Erwischt (Teil II)

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Irgendwie musste ich komisch gucken, dabei hatte ich mich eigentlich an einer belanglosen Miene probiert. Auf jeden Fall starrte meine Mutter mich auf diese Art an. Mit ihrem Was hast du angestellt?-Blick.

„Was?", zickte und kickte mir die Schuhe von den Füßen.

„Ist etwas ... vorgefallen?"

Auch eine nette Art, mich zu fragen, ob ich haushohen Mist gebaut hatte.

„Unsinn." Ich zerrte meine Mundwinkel hoch. Wusste der Geier, wo der Wunsch plötzlich herkam, meine Laune an ihr auszulassen, aber es klang wie eine willkommene Ablenkung. Und ich wusste auch schon, wie ich sie ein bisschen schocken könnte. „Alles tutti. Noah hatte bloß keine Lust auf Sex, also musste ich ihn dazu überreden."

Ihr Gesichtsausdruck auf diese Worte war göttlich und ich hasste es. Die immer wiederkehrende Bestätigung, dass sie mir tatsächlich eine Vergewaltigung zutraute. Unter anderem.

Mein Lächeln versteifte sich.

War es so schwer, sich vorzustellen, dass ich einfach mal einen miesen Tag hatte? Wie jeder normale Mensch auch? Nicht jede schlechte Laune resultierte daraus, dass ich jemanden misshandelt hatte. Insgesamt hatte ich als Teenager eigentlich eher gute Laune gehabt, nachdem ich mich etwas ausgetobt hatte, und war danach nicht mit einer Drei-Tage-Regenwetter-Visage durch die Weltgeschichte galoppiert.

„Ja, weißt du", machte ich weiter und ging langsam auf sie zu, „das war schon ziemlich verletzend, als er einfach nicht wollte. Ich bin ja auch ziemlich geduldig gewesen, oder? Wir waren immerhin ganze neun Wochen zusammen, so lange warte ich eigentlich nie."

Sie schluckte. Ich sah, wie ihre Augen zur Treppe nach oben huschten – dem einzigen Ort, den sie von ihrer Position erreichen konnte, der Türen besaß, die sie abschließen konnte. Um mich auszuschließen.

Ich kam ihr stückchenweise näher, den Blick auf die Panik in ihrer Mimik fixiert.

Gab es überhaupt etwas, für das sie mich nicht fähig hielt?

„Es war nicht schwer. Ich meine, hast du dir Noah jemals richtig angesehen? Er ist so schmal, ich musste mich gar nicht anstrengen, ihn festzuhalten. Aber nach ein paar sanften Klapsen gegen die Wangen hat er eh aufgehört, sich zu wehren. Wobei, das stimmt nicht." Ich legte den Kopf in den Nacken, tat, als müsste ich nachdenken. „Richtig verstanden, was Sache ist, hat er erst, als ich ihm den Fuß gebrochen habe. War nicht mal extra, er hat einfach zu heftig gestrampelt."

Mama zitterte. Sie hatte keine Möglichkeit, mir zu entkommen, niemand da, der sie vor ihrem eigenen Sohn beschützen könnte. Ihr Ehemann war auf der Arbeit, ihre Tochter in der Schule. Ich fand es sowieso erbärmlich, dass sie Emma manchmal benutzte, um mich auf Abstand zu halten. Nur weil sie wusste, dass ich vor dem Giftpilz niemals etwas Unartiges tun würde.

Gute Mütter sollten sich vor ihre Kinder stellen und nicht umgekehrt.

„Wusstest du", ich fuhr ihr mit Zeige- und Mittelfinger über die Kehle, „dass Menschen nicht mehr stottern, wenn sie schreien?"

„Bleib da stehen! Ich warne dich!" Sie hob die Arme, als wären sie ein Schutzschild, ein lächerlich leicht zu zerstörender Schutzschild.

Das Bild ließ nun doch ein ehrliches Schmunzeln über meine Lippen huschen.

Gemächlich überwand ich den letzten Abstand zwischen uns, bis ihre Hände sich bebend gegen meine Brust drückten und ich sie behutsam mit meinen Fingern umschließen konnte.

„Du glaubst mir jedes Wort, habe ich Recht?"

„Hör auf!"

Mein Griff verfestigte sich. „Ich habe dich gerade etwas gefragt."

In meinem AbgrundМесто, где живут истории. Откройте их для себя