Das Unsichtbare Mädchen

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"Kadlin!" rief meine Mutter streng in mein Zimmer, ich schreckte panisch hoch und fragte mich was los war. Neben mir klingelte mein Handy unentwegt.
"Du hast verschlafen! Hast du wieder die ganze Nacht gemalt oder warum hörst du deinen Wecker nicht! Los steh auf bevor du den Bus verpasst!" kam es wieder sehr laut und mit einem Hauch Wut in der Stimme von meiner Mutter. Sie wollte mich nicht mehr Wecken seit ich nicht mehr auf die reguläre Schule ging. Ich fragte mich nur, warum sie dann trotzdem noch so früh aufstand. Nun diese Gewohnheit rettete mir an diesem Tag jedenfalls den Tag. Jetzt war ich hell wach und sprang auf und rannte auf meinen kleinen Holzschrank mit Spiegeltür zu. Mein Zimmer war nicht groß. Ich hatte ein einigermaßen großes Metallbett, einen Schreibtisch mit verschiedenen Malutensilien welcher direkt unter meinem Fenster stand und ich hatte ein paar wild zusammengewürfelte Regale in meinem Zimmer stehen.
Schnell schnappte ich mir einen Blauen Kapuzenpulli und eine Schwarze Jeans. Meine langen Hellbraunen Haare schnürte ich schnell zu einem Pferdeschwanz zusammen. Um wach zu werden lief ich runter in unser kleines Badezimmer und schlug ich mir Eiskaltes Wasser ins Gesicht. Mit nassem und müdem Gesicht sah meine Grün-Blauen Augen im Spiegel an.
„Wie ich den Stress am Morgen hasse" murmelte ich. Ein Blick auf die Uhr verriet mir das ich nicht mehr viel Zeit hatte. Mit Handy und Kopfhörern ausgestattet schnappte ich meine Schultasche und rannte los. Meine Mutter stand während der ganzen Zeit in der Küche und ich sah nur wie sie die Augen verdrehte als ich an der Küche vorbei zur Haustür rannte.

Ich musste gut 500 Meter bis zur Bushaltestelle rennen. Meine Lunge brannte und meine Beine schmerzten bereits als ich die Haltestelle sah. Ich war noch nie sonderlich Sportlich. Meine Mutter war schon froh, wenn ich überhaupt mal das Haus verließ.
Wie konnte das passieren? Ich verschlafe fast nie! Ich hasse es zu spät zu kommen.
Der Bus hielt an und ich hechtete mit einem Sprung zur Tür rein.
"Wow ganz langsam kleine. Ich habe dich schon herlaufen sehen" lachte der Busfahrer, ich konnte ihm nicht antworten und zeigte ihm nur meinen Fahrausweis und setzte mich auf einen freien Platz. Als ich langsam wieder Luft bekam entwirrte ich meine Kopfhörer und machte meine Rock Musik an.
Am liebsten wäre ich mit dem Auto zur Schule gefahren, einen Führerschein hatte ich schon, aber ich besuchte eine Berufsfachschule und dort verdiente man kein Geld. Klar könnte man sagen das ich nebenher noch Arbeiten könnte, aber ich lebte in einem abgeschnitten kleinem Dörfchen in dem es im 21.Jahrhundert immer noch kein Handy Empfang oder eine gute Bus Verbindung gab. Darum war dieser Bus auch meine einzige Chance rechtzeitig zur Schule zu kommen, oder um überhaupt in die Schule zu kommen.

Als ich nach ungefähr 20 Minuten an meiner Haltestelle am Hauptbahnhof ankam, musste ich noch ein Stück laufen um zur Schule zu kommen. Ich konnte die Züge über mir hören als ich durch eine Unterführung Richtung Park lief, nach wie vor hörte ich die Musik mit meinen Kopfhörern, während ich an der Parkmauer entlang zur Schule lief. Erst als ich dort ankam nahm ich sie ab und blieb vor dem Haupteingang stehen. Es war nichts Besonderes, ein großes weißes Gebäude mit Glastüren und großen Fenstern mit Anthrazit Fensterrahmen. Davor stand ein großer Baum der das Gebäude etwas verdeckte und daneben stand ein Schild auf dem man lesen konnte, welche Ausbildungen man hier machen konnte. Altenpfleger, Kinderpfleger oder wie ich Hauswirtschaft. Nicht gerade mein Traumjob aber ich wusste nicht was ich nach der Schule machen sollte und dachte das ich so noch mal Zeit hätte darüber nach zu denken was ich mit meinem Leben anfangen wollte und nutzlos war das Wissen über die Haushaltsführung für die Zukunft sicher nicht. Doch jetzt besuchte ich bereits das letzte Jahr, war schon 20 Jahre alt und wusste es immer noch nicht.

Endlich ging ich zum Klassenzimmer wo ein paar meiner Freunde schon auf mich warteten. Ich setzte mich neben Abby und holte meine Sachen raus. Sie war meine beste Freundin und auch überhaupt meine erste Freundin.
"Du siehst fertig aus" kam es grinsend von ihr. Sie durchschaute mich immer sofort. Es gab keine Geheimnisse zwischen uns, zumal ich vor ihr ohnehin nichts verheimlichen konnte.
"Ich habe verschlafen und hatte keinen Kaffee" maulte ich und holte völlig demotiviert meinen Ordner und mein Mäppchen aus meiner Schultasche.
"Na das kann ja was werden" konterte sie und wandte sich wieder ihren eigenen Unterlagen zu. Regel Nummer eins in meinem Leben Kaffee!
Ohne funktionierte ich einfach nicht, die ersten zwei Stunden wurden Horror das wusste ich schon als ich zum Bus gerannt war. Jetzt kam Nora zur Tür rein und setzte sich auf den freien Platz auf meiner anderen Seite. Sie hatte von uns allen den längsten Weg zur Schule und war darum immer als letztes in der Klasse.
"Guten Morgen"
"Morgen" sagte ich mürrisch ohne zu ihr aufzusehen und konnte Abby im Augenwinkel ein lautloses.
"Hatte keinen Kaffee" mit ihrem Mund formen sehen, dabei wedelte sie mit ihrer Hand vor ihrem Hals herum. Wohl um ihr deutlich zu machen, dass sie sich in Lebensgefahr begab, wenn sie mit mir sprach. Nora verzog wissend ihr Gesicht und setzte sich dann schweigend neben mich.

Fight for the TruthWhere stories live. Discover now