Der Schokokuchen

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Ich helfe Phil und Paula beim decken des Tisches und setze mich dann dran. Auch die beiden setzen sich hin und mustern mich. Ich nehme die Müslipackung und kippe das Müsli in eine Schüssel. Dann noch Milch und schon geht's ans Essen. Jeder Löffel, den ich nehme, wird ordentlich analysiert, jedoch macht es mir nichts aus. Ich habe versprochen aufzuhören und das werde ich auch.
Nachdem alle fertig sind, machen wir uns auf in die Klinik. Die Fahrt verläuft still, jedoch kann ich die ganze Zeit Phil's Blick im Rückspiegel sehen. Er macht eine Geste zu Paula, die neben ihm sitzt. Ich räuspere mich und beginne dann zu reden: „Paula?" Sie zuckt und brummt ein „Mh?" „Können wir nachher reden?", endlich habe ich diesen Satz ausgesprochen. Jetzt muss ich nur noch auf eine gute Antwort hoffen. Phil sieht zu Paula und wartet ebenfalls auf eine Antwort. „Hmm, wenn du das möchtest, können wir gerne reden.", gibt sie kurz und kalt wieder. Trotz ihrem kühlen Ton bin ich froh, dass sie es möchte. In der Klinik wurde geröntgt und festgestellt, dass mein Handgelenk nur verstaucht ist. Ich habe eine kühlende Salbe und einen Verband bekommen und darf wieder nach Hause. Super, jetzt wartet das Gespräch auf mich.
Am Küchentisch sitzt Alex, der genüsslich an einem Brötchen kaut. Ich hebe meine verbundene Hand und schaue ihn finster an. „Guck, was du angerichtet hast.", sage ich, doch erhalte nur ein Lächeln seinerseits. Ich laufe die Treppen nach oben und höre ein räuspern hinter mir. Phil steht hinter mir. „Rede mit ihr.", flüstert er und zeigt mit dem Daumen über seine Schulter auf Paula, die gerade bei Alex sitzt und im Handy scrollt. Ich nicke und gehe zu ihr. „Paula?", frage ich schüchtern. Sie zieht eine Augenbraue hoch, hält ihren Blick aber auf ihrem Handy. „Hast du kurz Zeit?" Phil legt eine Hand auf ihre Schulter, woraufhin sie hochschaut. „Jap.", sagt sie und steht auf. „Wohin sollen wir?", fragt sie und ich deute auf die Treppe. „In mein Zimmer?", frage ich und erhalte ein Nicken. Der Weg, bis in mein Zimmer kommt mir unendlich lang vor. In meinem Kopf sortiere ich die Wörter, die ich sagen will aber es möchte sich, beim besten Wille, kein normaler Satz bilden. In meinem Zimmer setze ich mich auf mein Bett und rechne damit, dass sie sich zu mir setzt, doch falsch gedacht. Sie schließt die Tür und setzt sich auf den Stuhl an meinem Schreibtisch. Nervös verknote ich meine Finger und bringe keinen Ton aus mir. „Du wolltest reden?", fragt sie und hebt die Augenbrauen. Ich nicke und beginne zu reden. „Bist du sauer?", frage ich schüchtern und sehe ihr fest in die Augen, obwohl sie nur ein Schleier ist, wegen meinen Tränen. Sie hebt die Schultern. „Ich bin nicht sauer, obwohl doch. Du hättest mit uns reden können, anstatt diesen Weg einzuschlagen.", gibt sie knapp wieder. Nun laufen die ersten Tränen über meine Wangen und ich beginne zu schluchzen. „E-es tut mir doch leid.", sage ich und beginne nun stark zu weinen. Am liebsten wäre ich jetzt in ihren Armen, doch sie macht keine Anstalten, sich zu bewegen. „Möchtest du noch was sagen?", fragt sie nach einigen Minuten stille. Ich hebe die Schultern und senke meinen Blick. „Wozu denn? Dich interessiert es doch eh nicht.", stelle ich traurig fest. „Wenn du meinst.", antwortet sie und läuft zur Tür. Ich kann das nicht mehr. Ich möchte die alte Paula wieder, die mir Wärme gibt und ich mich geborgen fühle, weshalb ich kurzerhand aufstehe und zu ihr renne. Ich umschlinge meine Arme um ihren Oberkörper und halte sie fest. „Bitte Paula. Geh nicht.", flehe ich sie an. Ihre, in der Luft hängenden, Arme senken sich und legen sich auf meinen Rücken. „Okay.", sagt sie und streichelt mir über den Rücken. Wir setzen wir uns gemeinsam aufs Bett und halten uns gegenseitig fest. Nach kurzer Zeit lösen wir uns voneinander und ich ergreife das Wort. „Hör zu, es ist momentan nicht so leicht.", beginne ich meinen Satz. Meine Finger bilden schon wieder die reinsten knoten, was sie bemerkt und meine linke Hand in ihre nimmt. Das beruhigt mich schnell und ich kann weiter reden. „Es ist wegen Mama. Wenn ich versuche zu essen, wird mir schlecht und ich kann nichts runter kriegen. Dann halt noch die Schule.", sage ich und zittere nun mit meinen Beinen. „Die Schule?", fragt sie und legt ihre freie Hand auf mein Bein. Ich nicke. „Gestern, da hat ein Mädchen gesagt, dass ich ganz schön fett bin und naja dann hatte ich diesen Satz die ganze Zeit im Kopf und als ihr wolltet, dass ich was esse, musste ich es wieder rauslassen. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich möchte nicht, dass du mich nochmal so erschrocken ansiehst, deswegen höre ich damit auf.", sage ich, obwohl der letzte Satz nur noch verheult rauskam. Sie nimmt mich in den Arm und streichelt mir über den Kopf. „Es tut mir leid Mira. Ich wollte nicht so kalt sein. Und das mit der Schule und deiner Mutter tut mir auch schrecklich leid. Lass dir so ein Mist nicht einreden. Du bist nicht fett und hast es nicht nötig abzunehmen. Ich war nur so kalt, weil mich das ziemlich an mich selbst erinnert hat. Ich war auch eine Zeit lang essgestört und habe mich übergeben. Das hatte nichts mit dir zutun okay.", spricht sie beruhigend auf mich ein. „Und ich bin unfassbar stolz, wie du gestern Abend gegessen hast und heute morgen auch. Du dachtest bestimmt, ich bemerke das nicht aber das habe ich und ich kann gar nicht sagen, wie froh ich darüber war.", fügt sie noch hinzu. „Es kommt nicht mehr vor, versprochen.", schluchze ich. „Wenn was ist, dann komm zu uns ja?", sagt sie und ich nicke. Wir sitzen noch eine Weile so, bis man Phil von unten hört. „Komm.", lächelt sie mich an und nimmt meine gesunde Hand. Ich laufe ihr, mit verweintem Gesicht hinterher und stehe dann mit ihr in der Küche. Alex und Phil sehen beide besorgt zu mir, da mein Gesicht voller roter flecke ist. „Was gibts?", fragt Paula und sieht die Jungs fragend an. „Ähm habt ihr Lust ein Kuchen zu backen? Franco freut sich bestimmt, wenn er nach der Schicht ein Stück Schokokuchen bekommt.", sagt Phil und hält eine Backmischung hoch. Paula sieht zu mir und ich nicke. „Na gut, dann kommt mal her.", sagt er und winkt uns zu sich. Alex besorgter Blick liegt immer noch auf mir, weshalb ich zu Alex gehe und ihn bitte, in den Garten zu kommen. Dies macht er auch und wir lassen uns auf dem Sofa, auf der Terrasse nieder. Ich kann sehen, dass Phil und Paula uns von drinnen beobachten, jedoch macht mir das nichts aus. „Wieso hast du geweint?", fragt er besorgt. „Ist es wegen mir, gestern?", fragt er nochmal erschrocken, was ich schnell mit einem Kopfschütteln beantworte. „Das.", sage ich und halte meine Hand hoch. „Das ist nur verstaucht aber nichts, worüber man weinen müsste." Er sieht nun noch verwirrter aus. „Es ist so...", beginne ich und versuche nun neue Tränen zu verhindern. „Paula und Phil haben mich gestern beim brechen erwischt. Ich wurde in der Schule als fett betitelt und wollte dann die Nudeln vom Mittagessen wieder ausspucken. Paula war darüber sehr erschrocken und hat mich dann ignoriert und war kalt zu mir. Das hat mich ziemlich fertig gemacht, weshalb ich eben mit ihr ein Gespräch hatte. Jetzt ist, denke ich mal, alles geklärt. Und du weißt es nun auch. Jetzt fehlt nur noch Papa.", erkläre ich und wundere mich selber, wie ich das ohne Schluchzer geschafft habe. Er sitzt mit offenem Mund da und schaut auf den Boden. „Alex?", frage ich und schnipse vor seinem Gesicht. Er sieht wieder zu mir und sagt: „Aber du machst das nicht mehr oder?" Ich schüttele mit dem Kopf. „Das war eine einmalige Sache. Ich möchte das nicht mehr machen.", antworte ich und lege ihm eine Hand auf die Schulter. Er umarmt mich und wir gehen wieder rein.
Das backen verlief relativ gut. Wir haben viel gelacht und uns danach im Wohnzimmer niedergelassen.

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt