Kapitel 57

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Arran war gerade eingeschlafen. Nach Stunden des Kampfes mit seinen unerfüllten Gelüsten war er endlich eingeschlafen, nur um direkt von Schritten geweckt zu werden. Er hatte noch immer einen leichten Schlaf. Egal wie erschöpft er war. Sofort richtete er sich auf. Sein Kopf stach nicht mehr so unerträglich und ihm wurde nicht schwindelig. Ein Erfolg, auch wenn seine Gedanken noch immer von der Frage erfüllt waren, wie er an mehr kommen konnte. Wenn er nur ein klein wenig in die Finger bekommen könnte. Diese ganze Situation würde sich um so vieles besser anfühlen. Das wenigstens rede ihm seine Sucht ein. Der Gedanke verlor sich, als die Schritte immer näher kamen. Sie klangen bestimmt und selbstsicher. Misstrauisch trat er zu den Gitterstäben und lugte in die Richtung der Schritte. Es waren mehrere. Drei vielleicht? Seine Augen verengten sich, als tatsächlich drei Menschen vom Gang her in Arrans Sichtfeld traten. „Na habt ihr euch eingelebt?" Fragte Tomás lächelnd. Azul und Shira waren hinter ihm. Beide hatten Maschinengewehre in den Händen und Beide sahen aus, als wollten sie diese auch benutzen. Doch sie taten es nicht. „Es ging mir schon besser." Sagte Arran um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Weg von Naia. Er hatte ein ungutes Gefühl. Er umklammerte bereits die Gitterstäbe und wenn er könnte, er würde sie auseinanderziehen. Doch er konnte das nicht. „Ahja. Der Entzug. Nicht wahr? Schreckliche Sache. Gut das du das Gröbste hinter dir hast." Sagte Tomás aufgeschlossen, als redeten sie über eine Grippe. Als hätte Tomás irgendetwas für Arran getan. Niemand hatte nach ihm gesehen. Nur ein Mann, der das Essen brachte und ab und zu eine Schale mit Wasser und Lappen um sich zu pflegen. Doch auch das konnte man kaum Hilfe nennen. „Ich hatte schon länger damit aufhören sollen. Es war eine gute Gelegenheit." Sprach Arran einfach weiter. In der Hoffnung das sein Gefühl ihn täuschte, doch es täuschte ihn nicht. „Jaja. Wie dem auch sei." Tomás drehte ihm einfach den Rücken zu und sah zu Naia. Sie saß in einer Ecke der Zelle und hatte sich zusammengekauert. Müde vom Licht, das niemals ausging. Sicher spürte sie die Gefahr, die Tomás bedeutete. Nicht für ihren Körper aber für ihre Seele. Etwas, das vermutlich noch viel schlimmer war. „Celestia meine Liebe. Was hältst du davon, wenn wir dich aus der Zelle hier raus holen? Wenigstens für ein paar Stunden. Ich habe da ein Gespräch zu führen und ich würde es begrüßen, wenn du mich dabei begleitest." Begleiten. Sie sollte das tun, was Marco getan hatte. Was sie bei Azul gezeigt hatte. Wer auch immer das Opfer war, Tomás wollte ihn durchschauen und er glaubte das Naia das konnte. Naia sah auf, doch ihr Blick strotzte vor Widerwillen. Sie wollte nicht. Arran wusste das und er wollte auch nicht das sie ging. Egal wie dieses Treffen ausging. Es würde Naia Schuld aufladen, die sie niemals vergessen würde. Hilfesuchend sah sie zu Arran und er wusste nur eines. Er würde es nicht ertragen sie Tod zu sehen. Alles andere würden sie schon irgendwie wieder hinkriegen. Es gab für alles eine Lösung, solange man noch lebte und nach ihr suchen konnte. Das wenigstens redete er sich ein, als ihre Blicke sich trafen und er ihr zunickte. >Tu es.< Flüsterte er in seinem Geist und Naia schluckte, ehe sie den Blick löste. Sie richtete sich langsam auf und Tomás klatschte zufrieden in die Hände. „Sehr brav. Du wirst es nicht bereuen. Weißt du, das Leben ist ein geben und nehmen. Gib mir etwas und ich werde dir etwas geben." Tomás wirkte in bester Laune. Von dem hasserfüllten Mann, der seine Nichte verabscheute und nur als Waffe verwenden wollte, war nichts mehr übrig. So wenigstens schien es, doch Arran wusste es besser. Tomás überspielte es, weil er hoffte etwas von ihr zu bekommen. Etwas das ihren Wert bewies und sie unersetzbar machte. „Was wirst du mir geben?" Fragte Naia überraschend und zu gerne Arran auch Tomás Gesicht gesehen hätte. Er sah es nicht. „Was du bekommst? Erledige erst einmal deine Arbeit." Kurz verfiel Tomás in sein wahres Ich, dann aber wandte er sich ab. „Öffnet die Tür." Befahl er locker. „Und nur um sicher zu gehen das wir uns verstehen." Er sah den Gang entlang. Weitere Schritte erklangen. Wenig später tauchten zwei Männer auf. Auch sie hatten Maschinengewehre in den Händen und ihre Blicke waren eisern. An ihren Hosen hingen Walkie Talkies. „Ein falsches Wort von dir Celestia. Ein Versuch wegzurennen und sie erhalten den Befehl zu schießen." Die zwei Wachen stellten sich links und rechts von Naias Zelle auf. Das hier war eine doppelte Absicherung. Würde Arran seinerseits versuchen zu fliehen. Tomás würde es wissen und Arran kannte diesen Schlag Männer. Um Tomás zu helfen brauchte Naia nicht ihren gesamten Körper. Nicht jeden Finger. Es gab so viele Möglichkeiten Leid zuzuführen ohne jemanden zu töten. Marco selbst hatte es in seinem Video eindrucksvoll bewiesen. Arran konnte nicht mehr als schwer zu schlucken und von den Gitterstäben zurückzuweichen. „Ah Rojo versteht. Ich hoffe doch du auch Celestia." Naia sah auf und nickte sofort. „Ja." Ihre Stimme klang brüchig. Sie hatte Angst. Angst, was sie tun musste und Angst, das man Arran etwas tat. Auch Angst was mit ihnen passierte, wenn sie die Aufgabe nicht erledigen konnte. Azul trat vor und öffnete die Zelle. Shira hielt ihre Waffe hinein und Naia setzte sich langsam in Bewegung. Ein letztes Mal sah sie zu Arran und er lächelte ihr aufmunternd zu. >Alles wird gut.< Hauchte es in seinem Geist und er hoffte, das sie es verstand. Alles was er wusste, war, wie sie sich abwandte. An Tomás Seite trat. Dieser nickte zufrieden und setzte sich in Bewegung. Verlies einfach den Ort und mit ihm Naia, Azul und Shira. Arran lauschte jedem Schritt der Vier, bis auch diese verstummten und es ruhig wurde. Er allein zurück blieb. Seit er El Lirio beigetreten war, hatte er nicht mehr so tatenlos herumgesessen. Alles was er fühlte, war diese Nutzlosigkeit. Hilflos, weil ihm alle Hände gebunden waren. Nachdenklich hob er den Blick und sah zu den Wachen herüber, die ihn nicht aus den Augen ließen. Sie standen extra auf der anderen Gangseite, damit ihnen keine seiner Bewegungen entging. Was sollte er machen? Sie mit seinem Laken erdrosseln? Durchaus keine schlechte Vorstellung, doch sie waren leider nicht so naiv ihm diese Chance zu lassen. Nicht, wenn sie dort drüben standen. Und schon gar nicht, wenn er damit Naias Sicherheit gefährden könnte. So saß er einfach stumm da. Wiederum an seiner Wand gelehnt um die beiden Wachen nicht aus den Augen zu lassen. Es gab ihm wenigstens ein Stück das Gefühl etwas sinnvolles zu tun. Er musterte jeden Zentimeter der Beiden. Von den Waffen in ihren Händen über die Perserschale, die Mund und Nase verhüllten bis zu den Hosen. Alles an ihnen erinnerte Arran an Verdugo. Sie hatten die selbe Aura an sich und Arran wusste, das auch sie geübt darin waren zu töten und sie würden nicht zögern, wenn sie den Auftrag zu Arrans Abschuss erhielten. Arrans Augen klebten fast an den Walkie Talkies, als erwartete er das der Befehl kam. Als hoffte er das Naia die Flucht ergriff und ihn zurück ließ. Doch es blieb einfach nur ruhig um sie herum. Vorhin noch war er erschöpft eingeschlafen. Nun war er wieder wach. Nicht einmal er glaubte, das sein Körper das noch lange mitmachen konnte. Aber er konnte jetzt auch nicht die Augen schließen und tun als wäre nichts. Es war etwas. Immer wieder geisterte die Frage durch seinen Kopf, was sie tun musste. Er betete zu einem Gott an den er gar nicht glaubte. >Lass sie nicht selbst schießen müssen.< >Lass es etwas unwichtiges sein. Etwas, das sie nicht quälen wird.< Je länger er hier saß, desto nutzloser kam er sich vor. Die Worte seines alten Freundes, Jacobs Worte, kehrten langsam zu ihm zurück. >Dann solltest du dein verdammtes Hirn endlich mal zum denken benutzen. Finde einen Weg Arran. Finde einen Weg. Du hast es wirklich nicht verdient, aber Naia wünscht es sich. Sie hat es verdient. Findet einen Weg aus der Scheiße und fangt neu an. Irgendwo. Das bist du ihr schuldig.< Diese Anklage flüsterte Arran sich selbst zu. Sein Unterbewusstsein, das ihn daran erinnern wollte, das er hier nicht einfach nur rumsitzen durfte. Er hatte es sich selbst geschworen. Er hatte es Jacob geschworen. Und wenn man ihn in Ketten in den Ozean warf, er musste eine Lösung finden. Für sie. Endlich stand er auf und lief vorsichtig Richtung Gitterstäbe. Fast sofort hoben die Kerle ihre Waffen und zielten auf ihn. Sofort hob er die Hände um sich zu ergeben. Die Augen der Beiden verengten sich, während Arran innerlich eine Notiz machte. Beide waren Rechtshänder. Er wusste nicht, ob ihm das irgendwie helfen würde. Doch es war besser als nichts zu wissen. „Ihr könnt mir nicht sagen, wie spät es ist, oder?" Fragte er ruhig, doch sofort traten Beide energisch einen Schritt vor. Ihre Finger lagen gefährlich nah am Abzug. „Du hältst die Fresse und setzt dich wieder. Noch ein Mucks und wir schießen." Brummte einer. Arran stoppte. Noch immer mit erhobenen Händen, lief er einen Schritt nach dem anderen Rückwärts. Beobachtete, wie sich erst die Finger und dann die Männer entspannten. Der Rechte war der höherrangige der Beiden. Er hatte unauffällig genickt und das ok gegeben. Und noch etwas anderes hatte er gelernt. Die Beiden hatten Respekt vor seinen Fähigkeiten. Sie wussten genau wer er war und sie rechneten mit allem. Der Linke hatte nichtssagende brauen Augen gehabt, doch die Augen von Rechts waren grün. Beide waren sie kleiner als Arran. Wenn es allein um Körperkraft ging, würde er gewinnen. Doch solange sie Waffen hatten, würde es niemals nur um Körperkraft gehen. Obwohl sein Gefühl ihm sagte, das nicht ewig viel Zeit verging, mussten sie ständig Rückmeldung geben. Arran hob unscheinbar den Kopf. Blickte zwischen seinen Haaren an die Decke. Für was war hier eine Kamera, wenn sie ständig ihre Position bestätigen mussten? Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder war die Kamera eine Attrappe, oder und das war deutlich wahrscheinlicher. Tomás war paranoid. Er erwartete einen Betrug in seinen eigenen Reihen. Er erwartete jemand könnte das Kamerabild mit einer Schleife überlagern. Er ließ seine Männer sich gegenseitig überwachen. Es war die selbe Taktik, die auch Blanco anwandte. In dem er Brook beauftragt hatte, Arrans Geheimnisse zu lüften und Arran Brooks zu lüften. Je höher man in dieser Welt kam, desto weniger vertraute man seinen Leuten. Damit ergab sich nur eine Erkenntnis. Die Männer vor ihm, waren älter und mit hoher Wahrscheinlichkeit alte Mitglieder von Tulipán oder Rosa. Tomás war misstrauisch. Er würde niemanden in dieses Versteck lassen, dem er nicht vertraute. Sicher waren all die anderen Mitglieder nur über Mittelsmännern mit ihm in Kontakt. Azul war Tomás Ratte gewesen. Er konnte kaum riskieren Tomás Befehle weiterzugeben. Shira war sicher jemand wie er selbst. Das Gegenstück der Farben von Lirio. Jemand, der direkt dem Boss unterstand und seine Befehle höchst persönlich entgegennahm. Wie viele andere wie Shira gab es wohl? Arran versuchte sich an das Verhör zu erinnern, doch er war zu abgelenkt gewesen. Seine Angst um Naia hatte ihn blind gemacht. Jetzt stellte er sich endlich die richtigen Fragen. Die beiden Anführer von Tulipán und Rosa waren angeblich getötet worden. Marco und Tomás. Wer hatte welche Einheit geführt? Arran wusste noch nicht wie, doch er wusste, das herauszufinden, könnte nützlich sein.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now