Paulas verborgene Vergangenheit

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Noch während dem Essen sprinte ich ins Badezimmer und stecke mir zwei Finger in den Hals. Diese Stimmen im Kopf treiben mich dazu, alles rauszulassen. Nachdem endlich alles raus ist, spüle ich und lehne mich an die wand, neben der Toilette. Mein Blick schweift durch das Badezimmer und bleibt erschrocken an der Tür stehen, die ich vergessen habe zuzuschließen. Phil und Paula sehen mich erschrocken und besorgt an. Richtige scheisse. Jetzt haben sie gesehen, wie ich die paar Nudeln ausgekotzt habe. „M-Mira?", stottert Phil und kommt langsam auf mich zu. Ich merke die Tränen, die sich langsam über mein Gesicht verteilen. „H-hast du gerade...", beginnt er seinen Satz, fährt sich durch die Haare und schaut dann wieder zu mir. „Du hast nicht gerade zwei Finger in deinen Hals gesteckt oder?", fragt er erschrocken. Ohne auf eine Antwort zu warten, streicht er sich übers Gesicht und nimmt mich dann hoch. Ich weine sein ganzes Shirt nass, doch es scheint ihn nicht zu stören. Ich werde auf die Liege im Arztzimmer gelegt und starre nun an die Decke. Paula setzt sich auf den Schreibtisch und fixiert einen Punkt auf dem Boden. „E-es t-tut mir leid.", schluchze ich unter Tränen. Phil kommt mit einem Hocker angerollt und hält meine Hand. „Du bist ganz schön blass. Darf ich dir eine Infusion legen, damit du wieder Flüssigkeit zu dir nimmst?", fragt er, jedoch immer noch unter Schock. Ich nicke und krempel, zu meinem Pech, meinen linken Ärmel hoch. Den Verband von gestern habe ich vor dem duschen gelöst, weshalb man jetzt auf veraltete Wunden schaut. Immer noch hört man den ein oder anderen Schluchzer von mir. Paula sitzt immer noch verzweifelt auf dem Tisch und würdigt mir keinen Blick. „P-Paula?", frage ich sie schüchtern. So kenne ich sie gar nicht. Sie blickt vorsichtig auf. „Kannst du bitte herkommen?", bitte ich sie und halte eine Hand zu ihr. Sie kommt her und setzt sich dann zu mir auf die liege, nimmt meine Hand, bleibt aber weiterhin stumm. Alleine ihre Hand zu spüren, lässt mein Schluchzen verschwinden. „Das pikst einmal kurz.", warnt Phil mich vor und führt dann die Nadel ein. Dann setze ich mich langsam auf und lass mich, mit dem Rücken, an der Wand hinter mir fallen. Paula starrt die ganze Zeit auf unsere Hände, während Phil den Müll wegwirft. Dann kommt er wieder angerollt und legt seine Hände auf meine Oberschenkel. „Machst du das öfters?", fragt er, was ich sofort mit einem Kopfschütteln beantworte. Er nimmt die Pupillenleuchte in die Hand und bedeutet mir, meinen Mund zu öffnen. „Sieht alles in Ordnung aus.", nuschelt er. Nach einer Weile des Schweigens ergreife ich das Wort. „Es kommt nicht mehr vor. Versprochen." Phil sieht zu mir auf, bleibt aber still. „Ihr seid sauer.", stelle ich traurig fest und mache Anstalten, das Pflaster von der Infusion abzureißen. „Das lässt du schön dran.", sagt Phil sofort, als er dies bemerkt und nimmt mein Handgelenk in seine Hand. „Wir sind nicht sauer-nur erschrocken.", sagt Phil und widmet seine Aufmerksamkeit wieder seinen Händen. „Ach ja? Und wieso ist Paula dann so still?", frage ich etwas gereizt. „Wieso sagt Paula nichts?", frage ich nochmal. „Paula, warum sagst du nichts?", frage ich ein drittes Mal, in einem Ton, der ziemlich unangebracht ist. Paula verschwindet kurzerhand aus dem Zimmer. Ich sehe Phil an, der sich über den Bart streicht. „Scheisse, jetzt hab ich sie vergraulet.", stelle ich fest und trete wütend gegen Phil's Hocker, von dem er sich eben erhoben hat. Dieser rollt nun weg und knallt gegen den Schreibtisch. „Nein hast du nicht.", sagt er und setzt sich neben mich. „Und wieso sagt sie dann nichts und haut ab?", frage ich schuldbewusst. „Mira...", beginnt Phil. Ich hebe meine Augenbrauen und warte auf das, was kommt. „Paula hatte früher eine Essstörung. Sie hat sich auch immer übergeben und kaum gegessen. Das gerade von dir zu sehen hat sie und mich ziemlich schockiert. Sie hat dich echt ins Herz geschlossen und auch gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Das eben zu sehen, hat sie nur an sich selbst erinnert. Das hatte absolut nichts mit dir zutun. Das war eine harte Zeit ihres Lebens, die man eben nicht vergisst. Und wie gesagt, zu sehen, dass du es auch machst, hat sie einfach zu sehr an sich selbst erinnert.", erklärt er mir. Mir fällt die Kinnlade runter. Paula hatte eine Essstörung? Und ich habe sie jetzt wieder daran erinnert. Mist, jetzt bekomme ich Schuldgefühle. Phil bemerkt das und sagt: „Hey, das ist nicht deine Schuld. Am besten redest du später mal mit ihr, ALLEINE und erklärst, wie es dir geht." Ich verknote meine Finger hektisch ineinander und zappele auf der liege herum. „Aber, was ist, wenn ich es dadurch schlimmer mache?", frage ich mit zittriger Stimme. „Machst du nicht. Vertrau mir okay. Geh später mal zu ihr.", antwortet er und streichelt mir über den Rücken. Phil bringt mich dann in mein Zimmer und geht dann wieder. „Phil?", frage ich, als er schon die Türklinke in der Hand hat. Er dreht sich um und sieht fragend zu mir. „Können wir kurz reden?", frage ich ihn. Er nickt, lässt sich auf meinem Bett nieder und nimmt meine Hand, da er merkt, dass ich schon wieder den Tränen nah bin. „Was ist los?", fragt er und nimmt mich in den Arm. „Ich kann einfach nicht essen. Wegen Mama und wegen der Schule." „Wegen der Schule?", fragt er verwirrt. Ich nicke und erkläre ihm, was heute passiert ist. „Du bist nicht zu fett okay. Deine Figur ist perfekt und ich möchte nicht, dass du dir etwas anderes einreden lässt. Denk an meine guten Worte und ignoriere die schlechten. Und wegen deiner Mutter, ich kann es verstehen, dass du deswegen kein Appetit hast aber denkst du, deine Mutter hätte gewollt, dass du wegen ihr so leidest und nichts isst?", redet er beruhigend auf mich ein. „Du hast ja recht, es tut mir so leid.", sage ich und werde in eine erneute Umarmung gezogen.

Gegen späten Nachmittag wurde meine Infusion entfernt und die anderen kamen nach Hause. Mit Paula habe ich noch nicht geredet, da ich die ganze Zeit in meinem Zimmer war.
Um 18:00 Uhr ruft Phil mich runter, da es Abendessen gibt. Alle sitzen schon am Tisch, einschließlich Paula. Sie sieht kurz zu mir und ich kann sehen, dass sie den Tränen nah ist. Ich setze mich, wie üblich zwischen Alex und Papa. Paula sitzt gegenüber von mir, neben Phil. Ich nehme mir sofort zwei Scheiben Brot und beschmiere sie mit Butter und lege Käse rauf. Paula mustert mich und wirkt erleichtert, als ich reinbeisse und es runterschlucke. Papa und Alex wissen von dem ganzen noch nichts und so wie sie aussehen, hat Phil auch nichts gesagt. Papa diskutiert wieder heiß über die Arbeit und beschwert sich über einige Patienten.

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Irgendwie traurig, dieses Kapitel:(

Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt