Auf ein Wiedersehen

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Niels trug eine ausgesprochen knappe Badehose.

Mit gehobenen Brauen betrachtete ich sie. „Sicher, dass da nicht gleich etwas rausfällt?"

„Die hat doch ein Netz, du Idiot." Er schüttelte gespielt entrüstet den Kopf, bevor er die Umkleide verließ und das Hallenbad betrat. Mein Blick wanderte dabei automatisch tiefer. Das war echt keine Badehose mehr, das war eher Unterwäsche. Und alles nur für mich.

Ich leckte mir über die Lippen und legte ihm eine Hand in den Nacken, um kurz mit den Spitzen seines Wattebausch-Haars zu spielen.

Er schauderte. „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal wen kennengelernt habe, der mich ständig irgendwo antatschen musste."

„Mh", brummte ich und nahm meine Finger wieder von ihm. „Kann ich nichts für. Bin erst seit kurzem aufs gleiche Geschlecht gestoßen. Jetzt muss ich Jahre verpassten Spaßes nachholen."

„Warte!" Er fuhr zu mir herum, mit riesengroßen Augen. „Ich war jetzt aber nicht dein Erster, oder?"

Ich musterte ihn. Sein offenes Entsetzen irritierte mich minimal. „Nein", sagte ich dann, „warst du nicht."

„Okay, gut. Ich dachte schon." Er lachte und ging weiter, während sich tiefe Furchen in meine Stirn gruben.

Was wäre denn so verdammt schlimm daran gewesen, wenn ich zuvor noch nie mit einem anderen Kerl geschlafen hätte? Noah hatte das nicht gestört.

„Seit wann weißt du denn, dass du schwul bist?" Niels lief voran auf das erste Becken zu und setzte sich an den Rand. Er sah nicht über die Schulter zu mir, um sicherzugehen, dass ich ihm auch folgte, er erwartete es. Als wäre ich sein verschissener Köter.

Ich verzog das Gesicht und ließ ihn fürs Erste warten, vertrieb mir die Zeit, indem ich den Innenbereich der Therme begutachtete. Ein Becken für Schwimmer rechts, eines mit Wasserpilzen direkt vor uns und links ein Wellenbad. Ansonsten gab es im hinteren Bereich noch eine Treppe, die in einen Außenbereich mit drei schrecklich farbenfrohen Rutschen führte, und ein kleines Restaurant-Schrägstrich-Pommes-und-Currywurst-Bude, die hinter dem Wellenbad anschloss. Eine Sauna und ein Whirlpool sollten auch irgendwo sein, aber ich entdeckte sie gerade nicht. Es war sowieso alles mit falschen Palmen und Grünzeug zugekleistert, da konnte man nicht besonders viel sehen.

„Paul?" Niels Oberkörper drehte sich zu mir herum. „Kommst du her?"

„Wenn du mich ganz lieb bittest."

Er gluckste. „Bitte, bitte mit Sahne obendrauf?" Für ihn war das offensichtlich ein Spiel. Mich hingegen fuckte es ab, dass er teilweise so fordernd war. Das passte nicht in mein Weltbild eines perfekten, unterwürfigen Freundes.

Ich gab ein unzufriedenes Geräusch von mir und ließ mich gar nicht erst neben ihm nieder, stürzte mich stattdessen direkt ins angenehm warme Nass, tauchte unter und spürte den sanften Schwingungen des Wassers nach, wenn sich jemand in meiner unmittelbaren Nähe bewegte.

Das letzte Mal war ich in Steves Pool schwimmen gewesen. Damals hatte ich Noah versehentlich die Unterlippe aufgeschlagen – und später in der Nacht hatten wir zum allerersten Mal das Bett miteinander geteilt. Auf keine perverse Weise, wir hatten nur gekuschelt. Normalerweise tat ich das nicht. Ich schlief mit niemandem unter einer Decke, der mir nicht zuvor einen Orgasmus beschert hatte.

Ich glitt weiter hinab, bis meine Füße den Boden streiften und ich mich mit einem kräftigen Ruck von den glatten Fliesen unter meinen Zehenspitzen abstoßen konnte.

Wieder an der Oberfläche begrüßte mich Niels' amüsierter Gesichtsausdruck.

„Willst du dich vor der Antwort auf meine Frage drücken?", hakte er nach und lehnte sich ein Stück in meine Richtung.

In meinem AbgrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt