Leere Mägen und zwei Finger (Teil II)

385 44 68
                                    


Genervt ließ ich mich wieder auf Noahs Bett fallen und atmete ein paar Mal tief ein und aus, erinnerte mich daran, dass ich von Anfang an gewusst hatte, was für ein Idiot er war. Dass er mit seinem Körper ungefähr so gut umgehen konnte wie ein Säugling, dem man gerade das Laufen beibrachte.

Nichts, worüber ich mich aufzuregen brauchte.

„Ich, ähm, muss mich umziehen. H-hab auch was auf m-mein Oberteil bekommen."

Ich hob den Blick, hatte nicht bemerkt, wann er zurückgekommen war. Ab der Hüfte aufwärts vollständig entkleidet. Wäre er nicht, nun, eben er, würde ich dahinter ja eine Anmache vermuten. So aber musste ich wohl die Zügel in die Hand nehmen, wenn ich wollte, dass etwas Nützliches aus dieser Situation resultierte.

„Wozu wieder anziehen?"

Sein Gesicht war von rosa Schatten durchzogen. „Huh?"

„Komm einfach zu mir und stell dich nicht dümmer, als du wirklich bist."

Daraufhin ließ er sein bescheuertes Hadern bleiben und kam mir entgegen.

„Besser." Ich bekam seine Hüfte zu fassen und dirigierte ihn breitbeinig auf meinen Schoß. „Also, wenn ich mich recht entsinne, wolltest du mich vorhin noch über deine ungewöhnlichen Essgewohnheiten aufklären?"

„I-ich dachte, wir könnten davor vielleicht ...?"

„Du willst ablenken, hm?"

„Ei-ein bisschen."

Wenigstens war er ehrlich.

Ich schmunzelte leicht. Meine Verärgerung schwand gemächlich. „Ich bin aber ein sehr neugieriger Mensch."

Noah begann damit, auf seiner Unterlippe herumzukauen. Genauer betrachtet, sah sie wirklich schon viel besser aus. Gar nicht mehr so trocken.

„I-ich habe eigentlich gar keine richtige Essstörung", murmelte er schließlich. Sein Blick glitt dabei dezent an mir vorbei.

Ich hob eine Braue. „Ach ja. Und Dahmer hat seine Opfer nicht verstümmelt und teilweise gegessen, er wollte nach den Morden nur den Bestattern eine Freude machen und ihnen weniger zum Vergraben geben."

Noah blinzelte mich ein bisschen konfus an. Dann schmollte er. „Ich bin kein Serienmörder."

Noch nicht", scherzte ich und fuhr mit meinen Fingern seine Seiten hinauf. „Du siehst auch nicht unbedingt aus, als könntest du irgendwen überwältigen. Ein Faultier vielleicht. Die sind langsam und hilflos."

„Ich mag Faultiere."

„Wundert mich nicht."

Er schauderte, als ich mit der Kuppe versehentlich über seine Brustwarze fuhr. „Aber ich habe e-echt keine Magersucht."

„Dann Bulimie?"

Zittern, gemischt mit sanftem Keuchen. Meine Hände waren aber auch frech heute. „I-ich will gar nicht dünner werden. Ich weiß, dass ich zu wenig wiege u-und dass das nicht so t-toll aussieht."

Ich legte den Kopf schief. „Warum isst du dann nichts?"

„Weil ..." Unsicher zog er die Schultern an. „Ich mag das Gefühl in meinem Bauch, wenn er leer ist."

„Du magst es, Hunger zu haben?"

Er nickte einmal knapp.

Ich war überfragt. „Du stehst einfach darauf, wenn dein Magen knurrt? Du tust das nicht, weil du abnehmen willst?"

In meinem AbgrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt