Kapitel 75

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Obwohl Rico Arrans Sicht längst geändert hatte, saß Arran noch eine ganze Weile alleine auf seinem Stein und betrachtete die Umgebung. Dachte über Ethan und Rascal nach. Im Grunde wusste sein Herz, das er ihre Hilfe annehmen würde, doch er wollte sich Zeit geben, darüber nachzudenken. Es sacken zu lassen. Vor allem Ethans Hilfe. Nur weil er wusste, das es richtig war, hieß das noch lange nicht, das er es gut fand. Schweiß glitzerte auf seiner Haut im Schein der warmen Nachmittagssonne, als er sich endlich aufrichtete. Er schnaubte nach frischer Luft und fuhr sich einmal durch sein Haar. Er musste dringend duschen, doch dieser Moment allein hatte ihm gut getan. Es war viel gewesen die letzten Wochen. Nie hatte er Frieden gehabt oder einen Moment nur für sich. Erst jetzt wurde ihm klar, das er das gebraucht hatte und jetzt war ihm auch klar, warum Naia nicht gekommen war. Warum Rico gegangen war. Sie wussten es Beide. Verstanden ihn auch ohne Worte. Mit Händen in den Hosentaschen ließ er seinen Rückzugsort hinter sich und lief selbst über den Kies zum Haus zurück. Es waren nur um ein paar geschlängelte Kurven den Berg hinab und doch war er wieder fasziniert, als die Villa wie aus dem nichts vor ihm auftauchte und ihre versteckte Schönheit zeigte. Arran gönnte sich einen letzten Atemzug, ehe er an den Wachen vorbei ins Innere trat. Sofort wurde es deutlich kühler. Fast schon erlösend kühl. Seine Augen glitten über die Umgebung. Er suchte Naia, doch von ihr war nichts zu sehen. Genauso wenig wie von all den anderen wichtigen Menschen. Leo, Rico, Rascal, Ethan und allen vorran Juan. Hatte er etwas verpasst? Seine Augen legten sich auf den nächst besten, der hier herumstand. „Hey. Wo sind alle?" Der Kerl sah auf. Dort lag die Abneigung in dessen Blick von der Ethan gesprochen hatte, doch der Kerl hatte sich besser unter Kontrolle als Arran. „Deine Freundin ist die Treppe rauf." Deine Freundin. Es waren unerwartete Worte für Arran. Ja sie waren jetzt irgendwie zusammen und liebten sich, doch sie hatten es nie offiziell so genannt. Desto seltsamer war es für ihn, als er es jetzt aus einem fremden Mund hörte. „Juan und der Rest sind ebenfalls auf ihren Zimmern. Siesta." Sprach der Mann weiter und atmete tief ein und aus, als wollte auch er Pause machen. „Danke. Rascal und Ethan. In welchem Zimmer sind sie?" Der Typ sah die Treppe rauf, ehe er mit seiner Waffe auf eine Tür zeigte. „Da drin sind deine Leute. Sie teilen sich ein Zimmer. Ethan ist den Gang runter rechts. Auch er ist nicht allein." Arran nickte, um zu zeigen, das er verstanden hatte. Der Kerl drehte einfach seinen Kopf weg und Arran beließ es dabei. Verschwand leise die Treppe hinauf. Sein erster Weg führte ihn zu dem Zimmer seiner Jungs. Vorsichtig klopfte er gegen das Holz und lauschte. Er hörte Leo. „Ja?" So drückte er die Klinke herunter und trat ein. Das erste das er sah, war, wie Rico alle Viere von sich gestreckt auf dem Rücken lag und tief und fest im Schein der Sonne döste. Von dem ernsten Moment vorhin war nichts mehr übrig. Dann sah Arran Leo im Bett unter Rico. Um die Zimmer besser zu nutzen waren sie mit Mehrstockbetten ausgestattet. Leo lehnte an der Wand und tippte auf seinem Handy herum. Arran und er nickten sich zu, ehe Arran weiterblickte und Rascal im Bett hinter der Tür fand. Auch dieser schien zu schlafen. Auf die Seite gedreht und das Kissen zwischen seinem angewinkelten Arm und den Kopf gedrückt. Doch Arran wusste es besser. „Rascal." Fing er an, doch dieser drehte sich einfach auf die andere Seite und damit zur Wand. „Können wir bitte reden?" „Ausgerechnet jetzt?" Brummte der Braunhaarige müde. Scheinbar war er halb am einschlafen gewesen. Sicher tat er sich schwer hier Frieden zu finden. An einem Ort mit lauter Gangstern, die wussten, das er ein Spitzel war. „Du bist jetzt eh wieder wach." Arran hörte ein Seufzen, dann richtete sich der Spitzel müde auf. „Und wessen Schuld ist das?" Fragte Rascal mürrisch und dehnte seinen Nacken nach links und rechts, während Ricos Geschnarche im Hintergrund zu hören war. Für einen Moment sah Rascal neidisch zu ihm. „Ich beneide ihn. Der lag keine 5 Minuten, da war er schon weg. Lässt sich nichtmal von uns stören." Arran folgte Rascals Blick und grinste. „Ja. Er hat die Ruhe weg, wenn es um seinen Schlaf geht." Rascal sah endlich wieder zu Arran zurück. „Mhm. Sollen wir raus?" Arrans Augen huschten zu Leo herüber und so sehr Arran wusste, das er Leo trauen konnte. Er wollte seinem Freund die Last des Wissens nicht aufladen. Manchmal war es eine Wohltat weniger zu wissen. „Ja." Ungewollt stand Rascal auf und folgte Arran aus dem Zimmer. Sie konnten nicht aufs Dach, oder raus. Überall waren Juans Männer und so schlug Arran einfach den Weg ein, den er bereits gekommen war. „Ehrlich. Jetzt soll ich auch noch Bergsteigen?" Fragte Rascal genervt, doch Arran lief einfach unbeirrt weiter und Rascal folgte ihm widerwillig. Als sie den Stein erreichten, stoppte Arran und Rascal mit ihm. Für einen Moment sah Rascal fasziniert herum. So widerwillig er auch gekommen war, die Aussicht war es trotzdem wert gewesen. „Nett hier." Erkannte Rascal, während er eine Zigarette aus seiner Schachtel zog und diese anzündete. Er nahm einen tiefen Zug des ungesunden Rauches, ehe er ihn ausblies und zu Arran blickte. „Also. Wir sind hier, weil du es dir überlegt hast." Erkannte Rascal. Arran musterte den Spitzel, ehe er nickte und sich gegen eine Felswand lehnte, während der Braunhaarige den nächsten Zug nahm. „Und jetzt willst du hören, was ich anzubieten habe." Schlussfolgerte Rascal weiter und Arran nickte. „Ja. Steht dein Angebot noch?" Rascal lachte leise auf. „Wenn du Angst hast, ich ändere meine Meinung nur weil ihr mir auf den Zahn gefühlt habt, dann kennst du mich schlecht." „Du bist ein Spitzel. Es würde mich wundern, wenn ich den echten Rascal kennen gelernt habe." Rascal sah auf und Arran ernst an. „War. Ich war ein Spitzel. Ich bin hier nicht, weil ich das für irgendeinen Titel tue. Ich bin hier, weil ich hinter deinem Weg stehe. Ich will Gerechtigkeit und die beiden Arschlöcher in einem Gefängnis zu sehen, wo sie weiter ihre Geschäfte erledigen können. Nein. Das ist für mich keine Gerechtigkeit." Für einen Augenblick sah Rascal wirklich wütend aus. Gab einen Teil von dem Schmerz frei, der noch immer in ihm wütete. „Du bist jetzt also wirklich einer von uns." Erkannte Arran, während Rascal seine Zigarette einfach fortschnippte. „Wundert es dich? Ich bin viel zu lange bei euch gewesen, als das es für mich einen Weg zurück gäbe. Ich hab genauso krumme Dinger gedreht wie ihr. Nur das ich scheinbar schlecht schieße. Das wars aber auch schon." Arran begann zu grinsen. „Immerhin. Das gibt ein paar Karmapluspunkte fürs schlecht schießen." Rascal hatte kurz der Zigarette hinterhergeblickt. Jetzt sah er wieder zu Arran. „Du hast dich echt verändert. Sie hat dich verändert. Noch vor ein paar Wochen hättest du mich kalt gemacht. Ich muss gestehen, hätten wir uns wie heute kennen gelernt. Wir hätten wirklich gute Freunde werden können." Gute Freunde? Arran wusste nicht wann, doch obwohl Rascal ihn verraten wollte, vertraute er dem Kerl und Arran vertraute niemanden so einfach. Er konnte es nicht benennen. „Ich wollte dich kalt machen, bis Naia zurück in mein Leben kam und mir klar machte, das man dir vertrauen kann. Ich tue es noch immer. Sonst wäre ich nicht hier." Rascal nickte, als auch er sich an die Felswand lehnte. Es sicher so sehr bereute wie Arran es bereute. Die Wand war in der prallen Sonne und der Stein aufgeheizt, doch Arran war zu cool um einfach wieder wegzugehen. „Rojo vertraut mir und sagt es mir auch noch." Ein Schmunzeln legte sich auf Rascals Lippen, ehe er einen Zettel aus seiner Tasche zog. „Hier." Er reichte ihn herüber und Arran nahm ihn neugierig an sich. „Das ist mein Kontaktmann. Sie wusste du würdest kommen und hat mich gebeten ihn bereit zu halten." Arran entfaltete den Zettel, nur um eine Adresse vorzufinden. Darunter stand noch ein weiterer Name. „Sie hat mit dir geredet?" Fragte Arran überrascht, während er versuchte zu begreifen was ihm der zweite Name sagen sollte. „Ja hat sie. Glaubst du, du bist der Einzige, der mit uns reden kann?" Glaubte er das? Bis jetzt hatte sich Naia sehr zurückgehalten, so wie sie es als Kind und Jugendliche gemacht hatte. Doch Naia war stärker und selbstbewusster geworden. Sicher auch durch ihren Job im Cafe. Sie musste dort gelernt haben, mehr auf Menschen zuzugehen. „Ich vergesse manchmal, das wir keine Kinder mehr sind." Sagte Arran überraschend ehrlich. Hing kurz einer Erinnerung nach, ehe er den Zettel höher hielt. „Der zweite Name. Was bedeutet der?" Rascals Augen musterten den Zettel. „Der Name meines Bootes. Es liegt versteckt zwischen den anderen Fischerbooten in der Bucht. Mein Plan war damit zu verschwinden, sollte ich auffliegen. Das hat sich erledigt. Ihr könnt es besser gebrauchen." „Und was ist mit dir?" Fragte Arran besorgt und Rascal lächelte schief. „Ich bleibe in Milestone und mache mir Gedanken, wie es weitergehen soll. Dafür brauch ich das Boot nicht." „Das können wir nicht annehmen!" Sprach Arran mit Überzeugung. Trat einen Schritt auf Rascal zu, während dieser lächelnd zu ihm blickte. „Witzig. Sie hat mir genau das selbe gesagt." Arran hatte den Zettel in Händen, also hatte Rascal irgendwelche Worte gefunden, die Naia beruhigt hatten. „Und was hast du ihr geantwortet?" Fragte Arran misstrauisch und Rascal lächelte. „Ich werde euch nicht sagen was ihr Traum war, aber wegzurennen bevor alles erledigt wäre. Das hätte sie niemals gewollt. Ich will bleiben und sehen, wie Milestone neu geboren wird. Ich will helfen hier aufzuräumen. Sie soll nicht umsonst gestorben sein." Es waren so ehrliche Worte, die von einer Brise begleitet wurden. Eine Brise, die Rascals Worte mit sich nahmen. Vielleicht weit genug, damit sie ihn hören konnte? Ein Teil in Arran wünschte es sich. „Aber irgendwann solltest du aufhören aufzuräumen. Fang irgendwann wieder an zu Leben Rascal. Ich kenn sie nicht, aber ich bin überzeugt, das hätte sie auch gewollt." Rascal starrte aufs Meer hinaus, ehe er leicht zu nicken begann. „Das hätte sie."

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now