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Es gab Momente im Leben, die man einfach bereute. Bei mir hatte sich die Anzahl dieser Dinge bis vor drei Monaten auf die Geburt von Fiona reduziert, dann war Noahs Existenz hinzugekommen und heute Nacht hatte ich es bewerkstelligt, den dritten Zwischenfall hinzuzufügen.

Wie talentiert ich doch im Sammeln schlechter Erlebnisse war.

Seufzend blickte ich in den Spiegel über dem Waschbecken – über Ronjas Waschbecken, drüben bei mir hatte ich schließlich keinen.

„Du siehst richtig mies aus."

Ich starrte ihre Reflexion im Glas an, den gutmütigen Zug um ihre Lippen. Dann drehte ich den Hahn auf und hielt meinen Kopf unter das laufende Wasser. „Fick dich."

Sie kicherte. „Diazepam hat eine Halbwertszeit von knapp dreißig Stunden. Du wirst also noch gute zwei Tage so aussehen."

Wow, selten hatte ich irgendwen so gehasst wie sie in diesem Moment.

Schnaubend entfloh ich der Nässe wieder und wischte mir übers Gesicht. Ich gab es wirklich nicht gerne zu, aber momentan war ich tatsächlich eher nicht schön anzusehen. Tiefe Schatten unter den Augen, käsige Haut, eventuell leicht fettiges Haar. Letzteres war schwer zu deuten, immerhin hatte ich sie gerade halb unter Wasser getaucht. „Wie spät haben wir?"

„Zehn nach sieben."

Toll, in keiner ganzen Stunde durfte ich in der Schule antanzen, dabei fühlte ich mich immer noch wie verdaut und hinten ausgeschieden. Durch eine Kuh, die hatte vier Mägen. „Ich schwänze."

Ronja zuckte mit den Schultern, als ich mich zu ihr umdrehte. „Sind deine Fehlzeiten."

„Fehlzeiten", äffte ich sie nach und stützte mich am Waschbeckenrand ab. „Wie viele dürfen wir höchstens haben, bis wir ein halbes Jahr dranhängen müssen?"

„Äh." Ihre Schritte entfernten sich. „Keine Ahnung? Wieso? Hast du schon so oft gefehlt?"

Hatte ich, doch da waren bestimmt noch ein paar Kapazitäten, die ich ausschöpfen könnte. Würde ich halt das letzte Ausbildungsjahr im Notfall krank zur Arbeit gehen. Aber darüber dürfte ich mir dann Gedanken machen, wenn es so weit war. Noch befand ich mich in der Gegenwart.

Und die sieht scheiße aus.

Meine Stirn küsste den Spiegel.

Das Dumme an der Sache war, dass man während der Theorieblöcke in der Personalabteilung anrufen musste, um sich vom Unterricht abzumelden – ansonsten taten das die Lehrer und in dem Fall bekam man dann Betrugsversuche angekreidet. Wäre an sich nicht schlimm, das bisschen Ärger kümmerte mich nicht, aber meine Mutter spielte Best Friends mit der Personalsachbearbeiterin für die Krankenpflegeschüler und bekam es immer direkt gesteckt, wenn ich mir einen Tag frei nahm.

Ernsthaft, es war so beschissen, dass Dinge, die mir vor einer Woche noch völlig schnuppe gewesen waren, jetzt eine Kürzung meiner Finanzmittel bedeuten könnten. Da nützte auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nichts, weil ich es seit meinem achtzehnten Lebensjahr explizit darauf angelegt hatte, meiner Mutter zu verdeutlichen, wie gut ich darin war, meine immer wechselnden Hausärzte zu verarschen.

„Kaffee?" Ronjas Stimme hallte dumpf aus der Küche zu mir herüber. Wie konnte sie bloß so munter klingen, während mein Gehirn mich um nur zwanzig Minuten mehr Schlaf anbettelte wie ein hungriger, verzweifelter Welpe um ein Leckerli?

Vielleicht sollte ich wirklich mal damit aufhören, Zukunfts-Paul ständig zu übergehen. Das tat mir nicht gut, auf lange Sicht.

„Am besten gleich drei", murrte ich und richtete mich wieder auf, schlurfte zu ihr in die Küche. „Ich gehe doch mit in die Schule."

In meinem AbgrundNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