Auf den Hund gekommen (Teil II)

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„Wir müssen uns unterhalten."

Ich blickte von meinem Handy auf. Nach drei Stunden intensivem Tetris brannten meine Augen wie die Hölle. „Was gibt's?"

Mein Vater betrat mein Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Er hatte nicht sein übliches, dummes Lächeln im Gesicht. Das bedeutete nichts Gutes. Normalerweise kam er fröhlich zu mir, wenn es darum ging, fünf Minuten lang den interessierten Vater zu mimen, der am Leben seines Sohnes Anteil nahm.

„Es geht um deine Mutter."

Ach je.

Ich legte mein Smartphone weg und machte es mir im Schneidersitz bequem. „Hat sie sich wieder über mich beschwert?"

„Sie hat mir erzählt, was heute Mittag passiert ist."

„Und vermutlich mal wieder nur aus ihrer Perspektive, hm?"

„Ihre Oberarme sind blau, Paul. Man erkennt deine Fingerabdrücke."

Oh.

Ich schwieg einen Moment, überrascht darüber, dass ich tatsächlich derart unvorsichtig gewesen war, Beweise zu hinterlassen.

Dann ging ich in Verteidigungsstellung. „Hat sie dir auch erklärt, wie es dazu gekommen ist?"

„Hat sie."

„Ach, sie hat dir brühwarm berichtet, was sie mir mitten ins Gesicht gesagt hat?"

„Was meinst du?"

Er setzte sich an die Bettkante, fixierte mich ungewohnt streng.

Ich blickte demonstrativ zur Seite. „Ich hatte mich mit Noah gezankt und wollte mit Mama darüber reden, weil ich ... keine Ahnung, weil sie wahrscheinlich mehr Ahnung davon hat, wie Typen bei so etwas ticken, als ich."

Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie sich tiefe Falten in seine Stirn gruben. Nur verständlich, immerhin tischte ich ihm hier eine vollkommen andere Version der Vorkommnisse auf.

„Sie hat irgendwie ganz merkwürdig darauf reagiert und da habe ich sie gefragt, ob sie immer noch ein Problem damit hat, dass ich mit einem Jungen zusammen bin." Ich legte eine dramatische Pause ein. „Dann hat sie mir gesagt, wie froh sie ist, dass sie nicht diejenige ist, die eine Schwuchtel zur Welt gebracht hat. Einfach so, ohne Vorwarnung."

Mein Vater erstarrte. Ich sah gequält zu ihm herüber, grub meine Finger ins Bettlaken.

„Ich wollte ihr nicht wehtun. Ich habe ... ich wollte, dass sie das zurücknimmt. Aber das hat sie nicht. Und da bin ich wütend geworden."

„Sie hat mit keinem Wort erwähnt, dass-"

„Wundert mich nicht, dass sie vor dir nichts darüber fallen lässt, wie sie zu mir steht. Wenn du da bist, tut sie, als würde sie mich genauso behandeln wie Emma, und sobald du weg bist, lässt sie mich wieder spüren, dass sie nicht meine richtige Mutter ist."

„Was tut sie?" Papa schien gerade aus allen Wolken zu fallen.

Ich zog die Schulter an. „Du weißt doch selbst, dass unser Verhältnis seit ... dem Vorfall in der Grundschule nicht gerade fantastisch ist. Sie hat", ich schluckte, der Dramatik halber, „mir schon ein paar Mal gesagt, dass sie mich damals nicht haben wollte und sich nur um mich gekümmert hat, weil sie dich liebt. Und nicht mich."

„Das glaube ich nicht", murmelte er, aber allein sein geschockter Ausdruck strafte ihn lügen.

Ich machte mich klein. „Es tut mir leid, dass ich sie verletzt habe. Das wollte ich nicht." Ich nahm mir Noah als Vorbild und rang mit den Händen. „Sie hat mir heute nicht einmal erlaubt, Emma von der Schule abzuholen und ihr bei den Hausaufgaben zu helfen, weil sie nicht wollte, dass jemand wie ich in ihrer Nähe ist. Und du weißt, wie gut Emma und ich uns verstehen. Sie ist meine kleine Schwester. Ich liebe sie."

In meinem AbgrundWhere stories live. Discover now