Kapitel 2

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Der erste Schultag flog einfach dahin. Nach der Grundschule waren sie jetzt auf einer staatlichen Gemeinschaftsschule ab der vierten Klasse aufwärts. Jeder nannte seinen Namen und was er so mochte. Es war eine friedliche Schuleinführung. Am Ende hatten sie noch etwas richtigen Unterricht, dann war es auch schon vorbei. Alles was Arran wusste war, das Naias Husten über den Tag hinweg immer schlimmer wurde, doch sie tat als wäre nichts. Machte jede Übung und jedes Kennen lernen mit, als hätte sie die erdrückende Stille bei ihrer Begrüßung nicht erlebt und das war etwas, das Arran imponierte. Sie ging völlig anders mit der Ablehnung um. Alles war gut, bis der Gong das Ende des Unterrichts einläutete. Es gab eine Verabschiedung und sie standen alle auf. Aus der friedlichen Stimmung wurde etwas kaltes, als die Lehrerin verschwunden war. Blicke legten sich auf Naia und Arran. „Hey dos Ricos!" Rief ein Junge laut und es war als teilte sich die Klasse in zwei Gruppen. Alle gegen Naia und Arran. Sofort zog Arran seine Schultern zurück und hob seine Brust. „Was willst du? Hast du ein Problem?" Brummte er zurück, doch zu seiner Überraschung trat Naia einfach vor. „Ich bin nicht reich, Jacob." Sagte sie freundlich, als hätte sie die Abneigung in des Jungens Stimme nicht gehört. Reich? Arran hatte nur die Beleidigung wahrgenommen. Aber reich, das hatte er nicht übersetzten können. Er war schon lange nicht mehr reich. Wäre er sonst hier auf dieser Schule? „Aja? Blond blass. Was willst du hier Blanca? Was wollt ihr in Sunburn? Das ist unser barrio. Geht in euer eigenes ins Stadtinnere." Langsam reichte es Arran. Genervt trat er vor und schob die Blonde einfach hinter sich. „Barrio? Jacob mh? Bist du zu dumm um einfach Englisch zu sprechen?" „Bist du zu dumm für spanisch? Da hast du es. Du bist ein verdammter Blanco. Wir wollen euch hier nicht! Das ist unser BARRIO!" Jacob betonte noch einmal mit Nachdruck das Wort um Arran klar zu machen, das er der Außenseiter und Fremdling hier war. Naia trat noch einmal vor, doch Jacob schubste sie einfach fort von sich. Sie taumelte zurück und landete auf ihren vier Buchstaben. Das war der Moment, als Arrans Sicherungen durchbrannten. Wütend stürmte er vor und schlug dem Kerl einfach auf die Backe. Eine seltsame Stille entstand, als jeder die Luft anhielt. Es war, als konnte man die Anspannung zwischen ihnen mit Händen berühren. Dann ballte Jacob die Hand und stürmte seinerseits auf Arran zu. „Ein verdammter rico! Ihr seit alle gleich! Haltet euch für was besseres!" Arran wich dem ersten Schlag aus, doch der zweite traf ihn. In diesem Moment wusste er, das seine Mutter durchdrehen würde, doch jetzt war es zu spät und er würde vor dem Kampf nicht zurückschrecken. Wenn er jetzt gewann, dann mochten ihn die anderen deswegen nicht, aber sie würden ihn aus Respekt in Ruhe lassen. Ihn und Naia. Er wollte einfach nur seine Ruhe. War das zu viel verlangt? Er und Jacob holten erneut aus, als Naia plötzlich zwischen ihnen stand. „Kampf ist keine Lösung." Sagte sie plötzlich. „Nana sagt immer: El barrio es familia y la familia se mantiene unida. Das Viertel ist Familie und Familie hält zusammen. Kommt ins Cafe meiner Nana. Sie macht den besten Apfelkuchen. Ihr werdet ihn lieben." Sie lächelte in die völlig perplexen Gesichter hinein, ehe sie sich umdrehte. Das sie spanisch gesprochen hatte, musste sie alle aus dem Konzept gebracht haben. Und Naia nutzte die Chance und ergriff Arrans Hand. Zog ihn einfach mit sich fort. „Bis Morgen." Rief sie noch, dann waren sie aus dem Klassenzimmer verschwunden. Die Kinder riefen ihnen etwas hinterher, doch die Beiden hörten es bei dem Lärm auf den Schulgängen schon nicht mehr. Naia ließ Arrans Hand nicht los, während sie ihn mit sich zog. Durch die Menge hindurch bis sie das Gebäude verlassen hatten. So viele Blicke folgten ihnen. Eltern standen schon vor dem Gebäude um ihre Kinder nach dem ersten Schultag abzuholen. Erst da ließ Naia seine Hand los und eine seltsame Leere erfüllte ihn, denn er wusste längst das seine Mutter ihn nicht abholen kommen konnte. Dieses Gefühl wurde noch erdrückender, als die Blonde zu strahlen begann. „Mi Cielo!" Rief eine ältere Frau und trat vor und Naia breitete sofort die Arme aus. „Nana!" Antwortete sie glücklich. Es war eine so herzliche Szene, das Arran sich einsam fühlte, doch da berührte jemand Arrans Schulter und wirbelte ihn herum. Er erkannte rotes Haar und seine Augen weiteten sich. „Mama?" „Na mein Großer. Ich konnte eine Mittagspause machen. Ich wollte dich unbedingt sehen." Sie umarmte ihn und er unterdrückte die Tränen der Erleichterung. Er war doch jetzt auf der Gesamtschule. Er war jetzt nicht mehr in der Grundschule! Sie drückte ihn fort von sich nur um seine rote Wange zu sehen. „Arran! Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht schlägern!" Erkannte seine Mutter aufgebracht, doch da eilte Naia heran. „Das war meine Schuld!" Sagte sie sofort. „Er wollte mir helfen!" Arrans Mam blickte von ihm zu ihr und zurück. „Deswegen muss er aber nicht zuschlagen!" Es war das Lachen einer alten Frau und sofort wusste Arran woher Naia ihr freundliches Gemüt hatte. „Er wollte dir also helfen Mi Cielo? Na dann sollten wir ihm wohl angemessen danken. Ich hatte schon befürchtet, das sie es schwer haben könnte. Ich bin froh, das sie einen Freund gefunden hat." Die ältere Frau mit den graubraunen Haaren und aufgeweckten, braunen Augen trat näher und reichte Summer, Arrans Mutter, die Hand. „Freut mich, ich bin Josefa. Naias Großmutter, aber nennt mich ruhig Nana. So nennen mich alle." Sie strahlte breit und Summer wirkte einen Moment so überfordert, wie Arran es mit Naia gewesen war. Nicht nur er hatte es schwer in einem Stadtviertel voller Latinos. Auch seine Mam hatte es schwer, als junge rothaarige Frau, deren Name allein schon verriet, das sie mit Latino nichts am Hut hatte. Viele beäugten sie mit Argwohn, auch wenn die Erwachsenen nicht so hart ins Gericht gingen, wie Kinder es taten. Doch er wusste genau warum sie hier waren und warum es gut war, das sie hier waren. Er verstand es und doch machte es ihn wütend. Wütend, wenn er sah, wie man auf sie Beide reagierte. Umso erstaunlicher war Nanas Verhalten. Das Unvoreingenommene. Das Aufgeschlossene. Nana strahlte den Inbegriff von Latina aus und doch behandelte sie beide freundlich. Sie legte Naia liebevoll eine Hand auf den Kopf und strahlte. „Ich besitze ein kleines, einfaches Cafe, aber wenn ihr einverstanden seid, lade ich euch zu einem Kaffee und Kuchen ein." Sie sagte es zu Arrans Mam, doch dann sah sie direkt zu Arran. „Für dich natürlich eine heiße Schokolade. Was sagt ihr?" Arran beobachtete, wie seine Mutter kurz zögerte. Sicher dachte sie darüber nach, ob ihn jetzt mit Kuchen zu belohnen, wirklich angemessen war, nachdem sie ihm mit Konsequenzen gedroht hatte, wenn er sich nochmal schlägerte. Doch dann legte sich ein Lächeln auf die Lippen seiner Mutter. „Ok wir nehmen das Angebot sehr gerne an. Ich hab allerdings nur noch eine Stunde. Ist es weit?" Sie wirkte kurz nachdenklich, doch Nana wischte diese Sorgen einfach weg. „Es ist gleich ums Eck am Marktplatz. Na kommt." Naia sah sofort auf. „Gibt es heute Kirschkuchen?" Fragte sie glücklich, ehe sie stehen blieb und schon wieder zu husten begann. Arran sah hoch zu seiner Mam, als konnte er ihr telepathisch sagen, das die Blonde das schon den ganzen Tag tat. Summer verstand. „Geht es dir nicht gut, Naia?" Fragte sie sofort, als sie wieder zu der Blonden sah. Arrans Mam war Krankenpflegerin. Sie verdiente nicht viel und das war ein Grund, warum sie nun in diesem Viertel zu zweit lebten. Nana blieb stehen und sah auf ihre Enkelin hinab. „Ist es schlimmer geworden, Mi Cielo?" Fragte sie nun besorgt und Naia schüttelte den Kopf. „Alles gut! Ich freue mich auf den Kuchen." Doch Arran beobachtete wie seine Mam auf die Knie sank und Naias Stirn berührte. Ihr Gesicht wurde sofort besorgt. „Sie glüht. Hat sie das öfter?" Fragte Arrans Mutter, als sie aufblickte. Josefa und ihr Blick trafen sich. Dort lag etwas zwischen diesen Beiden. Arran wusste nicht was, doch er hatte das Gefühl, das sie sich wortlos verstanden. Das sie etwas teilten, das sie nicht aussprechen mussten. „Ich bin Krankenpflegerin in einem Altersheim. Wenn ihr wollt, kann ich euch etwas besorgen. Eine Apotheke ist doch auf dem Weg." Nana strahlte sofort auf. „Naia, da hast du einen wertvollen Freund gewonnen. Mucho gusto! Sehr gerne. Wie heißt ihr eigentlich?" Arran sah, wie seine Mam verlegen dreinblickte. „Oh entschuldige, wo war ich mit meinen Gedanken? Wie unhöflich von mir. Ich bin Summer und das ist mein Sohn Arran." Summer lächelte und Nana tat es ihr gleich. „Soy honrado! Es ist mir eine Ehre. Also dann! Lasst uns gehen. Immer mir nach." Obwohl Naia sich nicht gut fühlen musste, tauchte sie vor Arran auf und hielt ihm die Hand hin. „Na komm. Nanas Kuchen ist der Beste!" Arran musterte die Hand. Sie hatte es vorhin schon getan und es war ihm peinlich. Er war jetzt 10 und alle warfen ihnen noch immer Blicke zu, doch bevor er auch nur fertig gedacht hatte, ergriff sie einfach seine Hand. Zog ihn mit sich. Auch er konnte jetzt ihre heiße Haut spüren und trotzdem lag dort Kraft in ihrer Geste.

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now