Kapitel 70

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Die Müdigkeit nagte noch zerrender an Arran, als er allein einen Raum betrat. Die Tür hinter sich schloss und sich kurz vorstellte, er würde sich jetzt einfach auf dieses Bett legen. Er wusste er wäre sofort weg, doch auch er wollte Gewissheit. Er glaubte nicht das Blanco seine Männer so schnell neu formiert hatte. Natürlich war es kein Problem für Blanco seine Farben wieder neu zu besetzen. Es gab Dutzende, die auf genau diese Chance immer gewartet hatten. Doch auch sie mussten sich erst etablieren. Wiederum ihre Männer unter sich sammeln. Unter jeder Farbe gab es immer mehrere Anwärter, die für ihren Ersatz in Frage kamen und damit Rivalität. Gewann einer der Fraktionen musste man die Männer der anderen von sich überzeugen. Langsam trat Arran ans Fenster und gönnte sich selbst einen Blick hinaus. Schon wieder stand die Sonne hoch am Himmel. Schon wieder war so viel Zeit vergangen, seit er geschlafen hatte. Mit jeder Minute spürte er mehr die Last, die auf ihm ruhte und die Müdigkeit stresste ihn. Ließ ihn mürrischer zurück, als er ohnehin schon war. Für einen Moment schloss er die Augen und sammelte sich. Ein letztes Mal konzentrieren. Ein letztes Mal durchkämpfen, bevor er endlich schlafen durfte. Als er die Augen öffnete, suchte er den Raum ab. Er hoffte Naia zu sehen, doch auch sie war fortgeblieben. Nur allein konnte Arran sich Brook stellen. Wenn Brook auch nur witterte, das jemand sie belauschte. Noch jemand sein Geheimnis hörte, dann konnte Arran jede Hilfe vergessen. Langsam glitten seine Augen hinab zu dem Mobiltelefon. Er kannte Brooks Handynummer. Der Kerl hatte sie doch hoffentlich nicht geändert? Beobachtete ihn Blanco? Kontrollierte er eingehende und ausgehende Telefonate? So viele Zweifel hielten Arran davon ab, sich einfach zu überwinden. Mit einem Mal zweifelte er an seiner eigenen Entscheidung Brook zu kontaktieren. Sein Fehler könnte die ganze Arbeit von Clavol bedeutungslos machen. Erschöpft legte Arran sein Telefon beiseite und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Klatschte sich gegen die Backen. „Konzentrier dich." Konnte er sich noch irgendwie darauf vorbereiten? Wohl kaum, er musste es auf sich zukommen lassen. Auf das reagieren, das Brook ihm bot. Nur eine Sache wusste Arran sicher. Wie er das Telefonat begann. Schließlich schob er alle seine Zweifel beiseite. Machte der reinen Ernsthaftigkeit platz und griff nach dem Handy. Er wählte die Nummer und hoffte auf ein Wunder. War Brook allein? Würde allein der Anruf Blanco alles verraten? Arrans Herz pochte, als er hörte, wie das Telefon die Nummer wählte. Ein Tüt nach dem anderen. Es kam Arran quälend lang vor, während das Telefon einfach nur den kommenden Anrufversuch verkündete. Dann plötzlich, als wäre die Endlosschleife des Momentes vorbei, ging alles so schnell. Jemand nahm ab und Arran zögerte keinen Moment. „Zander." War alles was er sagte. Kein Hallo. Kein Nichts. Nur diesen einen Namen. Z. Dann wurde er verdächtig ruhig. Alles was Arran hörte waren Atemgeräusche. Jemand hatte ihn gehört und das dieser jemand so lange schwieg, sagte Arran alles. Es war der Richtige am Apparat. Als nächstes hörte er Schritte. Lief Brook über Schotter? War er gerade irgendwo unterwegs gewesen? Hatte vielleicht eine Zigarette geraucht? Es wäre dem Grauhaarigen zuzutrauen. Die Schritte stoppten und der Atemzug war lauter zu hören. „Ich finde dich und dann schlachte ich dich ab. Ich habe dich gewarnt. Wenn du ihn nur ein einziges Mal sagst. Ich werde dich finden und dann sie finden und dann mach ich dir das Leben zur Hölle." Zischte eine hasserfüllte Stimme in sein Telefon. „Niemand weiß davon außer mir und niemand hört uns gerade zu." Begann Arran beschwichtigend. „Und das soll dir wie helfen?" „Wenn es nicht hilft, warum bist du dann von wo auch immer fort gegangen?" Arrans Augen verengten sich, als ihm diese Tatsache bewusst wurde. Scheinbar überraschte Brook diese Frage. Ja, warum war er weggegangen von wo auch immer er gewesen war? „Das geht dich einen feuchten an." Brummte Brook ins Telefon. Versuchte er von dieser Tatsache abzulenken? „Ich weiß was das hier soll. Jetzt hat dich der nächste in den Händen und du willst Informationen. Du bist erbärmlich Rojo." Brook spieh diese Aussage fast aus. Er verachtete Rojo noch immer und Arran ihn. „Solltest du dann nicht beten, das ich die Wahrheit sage und allein bin? Ansonsten kennt Mortes dein Geheimnis. Dann kennt Mortes Zander-" „Ich sagte du sollst ihn nicht sagen!" Arran ignorierte Brooks Einwurf einfach. „-und damit alles was du versuchst zu verheimlichen. Dann bist du ebenfalls in ihren Händen. Noch mehr Menschen, die wissen, das du schwul bist und einen Mann liebst, der dich wie eine Affäre hält. Der seine Familie nicht verlassen will." Was verdammt nochmal war Arrans Plan? Warum nur provozierte er Brook so stark? Hielt Arran das wirklich für eine gute Idee, oder befriedigte er eine Lust, die er schon so lange hatte. Auszusprechen und es Brook unter die Nase zu reiben, das er dessen Geheimnis kannte. Arran versuchte ruhiger zu werden, während Brook austickte. „DU WICHSER. WO BIST DU?! ICH FICK DICH!" Für einen Moment stahl sich ein zufriedenes Grinsen auf Arrans Lippen, doch dann schüttelte er den Kopf. Verdammt er musste sich beruhigen. Er musste das hier irgendwie hinkriegen. Für einen Moment hatte ihn die Ironie in Brooks Satz amüsiert, jetzt versuchte er sie zu hinterfragen. Welche Last musste es sein, jemand Hochrangiges bei der Mafia zu sein und gleichzeitig schwul? Dem Bild nicht zu entsprechen. Man hörte von so vielen Liebschaften, die Brook hatte. Sicher tat er es, um sein Geheimnis zu wahren. Wie musste es sein entgegen seiner Vorlieben mit jemanden zu schlafen? Ekelte Brook sich vor sich selbst? Arran wusste nur, wie es ihm ergangen war. Auch er hatte mit Frauen geschlafen, die er nicht liebte. Um dem Bild in der Mafiawelt zu entsprechen und nicht aufzufallen. Auch um sich abzulenken von dem einen Mensch, den er glaubte nie haben zu dürfen. Wie benutzt musste sich Brook fühlen. Wissend, das er diesen Kerl liebte, aber nicht gut genug für ihn war. Zu wissen, das Zander niemals ihn wählen würde. Nicht weil der Kerl Brook nicht liebte, sondern weil ihm sein Ansehen wichtiger war. Langsam weiteten sich Arrans Augen, als ihm endlich klar wurde, warum Brook ihn so sehr hasste. Brook hatte ihn beneidet, weil er begriffen hatte, das Naia auf Arran gewartet hatte. Brook brüllte noch immer ins Telefon, als Arran den einen Satz sagte, der ihm in diesem Moment richtig vorkam. „Er hat dich nicht verdient." Es war ein so einfacher Satz. Etwas, das er oft von sich selbst angenommen hatte. Doch Naia hatte ihn eines besseren belehrt. Ob man jemanden verdiente, entschied man nicht allein. Brook musste annehmen, das es ok war, wie Zander ihn behandelte. Das er es verdient hatte. Doch hatte Brook das? War er deswegen vielleicht so unglaublich hasserfüllt? „Was verstehst du schon davon? Mh? Ist sie bei dir? Lebst du jetzt das Leben deines Lebens?!" Aus dem Brüllen war ein leises gefährliches Zischen geworden. „Das tue ich und deswegen weiß ich. Auch wir können auf Wunder hoffen. Er hat dich nicht verdient. Wenn er dich lieben würde, würde er sich für dich entscheiden und das weißt du. Das ist es, was dich quält." Schweigen. „Brook. Es ist ok schwul zu sein. Du musst nicht den erst besten für die Liebe deines Lebens halten." „Du hast keine Ahnung. Du bist verdammt nochmal mit ihr aufgewachsen. Verstehst du eigentlich was für ein Glück ihr zwei hattet? Und du schmeißt dieses Glück für deine Scheiße weg?! Du hast es nicht verdient, sie doch zu bekommen!" Sie doch zu bekommen? Wen hatte Brook nicht bekommen? „Hab ich auch nicht. Nicht einen Moment. Trotzdem wollte sie nicht gehen. Trotzdem wollte sie mich. Ich hab es nicht verdient sie zu bekommen, aber sie hatte es verdient, glücklich zu werden. Wenn ich das bin, dann gebe ich ihr die beste Version von mir, die ich zu bieten habe. Brook. Wen hast du nicht bekommen?" Jede Schadenfreude und jeder Scherz war verloren. Arran meinte diese Worte ernst. Sehr ernst sogar und als er schweigen hörte, da wusste er, das er ins Schwarze getroffen hatte. „Du würdest das niemals verstehen. Was red ich eigentlich mit dir! Stirb einfach du verdammter Bastard!" Fauchte Brook aggressiv. Wurde wieder mit jedem Wort lauter. „Du redest mit mir, weil du darauf gewartet hast, das du darüber mit jemanden reden kannst. Brook, ich verurteile dich dafür nicht. Ich bin ehrlich zu dir. Ich will kein Wort mit dir wechseln, aber ich muss. Weil ich sie liebe und ich meine beste Version für sie werde. Ich werde sie retten und dafür brauche ich dich und je länger ich mit dir rede, desto mehr bekomme ich das Gefühl, das du dort auch eine Person hast, für die du den selben Weg wählen würdest. Und das ist nicht Zander." Schweigen. Selbst Brooks Atemzüge konnte Arran nicht mehr hören. Jede schweigende Minute sagte Arran mehr und mehr, das er recht hatte. Dort gab es jemanden, den er bei seiner Recherche übersehen hatte.

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt