Magenspiegelung

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Lustlos schaue ich auf mein Handy und scrolle die Chats mit mir und Jonas und Lina durch. In letzter Zeit herrscht sehr krasse Funkstille zwischen uns. Klar, Jonas ist immer noch sauer und solange wir nicht miteinander geredet haben, wird sich daran auch nichts ändern. Gott sei dank haben wir uns für morgen Nachmittag verabredet. Lina schreibt mir im Moment nicht, da sie mit Tim und seinen Eltern im Urlaub ist.
Dann lege ich mein Handy auf den Tisch und stütze meinen Kopf auf meiner Hand ab. „Du sag mal ist alles gut bei dir? Du kommst mir die letzten Tage etwas nachdenklich vor.", seufzt Alex und rührt in seinem Müsli rum. Soll ich es ihm sagen? Wie wird er reagieren, wenn ich ihm sage, dass ich den drang habe, mir wehzutun. „Mira, du kannst mir alles sagen.", antwortet er, als wenn er Gedanken lesen kann. „Es ist nur so, dass ich in letzter Zeit...", beginne ich, doch werde von Paula unterbrochen, die neben mir vorbeiläuft und an dem Tisch hängenbleibt. „Autsch.", knurrt sie und hält sich die Hüfte. „Paula, ist alles gut?", fragt Alex und springt auf. Ich tue es ihm gleich und stehe neben den beiden. Sie nickt und schiebt ihre Jogginghose etwas runter, wo man einen roten Fleck sieht. „Das wird wohl ein blauer Fleck. Kannst du dich normal bewegen?", fragt Alex besorgt. Sie nickt, zieht sich die Hose wieder hoch und läuft weiter zum Kühlschrank, wo sie sich eine Wasserflasche rausholt. „Ich bringe Mira gleich eben in die Klinik. Willst du mit?", fragt Alex Paula, die wortlos an ihn vorbei geht und sich auf die Couch legt. Wir beide gehen zu ihr ins Wohnzimmer, wo sie uns fragend anschaut. „Hm? War was?", fragt sie verwirrt. „Ich habe gefragt, ob du mit in die Klinik willst?", wiederholt Alex sich. Sie überlegt kurz und nickt dann. „Ich mache mich eben schnell fertig.", antwortet sie und läuft nach oben.

Keine 30 Minuten später sitzen wir im Auto. Ich finde es echt bewundernswert, dass Paula ausgerechnet an den Ort mitkommt, wo man sie mit einer Waffe bedroht hat. Wahrscheinlich will sie einfach nicht alleine bleiben. „So Mira. Du wolltest mir eben sagen, was mit dir ist. Red weiter.", sagt Alex plötzlich von vorne. Ich erstarre und schüttle innerlich den Kopf. „Was ist denn mit ihr?", fragt Paula verwirrt neben ihm und dreht sich zu mir um. Sie ist schon deutlich wacher und nimmt die Umgebung wieder war. „Äh nichts?", sage ich, obwohl sich das eher nach einer Frage anhört. Dann wirft Paula Alex einen verwirrten Blick zu. „Mira, ich habe dich eben zuhause gefragt, was momentan mit dir los ist. Du wolltest es mir sagen, doch dann kam Paula dazwischen. Jetzt höre ich dir voll zu.", sagt Alex und dreht sich bei der nächsten Ampel zu mir um. „Komm schon. Was ist los?", fragt er und legt seine Hand auf mein Knie. „Ich...es ist nur so, dass...", beginne ich und erneut werde ich unterbrochen, denn die Ampel ist grün und Alex dreht sich wieder nach vorne. „Ja?", sagt Alex, als ich wieder verstumme. „Ach nichts, wann sind wir da?", wechsle ich schnell das Thema. Er wirft ein Blick auf die Uhr. „Drei Minuten."
Irgendwie soll es nicht sein, dass ich davon erzähle, denn jedes Mal werde ich unterbrochen. Vielleicht versuche ich es nachher nochmal.

Genaue drei Minuten stehen wir vor dem Eingang der Klinik. Paula geht es soweit gut und begleitet uns mit in die Klinik. Während die beiden Ärzte mutig vor mir laufen, verkrieche ich mich ängstlich hinter ihnen. Das scheint Alex zu bemerken, denn er bleibt stehen und nimmt meine Hand, sodass ich nun zwischen den beiden laufe. „Das wird schon. Keine Panik.", sagt er beruhigend. Dann stehen wir schon im Wartezimmer für die OP-Einleitung. Oh Mist, gleich geht's los.
„Mira Fabiano?", ertönt plötzlich eine Stimme und ich sehe eine Schwester bei uns stehen. „Hier.", melde ich mich schüchtern. Sie lächelt und kommt auf uns zu. „Du hast heute deine Magenspiegelung? Dann komm mal mit. Deine Angehörigen können so lange hier warten.", sagt sie. Ich schaue besorgt zu Alex und Paula, die beide nicken. Ich atme einmal tief durch und gehe dann mit der Schwester mit.

Ich weiß nicht, wann das passiert ist, aber ich liege nun im Kittel und mit einer Haube auf einer Trage. Um mich herum stehen ein paar Menschen in OP-Kleidung. Plötzlich geht die Tür auf und Miriam, sowie Charlotte treten ein. „Na, alles gut?", fragt Miriam mich. Schüchtern nicke ich. „Hey, das wird schon. Du kannst dir jetzt einen schönen Traum ausdenken und in ein paar Minuten liegst du schon im Aufwachraum.", sagt Charlotte, die an meinem Kopf steht und eine Maske in ihrer Hand hält. Miriam geht inzwischen zu meiner Hand, an der ein Zugang hängt, was auch eine Überwindung gekostet hat, da der Zugang von jemand fremden gelegt wurde.. „Bereit?", fragt Charlotte. Ich starre einige Sekunden an die Decke und nicke dann. Dann wird alles langsam verschwommen und dann schwarz.

„Hey Mäuschen. Aufstehen.", höre ich eine Stimme in meinem Kopf summen. Müde öffne ich meine Augen und sehe Paula und Alex. „Hab ich's geschafft?", frage ich mit kratziger Stimme und halte mir sofort meinen Hals. „Ja, hast du Halsschmerzen?", fragt Alex, woraufhin ich nicke. Er nimmt dann eine Wasserflasche und einen Becher und füllt diesen. Danach gibt er mir den, woraus ich gierig einige Schlücke trinke. „Danke.", sage ich mit besserer Stimme. „Wie lange war ich weg?", frage ich und stelle den Becher wieder ab. „Der Eingriff dauerte etwa 10 Minuten und danach hast du noch 15 Minuten geschlafen. Also fast eine halbe Stunde.", erklärt Alex. Ich nicke und setze mich auf. Dann kommt auch schon Miriam rein. „Na, wie geht's dir?", fragt sie und kommt zu mir ans Bett. „Ganz gut. Mein Hals ist etwas trocken aber sonst gut.", antworte ich ehrlich. Sie blättert in ihren Unterlagen rum und nickt dabei einige Male. „Das ist normal. Du musst heute viel trinken, damit sich das regeneriert. Das kommt von der Sonde, die wir in deinen Hals eingeführt haben. Übrigens haben wir die Ergebnisse.", erklärt sie. Alex und Paula sehen gespannt zu ihr. „Und?", fragt Alex dann aufgeregt. „Es ist tatsächlich eine Magenschleimhautentzündung. Du bekommst Antibiotika von uns und musst die nächsten Tage Schonkost zu dir nehmen. Du darfst aber nach Hause.", sagt sie lächelnd und übergibt uns das Medikament. „Dankeschön."

Wir stehen gerade am Auto, da kommt Tabea zu uns. „Hey zusammen.", begrüßt sie uns und gibt Alex einen Kuss. „Hey?", antworte ich fragend und auch Paula sieht etwas verwirrt aus. „Achso habe ich total vergessen zu sagen. Tabea schläft einige Tage bei uns.", erklärt uns Alex, als er unsere Blicke bemerkt. Paula und ich nicken verständlich und setzen uns dann nach hinten. „Und Mira, wie war die Magenspiegelung?", fragt Tabea freundlich, ehe sie sich neben Alex niederlässt und sich anschnallt. Sie ist immer so freundlich und gut gelaunt. Muss wohl daran liegen, dass sie Kinderärztin ist. „Äh ja gut. Hab's nicht gemerkt.", antworte ich und widme meine Aufmerksamkeit wieder den vorbeiziehenden Vögeln am Himmel. Immer wieder kommt mir der Gedanke, mit jemanden über meine Gedanken zu reden. Wer wäre denn der beste Ansprechpartner? Alex vielleicht? Natürlich ist er nett und vertrauenswürdig aber er ist gerade zu sehr mit Tabea beschäftigt und ich denke mal, dass das die nächsten Tage immer noch so sein wird. Dann gäbe es noch Papa aber da liegt die Antwort ja schon auf den Händen. Wie dumm wäre ich, wenn ich Papa von meinen Gedanken erzählen würde. Er hat dieses italienische Temperament, welches nicht zu unterschätzen ist. Ich würde wahrscheinlich wochenlang mit Schuldgefühlen rumrennen. Dann bleiben noch Paula und Phil und eventuell Tabea. Jedoch bin ich mir bei Tabea unsicher, da ich sie noch nicht so lange kenne und ihr sowas eher nicht anvertrauen würde. Bei Paula ist die Antwort genauso klar, wie bei Papa. Sie hat momentan definitiv andere Dinge, um die sie sich kümmern muss. Und Phil? Ja Phil ist mit Paulas Wohlbefinden schon genug beschäftigt. Bei meinen Freunden, also Lina und Jonas brauche ich gar nicht anfangen. Lina ist im Urlaub und nicht erreichbar und Jonas ist sauer. Gut, ich würde sagen, ich habe niemanden. Sehr schön. Das heißt ich muss damit alleine klarkommen, auch wenn ich das dieses Mal nicht vorhatte, da das eh nicht gut endet.
„Hallo, Erde an Mira.", holt Alex mich wieder in die Realität. „Hä, war was?", frage ich verwirrt und schüttle mich einmal. Sofort lachen alle, sogar Paula. Dann sehe ich erst, dass wir zuhause sind. Verständnisvoll nicke ich und steige aus. „Gut, du nimmst erstmal die Tablette und dann isst du nachher zu Mittag was schonendes. Haferschleim ist da immer ganz gut.", sagt er und schließt die Tür auf. „Super.", antworte ich betrübt, woraufhin er in seiner Bewegung stoppt und sich zu mir umdreht. Er zieht eine Augenbraue hoch und mustert mich verwundert. Auch Paula und Tabea scheinen diese Reaktion nicht zu verstehen. „Alles okay bei dir?", fragt er besorgt. „Nein Alex mir geht es überhaupt nicht gut. Seit einigen Tagen renne ich mit dem starken Drang rum, mich selbst zu verletzen aber kann es niemanden sagen.", das ist das, was ich gerne sagen würde, doch ich bekomme nur ein Nicken hin. Er mustert mich noch einmal und öffnet dann die Tür. Ich stürme als erste rein, ziehe meine Sachen aus, nehme die Tablette und stürme ins Badezimmer. Ich halte diesen Druck nicht mehr aus.

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Ja, ich melde mich hier auch mal wieder;)
Sorry, für das inaktive, es ist nur echt anstrengend mit meiner Verletzung durch den Tag zu kommen und abends bin ich meistens so kaputt, um noch an der Geschichte zu schreiben. Ich werde es aber trotzdem für euch versuchen:)

Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt