Familiäre Unstimmigkeit

265 38 64
                                    


Eigentlich hätte ich über die Nacht hinweg ersticken müssen, so tief lag meine Nase in Noahs Haar vergraben.

Ich entfernte mein Gesicht etwas aus seinem Gestrüpp und atmete tief ein. Er roch entfernt nach Schweiß und Pfirsich, vermutlich hatte ich ihm wieder einen Frozen Peach aufgeschwatzt. Auf den stand er, damit konnte man ihn gut besoffen kriegen.

Leises Grummeln ertönte vor mir und ich schlang ein Bein um seins – nur um es gleich wieder von ihm runterzunehmen.

Seit wann hatte er irgendwo, außer auf dem Schädel, Haare?

Ich zwang meine Augen auseinander und fasste ihm gleichzeitig mit einer Hand an den Oberschenkel und, ja, da waren ganz eindeutig Haare. Aber da sollten keine sein.

„Hat da etwa jemand Lust auf eine Wiederholung?"

Ich stoppte meine Auskundschaftung.

Das war nicht Noahs Stimme. Und der Kopf, das sich gerade in meine Richtung drehte, gehörte auch definitiv nicht Noah.

„Nächstes Mal trinke ich weniger", murrte ich und fasste mir an die Stirn. Es dauerte einen kleinen Augenblick, in dem mir leises Lachen entgegenhauchte, bis die gestrigen Geschehnisse langsam in meinem Gehirn eintrudelten. Und auch die der letzten Tage. Dann fiel mir sein Name wieder ein. Niels. Die verbesserte Noah-Version.

„Erinnerungen wieder da?" Hände, die sich in meinen Nacken legten. Ein Kuss.

Etwas überrumpelt erwiderte ich die Berührung, die sich aber so verdammt gut anfühlte, dass ich nicht weiter über den Grund nachdenken wollte, weshalb ich mich abgeschossen hatte. War auch egal, jetzt war ich hier, mit Niels über mir und seinem Hintern in meinen Händen. Außerdem waren wir beide noch nackt und meinem Schwanz war kalt. Und er wusste, wo es warm sein würde.

„Runde zwei?", grinste ich gegen seine Lippen, aber er schnippte mir bloß gegen die Brust.

„Gönn' mir einen Tag Pause."

„Aber dein Mund braucht keine Pause, oder?"

Er gluckste amüsiert. „Du Nimmersatt."

Ich lächelte ihn verschmitzt an. Da konnte ich ihm nicht widersprechen – außerdem glitt er sofort an mir runter und ab dem Moment war Reden dann sowieso überflüssig.

Stöhnend legte ich den Kopf in den Nacken und ließ ihn gewähren.


„Dein Schwanz hat übrigens nach Latex geschmeckt."

„Hätte er nicht, wenn du mich gestern einfach ohne reingelassen hättest."

„Ich blas dir doch keinen, nachdem du in mir drin warst! Bäh!" Niels verzog das Gesicht, ich schnaufte und sah ihm dabei zu, wie er das versprochene Frühstück in Form von Aufbackbrötchen aus dem Ofen holte.

Ein bisschen Déjà-vu-lastig war die Szenerie ja schon irgendwie.

„Dann gehe ich nächstes Mal eben vorher duschen", meinte ich und nippte an meinem frisch gepressten Orangensaft. Niels Mutter war scheinbar eine dieser Frauen, die ihre Kinder mit reichlich Vitaminen vollstopften. Da hatte ich nichts gegen, der Saft war köstlich.

„Nächstes Mal?" Er drehte sich langsam zu mir um, das Backblech zwischen seinen Fingern, die in dicken Handschuh-Topflappen steckten. Ich entdeckte blaue Seepferdchen auf ihnen. Zwischen rosa Korallen.

„Mhm." Die Farbkombination war grauenvoll. Dadurch verbrannten vielleicht seine Hände nicht, aber dafür litten meine Augen.

„Das heißt ... du willst mich wiedersehen?"

In meinem AbgrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt