mir übel. Die Sache mit meiner Mutter nimmt mich mehr mit, als ich dachte. Das mir sogar der Appetit wegbleibt hätte ich nicht gedacht. Ich zupfe mir mein Handy aus der Tasche und scrolle durch TikTok. Nach einigen Minuten erscheint ein Video, in dem ein Mädchen sich selbst verletzt hat und sagt, dass das gegen den inneren Schmerz hilft. Eigentlich möchte ich sowas nicht, doch momentan weiß ich einfach nicht wohin mit dem ganzen Schmerz.
⚠️TW:svv⚠️
Ich begebe mich ins Badezimmer und wühle in den Regalen nach einer Klinge. Diese finde ich auch relativ schnell und schließe die Tür ab. Dann setze ich mich auf den Badewannenrand und betrachte meinen Unterarm. Da es Sommer ist, ist es sehr warm draußen und ich habe heute nur ein Tshirt an. Das wird schwierig, das zu verdecken, doch ich muss einfach etwas anderes spüren, als den inneren Schmerz. Ich überlege noch einmal und setze dann an. Sofort läuft Blut über meinen Arm. Es tut schrecklich weh, doch ich setze noch zwei mal an, so dass am Ende drei blutende Striche meinen Arm zieren. Das Blut tupfe ich mit Toilettenpapier ab und verstecke die Klinge dann ordentlich. Danach sprinte ich in mein Zimmer und ziehe mir eine Strickjacke rüber. Gerade rechtzeitig, denn kurz danach klopft es an meiner Tür. „Herein.", antworte ich freundlich und setze mich auf mein Bett. Papa kam rein. „Hey, wieso bist du hier drin. Und wieso..." Er mustert mich von oben bis unten „wieso hast du eine Jacke an?"
Ich verknote meine Finger ineinander und sage, dass ich gleich wieder komme. Auf die Frage mit der Jacke antworte ich nicht. Er nickt und verlässt wieder mein Zimmer.
Dann mache ich ebenfalls meinen Weg nach unten und setze mich wieder zu den anderen an den Tisch. Die Blicke sind gewöhnungsbedürftig, jedoch kann ich ja jetzt schlecht ohne Jacke hier sitzen. Bei einem Haus voller Ärzte und Sanitäter wäre das wohl kontraproduktiv.

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Man liest sich im nächsten Teil :)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt