Ausflug in die Bar

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„T-tut es weh?"

„Ja." Ich musterte mein Spiegelbild. Mein Jochbein war ein einziger großer Bluterguss. Die würden sich auf der Arbeit freuen, wenn ich schon wieder auftauchte, als wäre ich in eine Schlägerei geraten. „Aber das muss es."

Noah nickte ein paar Mal abgehackt, bevor er die Absolut-Flasche zurück in die Senkrechte brachte und den Deckel darauf schraubte. „J-jetzt Eis?"

„Mhm." Ich bewegte die Finger. Angenehm war etwas anderes.

„Ich beeile mich."

„In Ordnung."

Er huschte davon, ich hängte mich an seine Fersen, langsam. Die Boxershorts waren immer noch alles, was er am Leibe trug. Ich nahm es einfach als Gegebenheit hin, dass dieser Umstand mich beruhigte. Ein entspannter Paul war nämlich in der Regel einer, der sich nicht selbst in Schwierigkeiten brachte. Oder andere.

Im Gegensatz zu ihm blieb ich aber an der Schwelle ins Erdgeschoss stehen und schielte lediglich zum Flur hinab, der das kleine Verbindungsstück zwischen Küche und Wohnzimmer darstellte.

Er war erstaunlich schnell, ich konnte ihn schon nicht mehr sehen.

„Noah?"

Stille.

Mit den Fingern meiner unverletzten Hand krallten ich mich am Geländer fest. Aber noch bevor ich die Stäbe richtig anpacken konnte, erschien sein Schopf am unteren Treppenabsatz. Er hielt eine Kühlkompresse vor seiner Brust, schon halb eingewickelt in einem Geschirrtuch. Wusste der Geier, wie er herausgefunden hatte, wo Mama die lagerte. Den Kälteakku und die Tücher. „Ja?"

Ich löste meinen Griff ums Geländer wieder und fuhr mir durchs Haar. „Machst du mir einen Tee?"

„D-du magst süßen, oder? Früchtegeschmack?"

„Apfel-Dattel."

Sofort fuhr er herum und verduftete zum Wasserkocher. Zumindest stolperte er in die Richtung, in der das Ding stand.

„Bringst du ihn mir auch hoch?", fragte ich etwas lauter, die Augen weiterhin auf den Punkt gerichtet, an dem er eben noch gestanden hatte.

„M-mach ich!"

Ich nickte mir selbst zu, bevor ich mich schließlich loseisen und mir in meinem Zimmer mein altes T-Shirt überziehen konnte. Das Problem war nur, dass Noah in Boxershorts nicht genug war, um diese lauernde Schwere in meiner Brust von mir fernzuhalten. Ich hatte keinen Namen dafür, Rastlosigkeit vielleicht, merkte nur, dass ich am liebsten von einer Ecke des Raumes in die nächste tigern würde, bis Noah mir endlich den Tee brächte. In wenigen Minuten. Jeden Moment.

Ich lief angespannt zu meinem Bett, ließ mich darauf fallen und schnappte mir mein Handy, dass immer noch mutterseelenallein neben meiner Jeans lag. Das Display verriet mir, dass bereits drei Minuten vergangen waren. Hundertachtzig Sekunden, in denen er es nicht geschafft hatte, Wasser zum Sieden zu bringen und einen verschissenen Teebeutel in eine Tasse zu werfen.

Fünf Minuten.

Ein Sechstel einer Stunde.

Meine Muskeln fühlten sich steif an und da war ein dezenter Zug an den Schläfen, als würde sich die nächste Migräne ganz sachte ankündigen.

Er würde nicht mehr kommen. Er verpisste sich lieber nur in Unterwäsche bekleidet, als mir mein bescheuertes Heißgetränk zu bringen. Dabei mochte ich ihn. Den Tee.

Ich rieb mir über die Augen, fluchte leise. Es war die gleiche Farce wie bei-

Tapsige Schritte. Das dumpfe Aufkommen von bloßen Füßen auf Holz.

In meinem AbgrundWhere stories live. Discover now