Phil und Alex, die Versuchskaninchen

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Während Paula und ich das Essen fertig machen, habe ich Phil dazu verdonnert auf der Couch zu bleiben. „Mira, ich hab trotzdem noch gesunde Füße.", schreit er durchs Haus. „Du bleibst schön sitzen.", Befehle ich und schneide weiter die Zwiebel klein. „Sag mal, was ist eigentlich mit deinem Papa? Wieso kommt der nicht runter?", fragt Alex, der gerade Teller aus dem Schrank holt. „Hatten heute morgen im Krankenhaus eine kleine Auseinandersetzung und jetzt braucht er wahrscheinlich Ruhe.", antworte ich und bekomme die Tränen. „Oh nein kleine, nicht weinen.", sagt er und nimmt mich in den Arm. „Wer weint?", fragt Paula und sieht mich an. „Hey Mira, was ist los?", fragt sie mich sanft. „Leute das kommt von der Zwiebel.", sage ich und lache los. „Sicher?", fragt Alex nun besorgt. Ich nicke und schneide weiter. „Leute, wenn irgendwas ist, seit ihr die ersten, die es erfahren.", antworte ich.
Kurz bevor das Mittagessen beginnt, hole ich Phil an den Tisch. Paula steht noch in der Küche und Alex sitzt schon am Tisch. „Darf ich eigentlich mal Zugänge legen üben?", frage ich an Phil gewandt. Sofort sehen mich alle drei entgeistert an. „Was? Warum?", fragt Phil schockiert. „Okay also nach meinem Abitur möchte ich im medizinischen Bereich anfangen.", erkläre ich nun mein Vorhaben. „Wie cool ist das denn? Wieso hast du nie was gesagt?", fragt Alex glücklich. „Ich war mir erst nicht sicher aber mittlerweile bin ich es.", sage ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
„Ich hole mal Franco.", sagt Alex und steht auf. „Darf ich nun?", frage ich aufgeregt an Phil gewandt. Er hebt fragend eine Augenbraue. „Na Zugang legen?", helfe ich ihm auf die Sprünge. Paula, die mittlerweile auch bei uns sitzt, sieht Phil genauso fragend an, wie ich. „Meinetwegen.", antwortet er, woraufhin ich aufspringe und ihm um den Hals falle. „Wow, so besonders ist das nun auch nicht.", sagt er und lacht. „Was ist nicht besonders?", fragt Alex, der gefolgt von Papa, die Treppe runter kommt. „Mira legt Phil gleich einen Zugang.", erklärt Paula. Alex und Papa sehen beide total schockiert aus. „Nein, das macht Mira nicht.", mischt Papa sich ein und setzt sich genervt an den Tisch. „Man, was ist nur los mit dir?", frage ich ebenfalls genervt. „Was los ist? Irgendjemand hat dir K.O. Tropfen gegeben und du willst da nichts gegen machen und lebst so, als wäre das nie passiert.", antwortet er wütend. Sofort sehen Alex und Paula mich verwirrt und besorgt an. Verständlich, denn ich habe ihnen nur gesagt das Papa etwas sauer ist aber nicht den genauen Grund. „K.O. Tropfen?", fragt Paula besorgt, woraufhin Papa nickt. Sofort ist die ganze Stimmung am Tisch betrübt. „Ich habe keinen Hunger mehr.", sage ich, obwohl ich nicht mal etwas angerührt habe, und gehe nach oben.
„Darf ich reinkommen?", fragt eine Stimme außerhalb meines Zimmers, die sich als Papa rausstellt. Ich antworte aber nicht und lege mich in mein Bett, mit dem Rücken zur Tür. „Hey, ich wollte echt nicht so wütend sein.", sagt er, kommt ins Zimmer und setzt sich zu mir aufs Bett. Er legt seine Hand auf meinen Oberarm und streicht darüber. „Echt Mira. Ich mache mir doch nur Sorgen. Das würde jeder Vater tun.", erklärt er mir sanft. „Okay.", antworte ich knapp. „Komm doch wieder mit runter. Es tut mir wirklich leid.", fleht er mich nun an. Ich setze mich auf und sehe ihn an. Ohne zu fragen nimmt er mich in den Arm, was ich auch ohne zu zögern erwidere. „Okay, ich verzeihe dir.", nuschle ich ihn an die Schulter. Er lächelt und nimmt mich wieder mit runter. Zusammen essen wir dann Mittag und besprechen, wann wir los wollen. Da heute Sonntag ist, kann man nicht viel machen aber es soll heute nochmal richtig warm werden, bevor es mit der Kälte des Winters losgeht. Wir entscheiden uns dazu, ein Picknick am Rhein zu machen.
Nach dem Essen räumen wir alles weg und setzen uns auf die Couch, da sie nun sehen wollen, wie ich einen Zugang lege. Papa ist damit inzwischen auch einverstanden und hat schon alles zusammengesucht. Nervös parke ich Phil auf den Sessel und setze mich davor. Die anderen stehen entweder neben mir oder hinter Phil. „Okay, soll ich es dir einmal vormachen?", fragt Paula, als sie meine Anspannung bemerkt. Ich nickte, woraufhin sie zu Alex geht, der sie schon kopfschüttelnd betrachtet. „Komm, zieh den Ärmel hoch.", sagt sie, was er nur zögernd macht. „Okay, zuerst legst du das Stauband an, dann suchst du die Vene. Phil hat gute Venen, das kann ich dir schonmal verraten. Wenn du sie hast, sprühst du Desinfektionsmittel auf die Stelle und packst den Zugang aus. Du musst unbedingt drauf achten, dass er steril bleibt, deswegen musst du von Anfang an auch Handschuhe tragen. Okay und dann machst du das genauso.", erklärt sie, während sie Alex einen Zugang legt und zeigt danach noch das entfernen. Ich bin etwas nervös aber ich wollte das schon immer mal probieren. Also drehe ich mich wieder zurück zu Phil und sehe ihn ängstlich an. „Keine Panik, die Auszubildenden früher haben auch an mir geübt.", erklär er, als er meine Anspannung sieht. Paula sitzt die ganze Zeit neben mir und unterstützt mich, indem sie ihre Hände auf meine legt und zeigt, wie alles geht. Als ich die Nadel schließlich drin habe und Phil lächelt, weiß ich, dass ich es geschafft habe. „Wow, ein perfekt gelegter Zugang. Und das beim ersten Versuch, Respekt. Franco du hast eine Wunder Tochter.", sagt Paula. Alle vier lächeln mich stolz an, was mich sehr glücklich macht. Zusammen mit Paulas Hilfe entferne ich den Zugang wieder und Klebe ein Pflaster auf die Stelle. „Dankeschön Frau Doktor.", sagt Phil lächelnd. Ich lächle ihn ebenfalls an und bedanke mich bei ihm und Alex, dass sie als Versuchskaninchen gedient haben. „Immer wieder gerne.", antwortet Phil, was Alex mit einem Kopfschütteln abtut. „Ach Alex. So schlimm war ich doch gar nicht.", sagt Paula, woraufhin wir alle lachen.

Es ist so schön warm draußen, zwar nicht so wie im Sommer, dafür aber so, dass man nur mit einer dünnen Jacke raus kann. Zusammen sitzen wir auf einer Decke am Rhein und genießen den Moment. Ich bin so dankbar, mit solchen Menschen zusammen leben zu dürfen. Sie sind echt die besten Menschen, die man um sich haben kann. Dank ihnen habe ich es geschafft über den Tod meiner Mutter wegzukommen, sie haben mir durch ein gestörtes Essverhalten und mobbing geholfen. Und heute durfte ich sogar Phil als Nadelkissen benutzen. Was kann es besseres geben?
Morgen ist wieder Montag, also ist auch der Erste-Hilfe Kurs mit Papa, Phil, Paula und Jacky. Na super...so sehr ich die auch mag aber in der Schule muss das echt nicht sein.

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt