Kapitel 26.1

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Als Arran endlich aufstand und zurücklief, fühlte er sich wie ein gebrochener Mann. Immer wieder fragte er sich, was er hätte tun könnten. Er fühlte sich verloren und schwach. Schwach und hilflos. Wieso nur schien er immer wieder so hilflos zu sein? Er hielt sich für Stark, doch Rico hatte ihn mit einem geübten Angriff außer Gefecht gesetzt. Er hielt sich für Schlau und doch hatte er nichts schlaues sagen können. Was war es, das Rico glauben ließ, das das Viertel in Gefahr war? War es weil er nun auf Gangs in der 6.ten traf statt wie früher in Outerhill? Ein Elendsviertel in dem die Ärmsten der Armen wohnten und Gangs zur Tagesordnung gehörten? Sunburn war arm. Ja. Aber sie hatten genug um die Schutzgelder zu zahlen und sie waren im inneren Gebiet von El Lirio. Die wohl stärkste Gruppierung in der Gegend. Schwächelte El Lirio? War das Ricos Beweggrund sich ihnen anzuschließen? Diese Fragen jagten durch Arrans Geist, während er versuchte, etwas zu verstehen, von dem er keine Ahnung hatte. Doch es gab ihm eine Gewissheit. Wenn das die Wahrheit war, dann musste er bald mit Naia fort und so schnell wie er konnte Nana und seine Mutter nachholen. Er wäre gerne so Stolz und hätte behauptet das Viertel wie Rico zu verteidigen, doch er hatte seine Familie. Una familia. Bis jetzt hatte er das nicht vergessen. Auch wenn Mrs Fernández nicht mehr lebte, sicher hätte auch sie gesagt, das zu gehen die bessere Entscheidung war. Dieser Krieg war nicht sein Krieg und das Viertel nur eine Zwischenlösung.

„Arran." Eine sanfte, leise Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Verloren blickte er auf und nicht weit entfernt stand Naia. Sie trug wie er einen schwarzen Hoodie und die Kapuze um ihr Haar zu verdecken. Langsam weiteten sich seine Augen. „Was machst du denn hier? Bist du verrückt?!" Mit einem Mal blickte er um sich herum. Suchte die Gegend nach Gefahren ab, doch dort waren keine. Dort war nur Naia. So schnell er konnte, eilte er zu ihr und griff nach ihren Oberarmen. Naia zuckte nicht einmal, obwohl er unbeabsichtigt grob war. Grob, weil ihn all seine Überlegungen Angst bereiteten. „Du hast ihn gefunden." Stellte Naia fest und noch einmal weiteten sich seine Augen. Sie wusste es? Mehr noch. Sie wusste das er abgehauen war und sie wusste wohin? Sie war ihm einfach gefolgt? Jetzt hob sie sogar die Hand und berührte seine schmerzende Wange. Vorsichtig. Es war mehr, als schwebte ihre Hand über der Wange. „Das ist doch egal. Warum zur Hölle folgst du mir? Du weißt wie gefährlich die Straßen nachts sein können!" Flüsterte er aufgebracht, doch sie schenkte ihm einfach nur ein Lächeln. „Ich wusste das du jemanden brauchen würdest wenn du zurück kommst." Langsam ließ sie ihre Hand sinken und sah in seine Augen, ehe sie vortrat und ihn einfach umarmte. „Wie Naia. Wieso bist du gekommen. Ich hab geschworen dich zu beschützen. Wie soll ich das, wenn du so etwas unsinniges tust!" „Aber ich habe auch versprochen dich zu beschützen. Wir beschützen uns zusammen. Das war das Versprechen." Es war ein Ruck, dann hatte er sie von sich fort geschoben. Starrte in ihr Gesicht. Er wollte sie zurechtweisen und dann fort von hier bringen, doch ihr Gesicht stoppte ihn. Ließ ihn seine Worte vergessen. „Es war nicht deine Schuld." Sagte sie so sanft, das es ihm die Kehle zusammenpresste. Er bekam kaum Luft und für einen Moment spürte er wie Tränen in ihm hochstiegen. Tränen, obwohl er jetzt 16 war. Fast ein Mann. Er füllte sich wie ein elendes Kind. Langsam stellte er sich vor, wie dieses Viertel zerfiel und Naia mit ihm. „Naia, nach unserem Abschluss. Lass uns weit weg von hier gehen. Fort. Mit Nana und meiner Mam." „Burro, ich hatte nie etwas anderes vor." Sie hob die Hand und ergriff seine. So wie schon vor 6 Jahren. So wie immer seit sie sich kannten. Sie wandte sich einfach ab und lief los und er folgte ihr. Folgte ihrem Rücken, der ihm auf einmal so viel Stärker vorkam als sein eigener. Doch er kannte die Wahrheit. Wusste wie fragil ihr Körper sein konnte. Die Wunden ihres Unfalls waren verheilt und doch waren es nicht die Erinnerung in seinem Kopf. An den Tag, als sie zusammenbrach und fast gestorben wäre, nur weil sie sich übernommen hatte. Zu viel gerannt war. Für einen Moment konnte er Ricos Entscheidung verstehen. Für Arran war sein Versprechen sie zu beschützen nicht nur Schall und Rauch. Er hatte es genau so gemeint und er meinte das noch immer. Um das zu tun, musste er sich aus dem Ärger raushalten. Gute Freunde hinter sich lassen. Das war egal. Hauptsache er konnte seine Familie beschützen. Das war alles was zählte. „Ob Nana mir glaubt wenn ich ihr sage ich bin gegen die Wand gelaufen?" Fragte er plötzlich und dort war ihr leises Lachen. „Damit kommst du niemals durch. Wir sollten Creme drauf tun. Vielleicht schwillt es dann weniger an." Überlegte Naia und langsam liefen sie ihren Weg zurück. Es war ein trauriger Moment gewesen, doch Arran würde ihn hinter sich lassen. Er würde sein Leben hier bis zur letzten Minute genießen und dann verschwinden, als hätte es sie hier nie geben.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now