Wichsverbot

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Wir brauchten den gesamten Sonntag, um mein Zeug in mein neues Zuhause rüber zu schiffen, inklusive Auseinanderbauen und wieder Zusammenfügens meines alten Bettes, Schreibtisches und Kleiderschrankes, weil ich mich partout weigerte, die dort bereits vorhandenen Möbel zu akzeptieren. Da war es mir auch egal, dass das Schlafzimmer danach so eng war, dass man gefühlt nur noch ein paar Mäuseschritte in der Mitte ausführen konnte. Außerdem gehörten die Sachen mir und ich würde einen Teufel tun und sie meinen Eltern überlassen.

„So, das war die letzte Schraube." Mein Vater schnaufte laut, während ich die Hände von der Schreibtischplatte nahm, die ich eben noch vorsichtshalber festgehalten hatte.

„Wurde auch Zeit", murmelte ich und warf einen Blick aus dem schmalen Fenster. Draußen war die Sonne bereits untergegangen und meine Kisten warteten immer noch darauf, ausgepackt zu werden.

Ich seufzte. Wenigstens stand die Innenausstattung schon – wobei mein Vater sich erstaunlicherweise zum ersten Mal in seiner Existenz als nützlich erwiesen hatte, weil Mechaniker bekanntlich gut im Basteln waren. Womit ich nicht meine, dass ich die Sachen nicht genauso gut selbst hätte aufbauen können, aber zu zweit ging es eben schneller. Und ich freute mich, dass ich ihm seinen gesamten Sonntag mit schwerer, körperlicher Arbeit vermiest hatte. Er verdiente keine Erholung, bevor er morgen wieder in der Werkstatt schuften durfte.

„Brauchst du noch bei irgendetwas Hilfe?" Papa wischte sich über die schweißnasse Stirn, ich schüttelte abweisend den Kopf. Alles Schwierige war erledigt. Meine Sachen standen und die alten befanden sich schon in der gemieteten Lagerhalle des Krankenhauses.

„Nein", meinte ich also. „Aber danke für das Angebot, Marcus."

Er zuckte kurz, tat er schon den ganzen Tag, jedes Mal, wenn ich ihn beim Vornamen nannte. Und ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, ihn, sooft es nur menschenmöglich war, auf diese Weise anzusprechen. Er sollte wissen, dass er für mich gestorben war. Ich brauchte keine Familie, die mich nicht wollte.

„Melde dich, wenn was ist." Er räumte das benutzte Werkzeug zurück in seinen Koffer und ging dann in den Flur. Ich sah, dass er zögerte, bevor er sich die Schuhe anzog und die Tür öffnete, ignorierte seine scheinheilige Verabschiedung jedoch und ließ mich stattdessen auf mein Bett fallen. Es war das einzige Teil in diesem gigantischen Durcheinander, das sich nach Heimat anfühlte. Decke, Matratze und Kissen waren frisch bezogen und rochen nach Weichspüler, nach frischer Sommerbrise. Der Rest wirkte kühl, fremd. Nicht mal die Lampen besaßen irgendeine Art von Wärme. Bescheuerte Energiesparglühbirnen. Ich würde mir ja neue kaufen, hätte ich eine Ahnung davon, welche ich brauchte oder wie ich das herausfand. Irgendwann musste ich das mal googlen, aber nicht heute.

Heute wollte ich einfach nur noch schlafen und dieses grässliche Wochenende vergessen.


Ich hatte absolut keine Lust, Zeit mit meiner Mutter zu verbringen, deswegen ließ ich mir von ihr eine Liste mit Dingen schreiben, die ihrer Meinung nach überlebensnotwendig waren, und ging auf eigene Faust einkaufen, während sie vermutlich bei mir zu Hause für Ordnung sorgte. Eigentlich war ich mir sogar ziemlich sicher, dass sie das tat, weil sie sich damit ihre aufgesetzte Mütterlichkeit bewahren könnte. Dadurch wäre sie ja so gut zu ihrem missratenen Sohn. Sie beschaffte ihm trotzt all seiner Verfehlungen ein Dach über dem Kopf und sorgte dafür, dass die Wohnung blitzblank war, und unterstützte ihn zusätzlich auch noch finanziell. Was für eine perfekte Frau, ein Vorbild für alle Schwangeren. Man möge ihr doch bitte ein Denkmal errichten.

Dass ich nicht lache.

Brummend schob ich den Einkaufswagen vor mir her. Dermaßen viel Müll hatte ich gefühlt noch nie gekauft und die Hälfte davon bestand nur aus Reinigungsmitteln. Jeweils unterschiedliche für Küche, Bad, Böden und gläserne Oberflächen. Allein für ersteres hatte Fiona mir vier verschiedene Sachen aufgeschrieben. Eine Sprühflasche fürs Waschbecken, ein Fläschchen mit weißer Flüssigkeit für den Ofen, eine runde Packung mit gepresster, rosa Masse und Schwamm für die Herdplatte und ein durchsichtiger Edelstahlreiniger für was-auch-immer-aus-Edelstahl-bestand. Ich war mir jetzt schon sicher, dass ich ungefähr dreiviertel davon niemals benutzen würde, aber meine Eltern hatten mir versprochen, diesen Shoppingtrip zu bezahlen, also nahm ich, was ich kriegen konnte. Außerdem lief Putzzeug nicht ab. Wahrscheinlich.

In meinem AbgrundTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang