Musterung und Kontaktaufnahme

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„Hast du irgendwie gute Laune?"

„Ich habe immer gute Laune, wenn ich dich sehe."

Tina errötete. „Blödmann." Aber es zeigte die gewünschte Wirkung und brachte sie zum Schweigen.

Ich wandte mich wieder meinem Handy zu, das ich unter dem Tisch versteckt hielt, damit unser Lehrer für Anatomie es nicht mitbekam. Zwölf Zahlen winkten mir entgegen, darüber der Name, der mich seit gestern Abend bestens amüsierte.

Noah Balz.

Kleiner Freak. Bedürftiger, kleiner Freak.

Der Trottel hatte keine Ahnung, an wen er da eigentlich geraten war.

„Herr Achermann? Entweder Sie packen Ihr Mobiltelefon jetzt weg oder Sie sehen es für den Rest des Tages nicht mehr."

„Natürlich, entschuldigen Sie bitte." Ich lächelte und steckte es in meinen Rucksack. „Schon passiert."

„Vielen Dank." Herr Dries wandte sich wieder seinen Overhead-Folien zu, ich stützte mein Kinn mit der Hand ab und dachte an später, wenn ich wieder zu Hause war.

Nur ein bisschen spielen. Ich würde nur ein kleines Bisschen spielen.

Nichts Schlimmes.

Lediglich etwas Spaß haben.


„Kommst du mit?" Tina stand mit ein paar ihrer Freundinnen vor mir.

Ich setzte ein bedauerndes Gesicht auf. „Ich kann leider nicht."

„Wieder deine Schwester?"

„Meine Mutter ist die nächsten Tage auf einer Fortbildung in einer anderen Stadt. Es gibt niemanden, der sonst auf sie aufpassen könnte."

„Schade. Wäre sicher lustig geworden."

Die Gefolgschaft gab bekräftigende Aussagen zum Besten und verabschiedete sich. Ich war froh, dass sie aus dem Weg waren, ich hatte interessantere Dinge zu tun, als ihr sinnloses Geplauder mitanzuhören. Und ich konnte es kaum erwarten, meine Pläne für heute in die Tat umzusetzen.


Zuhause lag ein Zettel auf der Anrichte. Meine Mutter bat mich, Frikadellen vorzubereiten, weil sie mit Emma direkt nach der Schule zum Zahnarzt musste.

Passte mir nicht sonderlich in den Kram, also legte ich den Brief zurück auf die Anrichte, genauso, wie er vorgefunden worden war.

Ich hatte ihn überhaupt nicht gesehen.

Entspannt schlenderte ich hoch in mein Schlafgemach und pflanzte meinen Allerwertesten auf den Schreibtischstuhl.

Laptop an, Internetbrowser öffnen, Facebook eingeben und warten, bis die Seite lud.

Danach tippte ich Noahs Namen in die Suchspalte ein und durchforstete die Ergebnisse, bis ich ein Bild fand, dass nach ihm aussah.

Anklicken und Boom, komplett öffentliches Profil. Fotos, Schule, Wohnort, Freunde, E-Mail, alles einsehbar.

Ich hatte es mit einem absoluten Vollidioten zu tun. Ehrlich, wer ließ seine Daten in der heutigen Zeit für alle aufrufbar? Er bettelte doch richtiggehend darum, von mir auf die Schippe genommen zu werden.

Schnaubend wühlte ich mich durch seine Ablichtungen. Hauptsächlich Landschaften, nur wenige, auf denen er selbst drauf war. Eine zeigte ihn mit einer Frau und einem Mann im Alter meiner Eltern. Ungefähr sieben Klicks später hatte ich bereits herausgefunden, dass es seine Tante und sein Onkel waren. Von seinen eigentlichen Erzeugern oder möglichen Geschwistern stand nirgends etwas.

In meinem Abgrundحيث تعيش القصص. اكتشف الآن