Die Kämpferin

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Wir sitzen jetzt schon seit ein paar Minuten schweigend gegenüber. Ab und zu zieht Paula die Nase hoch, was ein lautes Geräusch erzeugt, doch mehr hört man nicht. Deshalb beschließe ich, die Stille zu unterbrechen. „Hör zu Paula. Ich weiß, dass das ziemlich traumatisierend gewesen sein muss. Deswegen will ich, das du weißt, dass ich immer zuhöre, wenn du reden willst.", sage ich ruhig. Sie hebt ihren Blick, sodass ich in ihre rot unterlaufenden Augen blicken kann. „Danke Mira. Vielen Dank.", seufzt sie und holt dann einmal tief Luft. „Ich möchte es auch auf gar keinen Fall verdrängen. Ich möchte es schnell verarbeiten.", sagt sie nun mit kräftiger Stimme. „Das sollst du auch. Wir helfen dir dabei.", antworte ich und lege meine Hand auf ihre. Sie nickt und atmet erneut tief ein. „Ich...es war so schlimm. Da war dieses kleine Mädchen, was wir von einem Unfall in die Klinik bringen wollten. Und dann...dann war da dieser Mann.", beginnt Paula und bricht erneut in Tränen aus. „Schon gut.", sage ich und nehme sie kräftig in den Arm.
Nach einigen Schluchzern und tiefen Atemzügen beruhigt sie sich wieder und fährt fort. „Als Yannik sich vor dem Mädchen gestellt hat, hat der Mann auf ihn geschossen. Es waren drei Schüsse. Zwei durch die Schulter und einen in den Arm. Er ist sofort zusammengebrochen. Dann ist der Mann auf das Mädchen zugeraunt. Ich wollte verhindern, dass er ihr was antut und habe mich dazwischen gestellt. Dann hat er mich gepackt und die Waffe auf mich gerichtet. Ich hatte so Angst Mira. Ich spüre die Kälte der Waffe immer noch an meiner Schläfe.", sagt sie und fasst sich dahin. Ich lege meine Hand sofort über ihre, damit sie weiß, dass sie das nicht alleine durchstehen muss. „Paula.", seufze ich. „Das was du durchstehen musstest ist sehr schlimm. Es ist brutal. Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, was in dir vor geht und was du in diesem Augenblick fühlen musstest. Ich weiß nur, dass du eine Kämpferin bist und es schaffen wirst, damit klarzukommen. Wir alle unterstützen dich, wo wir nur können.", sage ich beruhigend. Sie nickt und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. „Du hast recht. Ich schaffe das.", antwortet sie, zieht noch einmal den Rotz hoch und steht auf. „Was hast du vor?", frage ich verwirrt. „Na was wohl? Ich muss weitermachen.", antwortet sie und geht aus der Tür. Wow, ich wusste zwar, dass Paula eine starke Frau ist aber so stark? Wäre mir das passiert, würde ich mich wahrscheinlich wochenlang in meinem Zimmer einsperren und jeglichen Kontakt zu anderen Menschen meiden.
Schnell stehe ich auf und laufe ihr hinterher. Die drei Jungs sehen uns verwirrt an, als sie Paula und mich sehen. „Schatz, was machst du denn hier? Du wolltest doch schlafen?", fragt Phil und steht augenblicklich aus dem Sessel auf. Sie geht zu ihm und fällt ihn wortlos um den Hals. Während sie sich umarmen sieht Phil mich an und formt ein „was ist passiert?" mit seinem Mund. Ich hebe nur die Schultern und setze mich zwischen Papa und Alex. „Wolltest du nicht duschen?", fragt Alex verwirrt. „Wollte ich.", sage ich und beobachte Paula. Sie geht mit Phil in die Küche und redet mit ihm. „Du wolltest? Und was hat dich abgehalten?", mischt sich Alex wieder ein. Ich nicke in Richtung Paula. „Paula?", fragt Papa verwirrt. „Ja. Im Flur sind wir uns begegnet und da hat sie geweint und war total aufgelöst. Wir sind dann in ihr Zimmer gegangen und haben geredet. Sie möchte das so schnell es geht verarbeiten.", erkläre ich Papa und Alex, was wir geredet haben. „Wow, sie ist echt stark.", bemerkt Alex neben mir. „Allerdings.", nuschle ich und wende meinen Blick von ihr ab.

„Mira. Maus Aufstehen.", ertönt eine nervtötende Stimme in meinem Kopf. Ich drehe meinen Körper auf den Rücken und sehe Alex, der an meinem Bett steht und mich eindringlich beobachtet. Wohlgemerkt schon komplett fertig gemacht. Woher nimmt er diese Motivation? „Noch nicht. Ich bin noch so müde.", brumme ich und drehe mich wieder auf den Bauch. „Also wie immer.", antwortet er und hebt mich aus dem Bett. Ich reagiere darauf nicht und genieße die letzten Sekunden Entspannung. „So, du weißt wie's geht. In spätestens 30 Minuten bist du unten.", sagt er und verlässt das Bad. Dann beginne ich mich für den heutigen Tag fertig zu machen. Gestern Abend haben wir alle noch auf der Couch gekuschelt, selbst Paula lag bei uns. Auch wenn sie nicht wirklich geredet hat, war es schön sie bei uns zu haben. Papa und Phil haben mir auch noch ordentlich Glück für die Magenspiegelung gewünscht, bis ich dann gestern um kurz nach Mitternacht schlafen gegangen bin.
Als ich mir gerade den Schlafpulli ausziehe, fällt der Blick auf die Narben. Noch immer spüre ich das Verlangen, mir wieder weh zutun. Ich wollte diesen Drang verdrängen, doch es klappt leider nicht. Ich bin am überlegen, nach der Magenspiegelung in Ruhe mit einen von den anderen zu sprechen, jedoch möchte ich nicht, dass sie denken, dass Paulas Wohlbefinden zweitrangig ist und ich die Aufmerksamkeit suche. Also heißt es alleine damit klarkommen.
Schnell schüttle ich meinen Kopf, um wieder klare Gedanken zu finden und ziehe mich zu Ende um. Dann noch Zähne putzen, meine braune Löwenmähne zähmen und auf die Toilette gehen. „Mira, dalli jetzt!", brüllt Alex von unten. „Ja ha!", schreie ich zurück und ziehe die Hose hoch. „Ich komme ja schon.", seufze ich und gehe Richtung Küchentisch. Paula ist wahrscheinlich noch im Bett, denn hier unten sitzt sie nirgendwo.

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Heute leider ein kurzes Kapitel. Habe mich beim Training verletzt und kann mich deswegen nicht wirklich aufs Schreiben konzentrieren. Ich hoffe, morgen ist es besser.

Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt