Achterbahnfahrt I

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Meine ganz persönliche Interpretation eines perfekten Tagesanbruchs bestand darin, noch mit vom Kissen zerknautschtem Gesicht die Küche zu betreten und dort einen gedeckten Tisch und einen nur mit hautenger, knapper Unterwäsche bekleideten Hintern vorzufinden.

Hm.

Einen kurzen Augenblick blieb ich ihm Türrahmen stehen und betrachtete Noahs vier Buchstaben dabei, durch den Raum zu wuseln. Vom Kühlschrank zur Brotbox auf dem Regal neben der Abzugshaube und dann von Schublade zu Schublade, bis er fand, was er so brauchte.

„Morgen", flötete ich, als ich mich dem Starren fertig war, und schritt an Noah vorbei, nicht ohne ihn einmal fest in seinen kaum existenten Speck zu kneifen. „Bereitest du uns Proviant vor?"

„M-morgen!" Er fuhr herum. Mit geröteten Wangen und einem gehetzten Lächeln. „Ja, für die Autofahrt und für den Park und v-vielleicht dann noch z-zum Abendessen, ähm."

Ich ließ meinen Blick über Berge an belegten Brötchen und Broten schweifen. Dazwischen fanden sich noch ein paar Goldstücke vom Bäcker wieder. „Dir ist aber schon bewusst, dass wir nur zwei Tage unterwegs sind?"

„D-du isst doch immer so viel."

Na, das hätte jetzt auch als Beleidigung durchgehen können.

Schnaubend wandte ich mich ab und schlurfte zum Tisch, auf dem Noah mir ein Brötchen mit Nutella geschmiert hatte. Beide Scheiben aufgeklappt nebeneinander und mit einer dünnen Schicht Butter als Grundlage. Dazu noch ein Kaffee mit viel zu viel Zucker und Milch. Exakt, wie ich es mochte.

„Danke fürs Frühstück", sagte ich und griff beherzt zu. Endlich wurde alles wieder ein Ticken normaler. Ich hatte es vermisst, wie er sich sonst auch immer zusätzlich noch um meinen Magen gekümmert hatte.

„G-gerne." Er sah mich beinahe schüchtern an, bevor er mehrere Flaschen Limonade aus dem Kühlschrank zauberte und sie in eine isolierte Tasche steckte. Der Junge dachte echt an alles. Sollten wir jemals zusammen in einen richtigen Urlaub fliegen, würde ich ihn meinen Koffer packen lassen, dann müsste ich mir keine Sorgen darum machen, irgendetwas zu Hause zu vergessen.

„Hast du schon etwas gegessen?" Ich leckte mir etwas Schokolade von der Oberlippe. Das war mehr Nutella mit Brötchen als Brötchen mit Nutella.

„Ei-einen Pudding."

„Kipp mir nachher nicht um. Heute soll es relativ warm werden."

„P-passiert schon nicht."

Ich zuckte mit den Schultern und trank meinen Kaffee aus, klatschte danach einmal abschließend in die Hände. „Das war lecker."

Noah nickte knapp und stopfte unsere Vorräte hastig in einen großen Rucksack. Ich stand auf und stellte währenddessen das Geschirr in die Spülmaschine, ehe ich ihm das Zeug abnahm und mir über die Schulter warf. „Fertig?"

„Ja!"


„W-wie lange müssen wir fahren?"

„Ungefähr drei Stunden."

Noah spielte ein bisschen an seinem Gurt herum, wirkte nervös.

„Was ist los?"

„Nichts." Er zog die Mundwinkel hoch, allerdings nicht sehr erfolgreich.

Ich schnaubte. „Wollen wir es vielleicht mit der Wahrheit probieren, hm?"

Sein Körper sackte in sich zusammen. „Ne."

Aha.

„A-also, du hast das Z-Zimmer, in dem wir bleiben, schon gebucht, oder?"

In meinem AbgrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt