Die Besorgnis nimmt zu

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Irgendwann wird mir das Gequatsche der Erwachsenen zu langweilig, sodass ich mich in das Wohnzimmer verkrümle und an mein Handy spiele.
Irgendwann sehe ich, dass Phil auf mich zu kommt. Na, was möchte der Herr denn jetzt? „Hey, warum sitzt du hier so alleine?", fragt er und setzt sich auf die Kante vom Sessel. „Langweilig.", brumme ich und widme mich wieder meinem Handy. „Ah.", antwortet er knapp und bleibt dann stumm sitzen. „Und du? Warum gehst du nicht wieder mit zu den anderen?", frage ich etwas verwirrt. Er spannt seine Kiefermuskeln an und beugt sich ein wenig vor. „Also.", seufzt er und sieht mich dann eindringlich an. „Paula hat gesagt, dass du dich seltsam benimmst und...und...,dass du wieder so dünn bist.", sagt er besorgt und mustert meinen Körper dann, der jedoch gut von übergroßen Klamotten bedeckt wird. „Ach Phil. Paula reimt sich da Dinge zusammen, die nicht stimmen. Wirklich, mir geht es gut und ich bin auch nicht zu dünn oder so.", widerspreche ich und blicke dann wieder auf mein Handy. Nervt echt, diese ganzen Fragen. „Mira, kannst du das Ding mal kurz bei Seite packen?", fragt er dann plötzlich, was ich seufzend mache und dann den interessanten Boden betrachte. „Was ist mit dir los? Wieso redest du mit keinem von uns? Und ja, du hast abgenommen. Das hat jeder von uns gesehen. Alex im Krankenhaus, Paula eben und ich, als ich dich letztens ins Krankenhaus gebracht habe. Du kannst uns nichts vormachen. Ich verstehe nur nicht, wieso du nicht mit uns redest.", beginnt er nun eine halbe Predigt. Mist, die haben das ja echt schon mitbekommen, außer Papa anscheinend. „Man Phil, du nervst.", knurre ich und laufe in mein Zimmer. Nicht zu vergessen die besorgten Blicke vom Küchentisch.

Bis zum Abend herrscht Ruhe. Hannah und Stephan sind irgendwann gegangen und ich war die ganze Zeit im Zimmer, ohne das jemand was von mir wollte. Doch plötzlich steht Papa bei mir in der Tür und bestellt mich nach unten. Genervt watschle ich die Treppen runter und finde die anderen drei im Wohnzimmer sitzen. „Was wird das?", frage ich verwirrt, doch Papa schiebt mich nur auf die Couch und lässt sich selber auf einem Sessel nieder. Super, abhauen ist jetzt auch nicht mehr möglich, da ich auf der einen Seite Alex und Papa habe und auf der anderen Paula und Phil. „So Mira. Die drei haben mir erzählt, was sie in der letzten Zeit bei dir bemerkt haben. Da ich so oft arbeiten musste, habe ich selbst nichts bemerkt. Ich möchte trotzdem jetzt, dass du uns erzählst, was mit dir los ist. Hier und Jetzt!", fordert Papa mich auf, doch ich bleibe stumm. „Mira, wenn es wegen mir ist, es tut mir leid, wie ich die letzten Tage zu dir war. Ich wollte dich nie mit Absicht ignorieren. Das kommt nicht mehr vor.", entschuldigt sich Alex, was ich mit einem leichten Nicken beantworte. „Das wird doch aber nicht der Grund sein, warum sie so dünn ist.", mischt Phil sich besorgt ein. „Mira, die sagen alle, dass du extrem angenommen hast. Zeigst du mir das mal?", fragt Papa ruhig, was ich jedoch nicht beantworte. Ich habe einfach keine Lust zu reden oder irgendwas zu machen. „Mira komm schon.", versucht er es nochmal. Ich schüttle mit dem Kopf und starre wie gebannt an die Wand. Ich merke gar nicht, wie er plötzlich vor mir kniet und alle Blicke auf mir ruhen. Ohne zu fragen nimmt er den Saum meines Pullovers und hebt ihn an. „Was machst du?", frage ich erschrocken und drücke seine Hand weg. „Ich habe keine Lust zu reden.", füge ich noch hinzu und lasse mich, mit verschränkten Armen nach hinten fallen. „Na gut. Dann kommst du jetzt mit ins Krankenhaus. Man muss kein Arzt sein, um zu wissen, dass ungewolltes, starkes Abnehmen schlecht ist. Also zieh dich an und komm.", sagt er und steht auf. Was? Wie kommt er denn jetzt auf diese Idee. „Ganz sicher nicht.", protestiere ich und stehe ebenfalls auf, um an Paula und Phil vorbeizugehen, doch ich stolpere über Phil's Fuß und falle nach vorne, direkt auf meine Hände, was mir jedoch nur minimale Schmerzen im Handgelenk bereitet. Natürlich stehen alle wieder direkt um mich und Mustern mich besorgt. „Nein, mir tut nichts weh und nein, ich brauche keine Hilfe. Ich geh dann jetzt in mein Zimmer.", sage ich und stütze mich, halbwegs normal, ab und stehe auf. „Nein, entweder du redest jetzt oder wir fahren ins Krankenhaus.", sagt Papa und hält mich am Arm. „Na schön.", brumme ich und hebe mein Pullover bis unter meinen BH, sodass alle meinen Bauch sehen. Papa hält sich sofort schockiert die Hände vor den Mund und schüttelt ungläubig mit dem Kopf. „Mira?!", haucht er und lässt sich dann auf die Lehne, der Couch, fallen. Nach einigen Sekunden lasse ich meinen Pullover wieder runter und stehe mit Phil, Paula und Alex teilnahmslos im Wohnzimmer rum. „Darf ich dann jetzt gehen?", frage ich, da ich einfach nur meine Ruhe will. Er wechselt kurz Blicke mit den anderen und schüttelt dann mit dem Kopf. „Was? Wieso? Ich habe dir doch meinen Bauch gezeigt.", sage ich genervt. „Ja, das hast du. Jedoch gehst du jetzt nach oben und lässt dich untersuchen. Sonst nehme ich dich gleich und schleife dich ins Krankenhaus. Und wenn ich die Polizei und einen RTW rufen muss.", seufzt Papa. Entsetzt stehe ich vor ihm und muss seine Worte nochmal in meinem Kopf nachspielen. Das meint er doch nicht ernst oder? „Mira, wer soll dich untersuchen?", fragt Phil. Ich, immer noch entsetzt über Papas Aussage, mache mir nun Gedanken. Wenn ich mich jetzt nicht untersuchen lasse, bringt er mich ins Krankenhaus, mit allem was nötig ist. Wenn ich die Untersuchung mache, werde sie irgendwas finden, mir einen Zugang legen und mich dann in Ruhe lassen. Okay ich lasse mich untersuchen. Aber nein! Die Wunden...Wenn ich einen Zugang bekomme, werden sie meine Wunden sehen. „Mira? Wer soll dich untersuchen?", fragt Papa dann und sieht zwischen mir und den drei Ärzten hin und her. Okay, wer wäre am besten geeignet und reagiert normal auf die Wunden? Alex? Nein, er erzählt es sofort den anderen. Paula? Ja, sie wäre vertrauenswürdig aber ich weiß genau, dass sie sich vorwürfe machen wird. Phil? Hmm. Schwierig. Er ist lieb und ich vertraue ihm voll aber ich habe das Gefühl, dass er nicht der richtige ist. „Weiß nicht.", brumme ich nach meiner Analyse. „Gut, dann gehen eben alle drei mit. Ich warte hier. Ich brauche erstmal einige Minuten nachdenkzeit.", sagt Papa und setzt sich nun komplett auf die Couch, mit dem Rücken zu uns. Will der mich heute komplett auf den Arm nehmen?

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt