Mira hat genug

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Manchmal verfluche ich mich dafür, mit Ärzten zusammen zu wohnen. Ständig sorgen sie sich und merken sofort, wenn etwas nicht stimmt. Kann ziemlich nervig werden.
Nachdem ich abgezischt bin, hat keiner mehr versucht mit mir zu reden. Sie haben wahrscheinlich gemerkt, dass es zwecklos ist. Um 18 Uhr ruft Paula mich runter, da es Abendessen gibt. Seitdem ich die Tablette genommen habe, geht es mir etwas besser, jedoch noch nicht super und Appetit habe ich auch keinen, doch ich weiß, dass sie sich Sorgen machen werden, wenn ich nicht zum Abendessen erscheine, deshalb gehe ich langsam runter. Sie sind gerade dabei, die Töpfe auf den Tisch zu stellen und Papa steht auch im Flur und zieht sich um. „Hallo Papa.", begrüße ich ihn und lasse mich am Tisch nieder. „Hey kleine. Ich soll von Tante Anna grüßen.", sagt er und watschelt zum Tisch. Ich nicke und betrachte das Essen skeptisch. Gefüllte Paprika. Super, die liegen sehr schwer im Magen. „Wie war euer Tag? Naja außer das mit der Nase.", sagt Papa lachend und zwinkert mir zu. „Gut.", antworte ich knapp. „Ganz gut.", antwortet Paula. „Eigentlich eine ruhige Schicht.", antwortet Phil, nur Alex bleibt still. „Alex?", fragt Papa woraufhin Alex hochschaut. „Mh?", brummt er und hebt die Augenbrauen. „Alles gut? Wie war dein Tag?", wiederholt Papa seine Frage. „Jaja alles gut. Mir hängt nur ein Einsatz nach.", sagt Alex betrübt. Ich befürchte, dass es sich um mich handelt. „Willst du drüber reden?", fragt Phil und legt eine Hand auf seine Schulter. Er seufzt und erzählt, was passiert ist. „Ja dann sind wir angekommen und die Patientin war nicht da. Wenn sie wirklich verprügelt wurde, muss sie unheimliche Schmerzen haben. Die Melderin meinte, dass sie sich den Bauch gehalten hat, also könnten es innere Verletzungen sein. Wir haben sie einfach nicht gefunden.", sagt Alex und reibt sich die Augen. Weint er etwa? Tatsache. Mist, dass wollte ich nicht. Ich will nicht, dass Alex oder die anderen wegen mir leiden. „Sie wird sicher gefunden.", versucht Phil seinen Kumpel zu beruhigen, doch man bemerkt die Unsicherheit in seiner Stimme.
Nachdem Alex sich wieder beruhigt hat, haben alle gegessen außer ich. Ich habe nur lustlos im Essen herumgestochert und über alles nachgedacht. Langsam lässt die Wirkung vom Schmerzmittel nach, weshalb ich schon überlege, wie ich unbemerkt mehrere Tabletten klauen kann. „Mira? Willst du nichts essen?", fragt Paula und sofort liegen alle Blicke auf mir. „Mira, warum bist du die letzte Zeit so komisch? Mir ist das auch schon aufgefallen. Du hast dich komplett zurückgezogen, redest und isst kaum noch und auf Nachfrage, wie es dir gut, kommt immer nur ein ungläubiges ‚gut'. Ich oder wir machen uns sorgen.", mischt Papa sich ein. Dann fahre ich total an die Decke und klatsche meine Gabel auf den Tisch. „Ihr immer mit eurer unbegründeten Sorge. Meine Güte, es geht mir gut. Hört auf damit oder ich ziehe hier aus. Ich halte es einfach nicht mehr aus mit euch. Ich will keine Ärzte in meiner Familie!", schreie ich, woraufhin ich von vier Personen verdutzt angeguckt werde. Dann merke ich, dass das schreien keine gute Idee war, da mein Bauchnun wieder sehr weh tut. „Ich gehe spazieren!", sage ich und stampfe wütend in den Flur, wo ich mir meine Schuhe anziehe, Jacke überstreife und durch die Tür verschwinde.

Es vergehen einige Stunden, da ist es schon 21 Uhr und dunkel. Mein Handy beginnt zu vibrieren und ich schalte es an. Neue Nachrichten von Paula:

Paula: Hey kleine, es tut mir leid. Bitte verzeihe mir, ich wollte dich nicht verletzen oder verärgern.
Paula: Mira, bitte komm wieder nach Hause.
Paula: Mäuschen, bitte!
Paula: Hey süße, wo bist du?

