Das Polizeiverhör

500 21 1
                                    

„Beruhigt?", fragt er besorgt und greift mit seiner freien Hand nach meinem Handgelenk. Ich nicke, woraufhin er auch die Hand von meinem Brustbein nimmt. „Tut mir leid Phil aber die Hose geht echt gar nicht.", sage ich und stupse ihn an. Auch Paula beginnt etwas zu lachen und geht in die Küche. „Schatz, geh dich jetzt mal fertig machen.", sagt sie zu Phil, weshalb er aufsteht und nach oben geht. Ich lasse mich währenddessen auf der Couch nieder und scrolle auf meinem Handy. Eine neue Nachricht:

Jonas: Hey, ich habe gehört was passiert ist. Das war sicher Melissa oder? Hoffe, deine Nase ist nicht zu stark verletzt.
Ich: Hey Jonas. Nein, mir geht's gut. Die Nase ist nicht gebrochen oder so. Ich werde Melissa heute anzeigen, ich will sie dafür rankriegen.

Nachdem mir Jonas Nachricht ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert hat, antworte ich ihn und lege das Handy wieder weg. Irgendwie ist er ja schon süß.
„Na, was gibts denn zu lächeln?", fragt Paula und setzt sich zu mir. Mist, ich habe total vergessen, dass sie ja noch hier ist. „Äh nichts.", antworte ich beschämend. „Nichts.", macht sie mich lachend nach. „Was hat ‚nichts' geschrieben?", fragt sie neugierig. Wieso kann sie denn jetzt plötzlich Gedanken lesen? „Ach nur gefragt, wie es mir geht.", gebe ich klein bei und muss mein rot werdendes Gesicht verstecken. „Ohhh ist Mira etwa verliebt?", fragt sie und streicht mir über den Rücken. „Vielleicht.", nuschle ich leise. „Wer ist verliebt?", fragt Phil, der gerade in einer normalen Jeans und Pullover die Treppe runterkommt. „Ich hoffe ja, du in mich.", sagt er zu Paula, woraufhin sie die Augen verdreht. „Dich kann man ja auch nur lieben.", antwortet sie lächelnd und gibt ihn einen Kuss, da er direkt hinter uns steht. Da unsere Couch mitten im Raum steht, stützt er sich hinter mich auf die Lehne und beugt sich über meinen Kopf, um mir direkt in die Augen zu schauen. „Bist du etwa verliebt?", fragt er lächelnd, was ich nur mit einem Nicken beantworte. Das ist ja für die echt wie eine Sensation, dass ich mich verliebe. Denken die echt, eine tollpatschige Mira kann nicht verliebt sein? Da haben sie sich geschnitten. „Super.", sagt Phil und klatscht in die Hände. „Dann lass uns los, damit wir rechtzeitig zum Abendessen wieder da sind.", hört man ihn aus dem Flur sprechen, da er sich schon die Schuhe anzieht. Paula und ich stehen von der Couch auf und laufen auch in den Flur. „Geht's denn wirklich schon?", fragt er, als er sich den zweiten Schuh zuschnürt und nickt in Richtung meines Bauches. „Ja Doktor. Wenn was ist, merken Sie das doch eh.", antworte ich gespielt genervt und bücke mich zu ihm runter, um meine Schuhe anzuziehen. Dabei knallen wir volle Kanne aneinander. „Du hast aber auch einen Holzkopf.", knurre ich und reibe mir die Stirn. Er tut es mir gleich und lacht dann. „Du hast echt ein Talent dazu, dir weh zu tun, oder?", fragt er lachend und hilft mir dann hoch. Paula steht, mit dem Autoschlüssel in der Hand, hinter uns und sagt nichts. Ist wahrscheinlich auch besser so. „Hast du schmer...ah ne okay alles gut, lass uns los.", sagt er. Etwas verwirrt darüber, dass er den Satz nicht richtig ausgesprochen hat, gehen wir los. Im Auto schnalle ich mich an und warte, bis Paula losfährt. „Nein ich habe keine Schmerzen Phil.", antworte ich auf seine, nicht zu Ende gestellte frage. „Okay.", sagt er darauf. Der Rest der Fahrt verlief ruhig.

Vor einem großen Gebäude mit einem Polizei-Logo halten wir an. Nervös kaue ich an der Innenseite meiner Wange und rühre mich kein Stück. Etwas Angst habe ich ja schon. „Kommst du?", fragt eine Stimme neben mir. Ich antworte nicht und starre weiterhin auf das Gebäude. „Mira, lass das mal sein und komm.", sagt die Stimme erneut und nimmt mein Kinn in die Hände. Dann sehe ich Phil. „Lass das mal mit dem kauen. Das tut später nur weh.", sagt er und zieht mich sanft aus dem Auto. Dann hacke ich mich bei Paula im Arm ein und laufe in das Gebäude. An der Information redet Phil mit einem Polizisten, der uns dann einen der Räume zuweist. Der Raum ist groß, hat zwei Schreibtische auf denen jeweils ein Computer steht. An den Wänden sind Regale mit Ordnern und Büchern. Der Raum wirkt ziemlich kahl eingerichtet, weshalb ich mich hier nicht wirklich wohl fühle.
Wir ziehen alle unsere dicken Winterjacken aus und setzen uns auf die Stühle, die vor den Schreibtischen stehen. Etwa zwei Minuten später kommen zwei Polizisten rein. Die eine kenne ich, das ist Hannah. Der zweite ist mir unbekannt, sieht aber relativ freundlich aus. „Hey ihr drei. Was führt euch her?", begrüßt uns Hannah, während sie sich an den linken Tisch setzt. Der Mann setzt sich an den rechten. „Achso, das habe ich ja total vergessen. Das ist mein Kollege Robin Sturm. Robin, dass sind Paula, Phil und Mira. Freunde von mir und Stephan.", stellt sie uns gegenseitig vor. Dieser Robin gibt uns die Hand zur Begrüßung, bleibt aber vorerst still. „Also Mira möchte gerne eine Aussage machen und dann wollen wir Anzeige erstatten.", erklärt Phil, was die beiden sich notieren. Paula merkt derweil meine Anspannung und greift nach meiner Hand. „Danke.", flüstere ich, was sie mit einem Lächeln beantwortet.
„Okay Mira, dann leg mal los. Wen möchtest du anzeigen?", fragt Hannah und sieht mich fragend an. „Melissa Meyer.", antworte ich knapp. Sie nickt und notiert sich dies. „Weswegen?", fragt ihr Kollege dann. „Es begann damals auf einer Feier. Ich habe eine Cola bestellt und diese auch bekommen. Kurze Zeit später lief ich an Melissa vorbei und sie hat mich ziemlich hämisch angelächelt. Ja dann bin ich irgendwann ohnmächtig geworden und wurde ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde festgestellt, dass ich K.O. Tropfen in meinem Blut hatte.", erkläre ich. „Okay notiert. Wie ging es weiter?", fragt Hannah dann wieder. „Der Tag, als wir den erste Hilfe Kurs in der Schule hatten, hat sie mich auf der Toilette abgefangen und geschlagen. Sie hatte Angst, dass ich irgendjemand davon erzählt habe und war außerdem eifersüchtig, dass ich mit ihrem Schwarm was hatte.", erkläre ich und verknote meine Finger ineinander. „Was? Da fing das schon an und du hast nichts gesagt?", fragt Phil erschrocken. Ich nicke stumm und senke meinen Blick. „Phil jetzt nicht.", antwortet Paula und nickt Hannah zu, dass sie weiter machen soll. „Okay Mira, was war dann?", fragt Hannah. Es dauert einige Sekunden, bis ich antworten kann. „Naja es kam halt dann noch ein paar mal vor, dass sie mir gedroht oder mich geschlagen hat. Meistens in den Bauch oder mit dem Ball im Sport Unterricht. Da hat sie mir den Ball ins Gesicht geworfen. Das schlimmste war aber danach. Ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen und bin dann nach Hause gegangen. Der Weg nach Hause führt durch den Park und dort wurde ich von Melissa und ihrer Freundin abgefangen. Sie meinte, dass unser Lehrer mit ihrem Vater gesprochen hat und sie deswegen total Ärger bekommen hat. Dann folgten Schläge in den Bauch, bis eine Oma auf uns aufmerksam wurde. Dann sind sie weggerannt und ja. Den Rest wissen Phil und Paula eigentlich schon. Ich bin nach Hause gegangen und habe versucht das zu verstecken.", jetzt ist es raus. Ich fühle mich so viel leichter. „Warte, also warst du die Patientin von Alex, die weg war und sogar die Polizei kommen musste?", fragt Phil, was ich durch ein Nicken beantworte. „Es tut mir doch auch leid aber ich konnte einfach nicht anders.", seufze ich.  Dann herrscht einige Sekunden stille. „Gut, ich habe alles notiert. Wir werden so bald wie möglich eine Streife bei dieser Melissa vorbei schicken und sie verhören. Solange solltest du einfach zuhause bleiben. Am besten nicht allein. Man weiß nicht, wozu sie fähig ist.", erklärt Hannah. Phil und Paula nicken die ganze Zeit und diskutieren schon, wie sie es umsetzen können. „Wir müssen noch die Verletzungen fotografieren.", meldet sich der andere Polizist und kramt eine Kamera aus der Schublade. Ich nicke und stehe auf. „Gut einfach vor die Wand und den Pullover hochziehen.", sagt er und zeigt auf eine Wand. Ich stelle mich davor und sehe in Phil's und Paulas Gesichter. Sie beobachten alles genau. Ich ziehe langsam meinen Pullover hoch und erkenne sofort Schock in Hannahs Gesicht. Paula und Phil haben es ja schon gesehen. „Gut, das war's. Wir sagen Bescheid, wenn wir mehr haben.", sagt Hannah und begleitet uns dann nach draußen.

„Wir sind stolz auf dich.", sagt Paula und stützt mich ins Auto. Das war eindeutig zu viel Stress, denn so wackelig wie meine Beine gerade sind, waren sie noch nie.

—————————————————————————

Spoiler! Meine neue Geschichte wird den Namen „The reason I hold on" tragen.

Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt