Kapitel 51

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Nicht einmal die Drogen konnten ihm den Scham nehmen, den er empfand, als er sein Zimmer wieder verließ. Er steuerte trotzdem auf Naias Zimmer zu. Überwandt seinen Ekel vor sich selbst. Immerhin musste auch Naia viel ertragen. Dann konnte er das hier. Er sah auf und blieb wie erschlagen stehen. Der Bodyguard fehlte. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, dem Panik gleichkam. Er beschleunigte seine Schritte. Griff ohne zu zögern nach dem Griff und öffnete die Tür. Es war als blickte man auf seinen schlimmsten Alptraum. Rico saß mit einem Blick voll Schuld auf einem Stuhl abseits. Zwei Bodyguards standen rechts und links der Tür. Zwei weitere standen an den Fenstern. Einer neben Rico. Während Naia und Blanco auf dem Sofa saßen und ein Zimmerjunge ihnen eine kleine Auswahl an Kuchen hinstellte. „Ah Rojo. Wir haben gerade von dir geredet." Sagte Blanco freundlich und es jagte Arran einen kalten Schauer den Rücken herunter. Sein Herz rutschte ihm in die Hose. Hatte er bereits eine Grenze überschritten? War das Naias Ende? Er schluckte seine ganze Angst herunter und trat ein. Blanco wandte ihm den Hinterkopf zu und sah zu Naia. „Nicht wahr, mein kleiner Cielo?" Naia hatte Angst. Panische Angst. Sie hatte die Kaffeetasse wie einen Rettungsanker umgriffen und jeder konnte sehen wie der Kaffee darin gefährlich schaukelte, als wären sie auf einem Boot bei Sturm. „Ja." Presste Naia mühevoll hervor und Blanco nickte daraufhin. „Wir haben uns gefragt, wie lange du wohl hierher brauchst. Es ist schön das du jetzt hier bist. Setz dich." Mit einem Schlag war klar, das dieses Zimmer nie Naias war. Es war Blancos und er allein konnte hier entscheiden, wer wo saß. Ergebend setzte Arran sich in Bewegung und setzte sich auf einen Sessel während Blanco als einziger nach einem Teller mit Schokokuchen griff. „Greift doch zu meine Freunde." Sagte er auffordernd. Es war klar. Nehmt euch einen. In Arrans Kopf jagten die Horrovorstellungen herum. War Gift in dem Kuchen? War Gift im Kaffee? Der Zimmerjunge stellte auch ihm einen Kaffee hin, während Naia und er nach einem Teller griffen. Einer von vielen. Sein Herz pochte wild, denn er wusste das Blanco nicht vorbeikam, weil ihm langweilig war. Naia hielt ihren Teller, als wüsste sie nicht was sie damit anfangen sollte und Arran zwang sich die Gabel zu nehmen und einen Bissen mit der Gabel zu sich zu nehmen. „Wisst ihr." Begann Blanco. „Ich bin neugierig. Habt ihr euch eingelebt? Es ist sicher schön, sich wieder zu haben. So uneingeschränkt Zeit miteinander verbringen zu können. Das ist ein kostbares Geschenk." Jedes Wort klang wie ein Hohn. Arran verstand sofort. Blanco führte ihnen vor Augen, das er das auch ganz anders gestalten konnte. „Ja." Brach Arran sein Schweigen. Wenn er jetzt nicht ehrlich war, dann war er am Ende. Viel wichtiger, dann war Naia am Ende. Er hatte einen Fehler begangen, doch er wusste noch nicht welchen. Sicher würde er es gleich erfahren. Blanco nahm selbst einen Bissen, ehe er den Teller wegstellte und mit der Gabel hin und her schwang. „Ja. Sowas sollte man genießen. Natürlich seine Arbeit erledigen. Was du zweifelslos tust Rojo. Man sollte ihm hier und jetzt leben. Nach vorne blicken und die Vergangenheit ruhen lassen." Las Floras. Er hörte Vergangenheit und jetzt wurde es ihm klar. Hatte er mit Las Floras einen Grenze überschritten? „Denn die Vergangenheit birgt gefahren und wir wollen doch nicht, das unserem kleinen Himmel etwas zustößt. Stell dir nur vor sie müsste ihr Leben in einer Zeller im Untergeschoss verbringen, oder Tod auf dem Grund des Flusses." Arrans Hand begann zu zittern und um es zu überspielen, griff er die Gabel fester und nahm einen weiteren Bissen des Kuchens. Er hatte das Gefühl, wenn er jetzt ein falsches Wort sagte, dann würde eines der Beiden gleich Realität werden. Er wollte keines von Beiden. „Willst du das Rojo?" Blanco drehte ihm nun ganz den Kopf zu und durchbohrte ihn mit seinem Blick. „Nein." Blanco hörte Arrans Antwort und nickte zustimmend. „Ja sowas wollen wir natürlich nicht. Dann verrate mir eines Rojo. Warum interessierst du dich für Las Floras?" Sie wurden abgehört. Das war der Beweis. Man überwachte jeden Augenblick und wenn er Naia jetzt retten wollte, dann musste er eine Lüge servieren, die glaubhaft war. So glaubhaft, das es selbst Blanco täuschte. Alles andere war keine Option. „Es gibt Gerüchte." Brachte er hervor und blickte auf. Sah Blanco an und versuchte dem Druck stand zu halten. „Ah du hast also von ihnen gehört. Und zu welchem Schluss bist du gekommen?" Blancos Augen verengten sich und Arran unterdrückte den Reflex zu schlucken. „Das jemand Los Mortes anführt, der euch kennt und das es dieser jemand ist. Den wir ausschalten müssen." Für einen Moment gab es nur ihren Blick. Alles andere rückte in die Ferne. Arran hatte das Gefühl, das er jetzt nicht einknicken durfte, oder Blanco würde Naia in den Tod stürzen und Arran gleich mit. Es war ein Moment der Endlosigkeit, der mit einem Schlag stoppte. „Das stimmt." Bestätigte Blanco was Arran bereits vermutet hatte. „Aber das ist nicht deine Aufgabe." Blanco beugte sich ein Stück näher an Arran heran. Ein Blick, als saß ihm der Teufel persönlich entgegen. Die gespielte Freundlichkeit war fort. Dort war nur ein Monster vor ihm, das seine Macht beweisen würde. „Du kümmerst dich um deinen Job und wenn du auch nur auf die Idee kommst, diesen jemand zu finden. Dann schlitze ich deinen Himmel auf. Dann siehst du einen roten Himmel, den du dein Leben lang nicht vergessen wirst." Jetzt konnte Arran das Zittern der Hände nicht mehr unterdrücken. Konnte nicht unterdrücken zu ihr zu blicken. Es war als saß dort ein Geist. Ihr gebräuntes Gesicht bleich vor Angst. Die Augen weit aufgerissen. Sie atmete nicht einmal mehr. Vergaß es in ihrer Panik. „Hast du mich verstanden?" Drohte Blanco mit Härte in der Stimme und Arran sah ergebend zu Boden. „Ja." Für einen Moment blieb die Härte, dann strahlte Blancos Gesicht wieder und er stand auf. Tätschelte beim gehen Arrans Schulter. „Sehr schön. Gut das wir uns ausgesprochen haben. Nicht wahr? Das macht die Welt doch gleich ein wenig leichter." „Ja Boss." Fügte Arran hinzu, während sich Blanco zur Tür bewegte. Seine Bodyguards setzten sich ebenfalls in Bewegung, doch Rico, Naia und er atmeten erst auf, als die Tür ins Schloss fiel. Arran sah sofort auf. In den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Rico noch immer geknickt zu Boden blickte, weil er das nicht hatte verhindern können. Warum machte er sich diese Vorwürfe? Nicht einmal Arran selbst hätte das verhindern können. Doch Arrans Hauptaugenmerk galt Naia. Er stand sogar auf. „Naia geht es dir gut?" Fragte er sofort. Er lief um den Tisch herum und setzte sich zu ihr. Er musste sie einfach in seine Arme schließen um sich zu beweisen, das sie noch immer hier war und nicht der rote Himmel wurde von dem ihm Blanco gedroht hatte. Es war ein Bild, das sich in sein Gehirn gebrannt hatte, obwohl er es nie zu Gesicht bekam. Naia erwiderte die Geste, als konnte sie nur bei Arran Sicherheit finden. „Es tut mir leid.." Brachte er hervor und sie nickte an seiner Brust. Sie zitterte wieder. Es war bereits für Arran ein schrecklicher Moment gewesen. Fast unerträglich diesen grausamen Menschen zu treffen. Doch wie musste das für Naia sein? Dort wo er Grausamkeit sah, konnte sie sehen wie diese Grausamkeit aussah. Sie fürchtete sich vor Rojo, doch sie starb fast bei dem Gedanken Blanco zu treffen. Für einen Moment strich er ihr sanft über den Rücken, dann sah er auf. „Rico. Geh Leo suchen. Sag ihm er soll alles über Las Floras verbrennen. Er soll aufhören sich darüber zu erkundigen und er soll kein Wort mehr darüber verlieren." Rico sprang regelrecht auf, als wurde er erlöst. „Ja." Damit navigierte er an den Möbeln vorbei und verschwand zur Tür hinaus, als hinge sein Leben davon ab. Tat es auch. Eine Ewigkeit lang blieb Arran ruhig mit Naia zusammen und ließ sie nicht los. Wartete bis sie sich beruhigte, doch ihre ersten Worte überraschten ihn. „Es wäre kein roter Himmel." Brachte sie leise hervor, als kostete es sie alles zu reden. „Ist das wichtig?" Fragte er sanft und sie löste sich soweit von ihm, das sie ihm ins Gesicht blicken konnte. „Das ist wichtig! Weißt du was den roten Himmel rot macht?" Er sah überfordert zu ihr herab. Wie so oft. Überrascht von der Stärke und der Entschlossenheit mit der sie das Leben durchschritt. „Es ist die Sonne. Die Sonne lässt den Himmel rot leuchten und nur sie. Die Sonne des Himmels. Nur mit ihr kann er strahlen. Was Blanco tun will, ist nicht mehr als eine mondlose Neumondnacht." Eine mondlose Neumondnacht wie heute Abend? Es war ein seltsam passender Moment, der ihn erwartete. Für einen Moment sah er sie einfach nur an, ehe er schwach lächelte und ihr Haar patete. Dann ließ er sie endgültig los und richtete sich auf. „Na los. Ich sollte noch etwas schlafen. Du sagtest doch ich seh müde aus." Sie saß völlig verwirrt auf dem Sofa. Wie bestellt und nicht abgeholt. „Und warum läufst du dann zu meinem Bett?" Fragte sie, als sie sich sortiert hatte. Sie stand auf und musterte ihn, während er sich einfach Rotz frech auf ihr Bett setzte und an die Wand lehnte. „Deine Serie kommt gleich." Erkannte er mit einem kurzen Blick zur Uhr und sie trat langsam näher. „Was? Du wolltest doch schlafen!" Manchmal konnte wohl auch er sie überraschen. Er grinste zu ihr herüber. Er könnte jetzt in Selbstmitleid versinken, weil er Blanco völlig ausgeliefert war. Er könnte, doch es gab auch noch eine andere Option. Er könnte genießen was er hatte, solange er es hatte. Selbst, wenn es schief ging und das Ende nur umso schmerzhafter wurde. Das Ende war so oder so sein Untergang. War es nicht besser jeden Augenblick bis dahin voll auszukosten? So gut, wie das eben ging. „Ich verteidige dich mit meinem Leben. Ich hab mir das Bett eindeutig verdient." Antwortete er ihr noch viel frecher und sie sah ihn buff an, ehe ihre Augenbraue hochwanderte. Das Leben genießen, egal wie wenig das möglich war. War es nicht auch das, was Naia hier die ganze Zeit angestrengt versuchte? „Ganz schön frech, für jemanden, der nichts als dumme Entscheidungen trifft." Erwiderte sie ihm bestimmt, aber trotzdem lief sie los und kam zu ihm herüber. Setzte sich neben ihn und schaltete den Fernseher ein. Sie störte sich auch nicht daran, als er seinen Kopf einfach auf ihren legte und die Augen schloss. Er würde nicht schlafen, dazu war alles viel zu angespannt. Doch er roch ihr Shampoo in ihrem Haar und er döste friedlich zu diesem Duft. Lächelte, obwohl er es selbst nicht wahrnahm. War das nicht besser, als Selbstmitleid?


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now