Und das sind nur einige von vielen Nachrichten. Auch von den anderen kamen solche Nachrichten. Mein Wutausbruch tut mir ja schon leid aber seit der Sache mit Melissa kann ich mich einfach nicht mehr kontrollieren. Es macht mich psychisch komplett fertig und mit dem wissen, dass wenn ich rede, es noch schlimmer wird, geht es mir noch schlechter.

Ich: Es geht mir gut. Ich komme gleich.

Nach der knappen Antwort mache ich mich wieder auf den Weg nach Hause.

Zuhause angekommen, werde ich von allen vieren stumm begrüßt. Sie stehen, noch wie vor ein paar Stunden in der Küche und sehen mich mit dem selben Blick an. „Ich gehe ins Bett.", sage ich leise und gehe an ihnen vorbei. Zu meiner Verwunderung folgt mir niemand und ich kann mich entspannt ins Bett legen. Naja entspannt ist so eine Sache. Mit meinem Bauch geht das eher schlecht. Hätte ich doch nur Medikamente. Da kam mir der Gedanke, ins Arztzimmer zu schleichen und noch eine oder zwei zu klauen. Als der Gedanke feststeht, schmeiße ich meine Beine aus dem Bett und will gerade aufstehen, als es klopft. „Ja?", frage ich etwas genervt. „Kann ich kurz reinkommen?", fragt Paula, woraufhin ich nur mit einem weiterem ‚ja' antworte. Sie kommt lächelnd rein und schließt die Tür hinter sich. Sie versteckt irgendwas hinter ihrem Rücken, was ich aber nicht sehen kann. Dann setzt sie sich neben mich und mustert mich einige Sekunden. „Ich kann dir was geben, wenn du schmerzen hast. Wenn du aber nochmal klaust, muss ich dafür sorgen, dass der Raum verschlossen wird. Wenn du mir nur sagst, wo du schmerzen hast und wie sich die anfühlen und ich eventuell einmal gucken darf, kann ich dir was geben.", schlägt sie mir vor und holt eine Tabletten Packung mit Schmerztabletten hervor. Einige Sekunden bin ich am nachdenken und entscheide mich dann dafür, da die Schmerzen langsam echt nicht mehr auszuhalten sind. „Okay, ich habe Bauchschmerzen.", antworte ich leise, in der Hoffnung, dass sie das nicht hört, doch natürlich hört sie es. „Ich weiß.", antwortet sie und legt ihre freie Hand auf mein Bein. „Wie lange schon?", fragt sie daraufhin. Ich überlege kurz, da es ja eigentlich schon länger ist. „Schon länger aber mal mehr und mal weniger.", antworte ich ehrlich. Sie nickt verständnisvoll und wartet dann einige Zeit, bevor sie fortfährt. „Okay du kriegst gleich eine Tablette, wenn du mich vorher einmal drauf gucken lässt.", verhandelt sie, was mich unsicher macht. Sie wird die blauen flecke von letztens und heute sehen. „Muss das sein?", frage ich verunsichert. „Ich muss wenigstens einmal geguckt haben, ob es was schlimmes ist. Das geht nur durch abtasten und abhorchen.", erklärt sie mir in einem ruhigen Ton. „Hm.", sage ich und lasse meinen Kopf sinken. Sie legt ihre Hand, die auf meinem Oberschenkel lag, auf meinen Rücken und streicht behutsam darüber. „Kannst du mich dann auch krank schreiben?", frage ich verunsichert. Wenn sie die Flecken sieht wird sie fragen, woher die kommen und wenn ich es ihr dann sage, gehen wir zu Polizei und Melissa wird erfahren, dass ich ausgesagt habe. Da möchte ich nicht in ihrer Nähe sein.
Sie sieht mich verwirrt an und nickt dann leicht. „Wenn ich dich untersuchen darf, werde ich es machen.", antwortet sie. „Okay, dann mach.", ich lasse mich nun endlich drauf ein. Ich will nicht mehr in einem Krieg mit ihnen und meiner Psyche sein. Es muss endlich aufhören. Sie lächelt und haucht ein ‚danke'.

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Endlich lässt sie sich auf Hilfe ein. Wenn ihr in einer ähnlichen Situation seit oder anderweitig Hilfe benötigt, sucht euch diese bitte. Ihr tut euch und anderen einen Riesen gefallen!

Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt