Kapitel 61

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Arran sprang sofort auf, als er die Geräusche hinter der Tür hörte. Schüsse. Fast zeitgleich erklang ein elektronisches Klicken, ehe sich Naias und seine Tür langsam öffneten. Arran verlor keine Zeit und trat vor die Tür. Doch was jetzt? Sollte er Naia in Sicherheit hinter der Wand halten? Oder sie zu sich auf den Gang holen? Dort, wo man sie jederzeit mit einer Kugel treffen konnte, die er am Ende des Ganges hörte. Naia nahm ihm die Entscheidung ab. Entschlossen setzte auch sie sich in Bewegung und trat an seine Seite, in dem Moment, als ein Mann in der Tür zur Außenwelt erschien. Juan. "Los wir haben nur diese Chance!" Rief er ihnen mit Nachdruck zu. Winkte sie heran. Arran dachte an Naias Worte. Ein niedlicher Gangster. Ohne weiter zu zögern, ergriff er Naias Hand und eilte los. Zog sie einfach mit sich und er spürte, das sie sich beeilte Schritt zu halten. Es war unglaublich. Hatte Naia das wirklich in nur einem Augenblick mit diesem Mann erkannt? Es wurde unwichtig, als sie die Tür erreichten. Juan warf Arran einfach eine Waffe zu und trat hinaus. Die Schüsse hatten gestoppt, doch dafür war eine Alarmanlage angesprungen und eine Sirene begann der Situation etwas dramatisches zu verleihen, als wären sie in einem Grusel-Egoshooter gelandet. Arrans Augen überflogen sofort die Situation. Zwei Leichen lagen links und rechts der Tür. Vor ihm standen drei Männer. Juan und zwei in Perserschals verhüllte Gestalten. Seine Wachen von damals. Der Grünauge und sein Untergebener. Sie gehörten zu Juan? „Hier lang!" Befahl Juan und bewies damit, das er es gewohnt war Befehle zu geben. Arran hatte keine Wahl. Er war jetzt aus der Zelle, aber er wusste nicht im Geringsten wo er war, oder wohin er musste um hier heraus zu kommen. So folgte er dem Mann mit dem markanten Oberlippenbärtchen. Es war ein wirr warr aus Gängen, in denen Arran mühe hatte zu folgen. Hinter sich hörte er weitere Leute. Sie wurden verfolgt und das nicht nur von seinen ehemaligen Wachen. Sie rannten bis sie plötzlich vor einer Tür stoppten. Die zwei Wachmänner stellten sich sofort auf und hielten ihren Verfolger davon ab, näher an sie heran zu kommen. Ein Schussabtausch erfolgte und Arran hob bereits seine Waffe, doch Juan packte ihm am Arm. „Du nicht. Bleib hier." Arran sah mit Widerwillen zurück. Er hasste es sich auf andere zu verlassen, doch was hatte er für eine Wahl? So beobachtete er, wie Juan einen Ausweis an ein Feld neben der Aufzugtür hielt. Er gab einen Pin ein und die Tür ging mit einem >Bing< auf. „Rein!" Zischte Juan hastig. Arran hatte Naia längst in seine Arme gezogen. Schüsse prallten links und rechts von ihnen gegen die Wand. Juan, der noch immer Arrans Arm im Griff hatte, zog ihn einfach mit Kraft hinein und gab ihm dann noch den letzten Schupps, ehe er selbst hinein sprang. „RÜCKZUG!" Rief er laut. Nur einer der zwei Wachen trat in den Aufzug. Arran ahnte wo der andere geblieben war. Juan aber verzog keine Miene, als war ihm dieses Opfer völlig gleich. War dieser Kerl wirklich besser als Tomás oder Blanco? Arran glaubte es nicht, doch sie waren immerhin aus der Zelle. Er konnte noch immer die Flucht ergreifen, wenn sie hier raus waren. Juan schenkte ihm noch immer kaum Beachtung. Stattdessen zog er ein Funkgerät aus seiner Tasche heraus. „An alle Clavol." Clavol? An alle Nelken? Schon wieder eine Blume, dachte Arran verwirrt. Wie viele sollte es noch geben? Leo hatte ihm doch eindeutig nur von drei Fraktionen erzählt. Wer waren also jetzt Clavol? „Der Himmel ist frei. Verlasst das Nest!" Wieder ohne einen Moment des Zögerns steckte Juan das Gerät weg und sah zu Arran. Es war das erste Mal, das er ihm einen richtigen Augenblick schenkte, seit sein Kopf in der Kerkertür erschienen war. „Bitte flieh nicht. Wir sind nicht eure Feinde." Sagte Juan und Arrans Augen weiteten sich. Sofort bereute er es und leerte sein Gesicht, doch Naia hielt noch immer seine Hand und für einen Moment drückte sie diese fester. Arran konnte es sich nicht verkneifen. Er sah zu Naia herab und diese zu ihm hinauf. Sie nickte ihm zu und Arran fluchte in sich hinein. Er wollte nicht bleiben. Er vertraute hier niemandem mehr, aber Naia war überzeugt das sie Juan glauben konnten. Sie hatte es ihm extra davor gesagt. Hatte es vielleicht einen Moment gegeben in dem Juan bereits mit Naia geredet hatte? Zu dem Zeitpunkt als Tomás sie für sein Experiment fortgebracht hatte? „Gut." Sagte er schließlich kurz angebunden. Alle seine Alarmglocken in seinem Kopf schrillten auf höchster Stufe, doch Naia zu liebe, unterdrückte er seine eigene Warnung. Es war das nächste Bing, als der Fahrstuhl endlich wieder hielt. Zu Arrans Überraschung war er nach oben und nicht nach unten gefahren. Die Läufe von Maschinengewehren empfingen sie. Sofort schob Arran sich vor Naia, doch da senkten sich die Läufe längst. „Es ist alles frei." Sagte einer und Juan nickte. „Gut. Rojo. Naia. Hier lang." Juan verließ mit Überzeugung den Aufzug und Arran tat es ihm widerwillig gleich. Sie kamen an ein dutzend verschleierte Männer vorbei und an fast genauso vielen Toten, die den Boden säumten. Was auch immer Juan und damit Clavol von ihnen wollte. Eines war klar, Juan und seine Männer waren ein Teil von Mortes und sie hatten genau gewusst, wie sie all die Leute hier zu ihrem Gunsten ausschalten konnten. Ein Motor brummte auf und ein Auto stoppte vor ihnen. Für einen Moment überflog Arran die Situation. Jetzt ein Motorrad. Sie waren nicht weit weg. Gleich dort hinten. Die Männer richteten ihre Waffen auf eine Tür und den Aufzug. Andere die Rampe hinauf ins Licht. Die Sonne schien. „Steigt ein! Wir bringen euch in Sicherheit!" Sagte Juan. Er war längst an der Autotür angekommen, während Arran noch immer nahe des Aufzugs stand. Er zuckte schon in die Richtung der Motorräder, als Naias Hand ihn wieder drückte. „Arran." Hauchte sie leise und er schluckte. „Fuck." Fluchte er in sich hinein, dann folgte er ihrem Wunsch und lief los. Stieg in das verdammte Auto ein. Die Türen flogen zu und sofort drehten die Reifen durch, ehe sie mit Vollgas losfuhren. Andere Autos füllten sich mit Menschen. Einige stiegen auf die Motorräder, wie Arran es sich vorgestellt hatte. Es waren Augenblicke und plötzlich waren sie wieder an der Erdoberfläche. Hell leuchtete die Sonne hoch am blauen Himmel. Arran war genauso überrascht die Sonne zu sehen, wie die Anzeige am Auto. Wenn das Datum auf dem Display stimmte, dann waren sie über zwei Wochen weggesperrt gewesen. Zwei Wochen hatte Arran verpasst und dort waren viele Fragen in seinem Kopf. Was würde jetzt passieren? Was wollte Juan von ihnen? Wie war es Rascal, Leo und Rico ergangen? Lirio hatte fast alle seine Farben verloren. Sie mussten geschwächt gewesen sein. Hatte Tomás diese Chance genutzt? Hatte Juan nur den Moment abgepasst, als Tomás sich voll auf Lirio konzentrierte? Als war sein Geist endlich aus einem Tiefschlaf erwacht, kehrten all diese Fragen zu ihm zurück. Doch als er jetzt aus dem Fenster blickte, war dort einfach nur ein scheinbar friedliches Milestone. Menschen liefen die Autos ignorierend herum. Sie waren in Outerhill. Wenigstens das erkannte Arran und sie waren aus irgendeinem unscheinbaren Parkhaus heraus gefahren. War das also Mortes Versteck gewesen? Wie hatte Tomás eine so moderne Basis in Outerhill verstecken können? Sicher hatte er sie nicht erst gebaut, als Las Floras durch Blanco fiel. Sicher hatte er sie davor schon heimlich erbauen lassen. Es würde zu Arrans Bild über Tomás passen. Zu einem zutiefst misstrauischen Menschen, der niemandem vertraute. Juans Verrat würde Tomás sicher hart treffen.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt