Kapitel 40

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Jacob hatte sich alles von der Seele geredet. Arran sah es seinem alten Freund an. Das waren all die Dinge, die er Arran schon all die Jahre hatte sagen wollen. Wäre Arran nicht weggerannt. Hätte er mit Jacob offen über seine dunklen Gedanken geredet. Säße er dann ernsthaft ebenfalls hier, oder hätte Jacob recht gehabt? Wären sie dann eben ein Jahr später abgereist? Wäre das alles hier nicht so passiert? Das waren Fragen mit denen Arran nun genauso leben musste, wie mit all den Taten, die er begangen hatte. Er hatte immer gedacht, das er sie nicht verdient hatte und ihr nicht gerecht wurde. Doch obwohl sie von allem wusste, wartete sie auf ihn. Er hatte nur noch viel mehr das Gefühl sie nicht zu verdienen, doch dort war nun noch etwas anderes. Sie hatte es verdient. Jacob hatte Recht. Sie hatte verdient glücklich zu sein und wenn es ihm wirklich um sie ginge, dann musste er ihr das ermöglichen. Dann musste er jemand werden, der sie glücklich machte. Auch wenn er das bereits nicht mehr war. Er musste sich ändern. Noch einmal neu anfangen. Doch wie sollte er die Gang verlassen? Wie sollte er gehen ohne das Auftragsmörder auch zu ihnen kamen? Naia hatte bereits einmal Glück gehabt. Einen zweiten Angriff überlebte sie sicher nicht. Auch das wusste er, sie hätte es nicht verdient. Ob er seinen Tod vortäuschen sollte, wie in all diesen dummen alten Filmen? Es war alles, was ihm einfiel. Nur eines wusste er sicher. Egal, wie er verschwinden wollte, er brauchte Zeit. Viel Zeit. Er konnte so eine Flucht nicht von heute auf morgen organisieren und bis dahin könnte Naias Onkel jederzeit auftauchen. „Jacob." Fing Arran endlich an, das lange Schweigen zu brechen. Jacob hatte sich längst aufgerichtet und war dabei seine Schuhe anzuziehen, als hätte er erkannt, das es jetzt ein Ding zwischen Arran und Naia war. „Mh?" Der Braunhaarige stoppte und so trat Arran langsam näher an Jacob heran. „Ich brauche Zeit. Wenn ich das richtig machen will. Brauche ich Zeit. Nach der Beerdigung, verstecke Naia bitte bei Freunden. Ich werde nicht wegrennen. Ich werde mir etwas ausdenken. Ich schwöre es dir. Aber ihr Onkel darf sie bis dahin nicht finden." Jacob sah noch einmal über die Schulter und zu Naia. „Kein Problem. Du kannst dich auf mich verlassen. Aber-" „Ich weiß. Das tust du für sie, nicht für mich." Jacob sah ein letztes Mal zu Arran, ehe er sich abwandte. „Du hättest früher mit mir reden sollen. Das weißt du oder?" Fragte er plötzlich. Fast schon versöhnlich und Arran lächelte schwach. „Ja. Hätte ich." Es brauchte keine weiteren Worte. Alles weitere hätte es nur verschlimmert und so trat Arran zurück, damit man ihn durch die Tür nicht sah. Jene, durch die Jacob verschwand. Die Tür schloss sich und er war wieder allein mit Naia. Sie schlief noch immer und für einen Moment stand er einfach da und beobachtete sie. Er wusste nicht wie, doch er musste sie beschützen und diesmal musste er es richtig machen. Fürs erste würde er bis zur Beerdigung bleiben. drei Tage dauerte sowas in der Regel und Arran wusste, Cesco würde das ganze Organisatorische übernehmen. Cesco war gläubig und er würde wollen, das man Josefa mit Ehren verabschiedete. Er würde sie nicht warten lassen. Also konnte Arran sich um Naia kümmern. Er fragte sich kurz, ob Jacob das nicht besser konnte. Arran hatte seit Jahren nicht mit ihr gesprochen und es gab so vieles, das er nicht über sie wusste. Sollte er sich einfach wie früher verhalten? Er hatte nichtmal das mit der Universitätszusage gewusst. Er hatte sich Jacob fremd gefühlt, doch war Naia über die Jahre nicht auch ein anderer Mensch geworden? Mit einem Mal fühlte es sich falsch an zu ihr zu gehen und sie zu trösten, doch dann erinnerte er sich an seine Erkenntnis. Er würde der werden, der sie glücklich machte. War es nicht das was sie verdient hatte? Also setzte er sich doch in Bewegung und nahm neben ihr auf dem Sofa platz. Ob sie nun gespürt hatte, das er reden wollte, oder ob es allein die Erschütterung war. Sie öffnete müde ein Auge. Sah verschlafen zu ihm hinauf, als wären sie wieder in der Vergangenheit. Wenn er sie frustriert angebrummt hatte, weil sie das Sofa blockierte. >Kannst du nicht in deinem Zimmer schlafen? Wegen dir durfte ich meine Serien nicht schauen. Damit ich dich nicht wecke.< Nun blickte er mit einem weinenden Augen darauf zurück und gleichzeitig in ihr Gesicht. Sie sah sich verwirrt um, ehe ihr Blick aufklarte. „Wo ist Jacob? Bin ich eingeschlafen?" Sie richtete sich auf und blickte sich noch genauer um. „Er ist gegangen." Erwiderte Arran sanft. Warum auch immer, diese Worte schienen sie zu beruhigen, denn sie lehnte sich langsam zurück. Blickte wieder zu ihm. „Naia." Fing er plötzlich aus einem Impuls heraus an. War es weil er schon mit Jacob ehrlich geredet hatte? Was auch immer es war. Sie sah ihn fragend an, während er lächelte. „Wenn wir zusammen verschwinden könnten. Würdest du mit mir gehen?" Er hatte seine Worte ehrlicher formuliert, als er es von sich selbst erwartet hatte. Naia antwortete ihm nicht sofort und er bereute seine Worte. Was erwartete er nur? Sie wusste was für ein Monster er geworden war. Sie kannte Rojo. Trotzdem fand sich langsam ein Lächeln auf ihren Lippen, das ihn beruhigte. Das ihm das Gefühl gab, das er doch Vergebung finden konnte. Sie schien sich nichtmal über seine Frage zu wundern, denn alles was sie sagte war. „Ich habe nur auf dich gewartet. Zusammen hat man weniger Angst. Erinnerst du dich?" Er nickte, ehe er fort blickte. Er musste diese Frage stellen. „Es wäre sicherer wenn du ohne mich gehst, Naia." Er schüttelte den Kopf. „Ich bin gefährlich für dich. Milestone ist gefährlich. Wenn es nach mir ginge, solltest du schon heute Abreisen und nie mehr zurück kommen. Lass uns alle zurück Naia. Das wäre das beste für dich." „Nein." Sie richtete sich endgültig auf und sah ihn entschlossen an. Dort war diese Stärke, die ihn völlig aufsog. „Ich werde nicht alleine von hier gehen. Auch nicht mit Cesco oder Jacob. Arran, du bist meine Familie und ich gehe nicht ohne meine Familie." Familie. Seit sieben Jahren sehnte er sich zu dieser zurück. Jacob. Hatte sie gehört was er mit Jacob geredet hatte? Sie hatte doch geschlafen? Las sie wieder seine Gedanken? Wenn sie es noch immer konnte, dann musste sie all das lesen können. All das verstehen. Verstehen, was dieses Wort in ihm auslöste. Hatte sie es bewusst gewählt? Sollte er sie doch.. „Denk nicht mal dran. Wir gehen zusammen, oder gar nicht." „Du kannst es noch immer." Erkannte er ehrlich und sie lächelte zu ihm zurück. Nickte. „Bei dir fällt es mir noch immer am leichtesten." Trotz all der Zeit schaffte sie es mit einem so einfachen Satz ihn zu necken. Etwas aus ihm hervorzuholen, das er fast vergessen hatte. „Ich bin für meine Unberechenbarkeit bekannt." Rutschte es ihm beinahe sprachlos über die Lippen. Sofort bereute er den Satz. Er wollte nichts aus dieser Welt an sie heran lassen. „Sie schauen einfach nicht genau hin. Das ist alles. Aber es ist wohl gut so, sonst würdest du heute nicht vor mir sitzen oder?" Sie sah ihn so erleichtert an, das es selbst ihm richtig vor kam, das er hier war. Das er letzte Nacht die Warnung ernst genommen hatte, und das Hotel verlassen hatte. Ihr auf ihrem Weg in der Nacht zu folgen. Zu ihr zu gehen, als sie Nana fand. Hier zu bleiben. „Naia, warum willst du mich nicht aufgeben." Es war die Frage, die er am wenigsten verstand. „Du hast von Rojo gehört. Jacob hat es mir erzählt. Du weißt was ich getan hab. Also warum? Ich hab mich jahrelang nicht gemeldet." Er musste es einfach wissen. Es war als würde ihm diese Antwort die Entscheidung nehmen, wie es weitergehen sollte. Ob er sich einfach über ihren Willen hinwegsetzte und sie fort bringen ließ. Naias Augen sahen zu ihm, ehe sie lächelnd in die Ferne blickte. Sachte die Decke von sich schob und aufstand. Ohne seine Frage zu beantworten lief sie zu ihrem Zimmer nur um wenig später mit der Spiegelreflexkamera zurück zu kommen. Sie stellte sie auf den Tisch, als würde das alles erklären. „Ich habe eine Gegenfrage. All die Jahre geschahen die seltsamsten Dinge. Das Geld für eine Kamera kam per Post. Junkies, die den Umsatz des Cafes bedrohten, verschwanden von einem Tag auf den anderen. Jemand zahlte Nanas Arztkosten. Sunburn wurde sicherer. Wir hatten immer das Geld um das Schutzgeld zu bezahlen. Die Blumen zu meinem Geburtstag. Ich könnte ewig weitere Dinge aufzählen." Sie hatte noch immer nicht zu ihm gesehen, doch jetzt wendete sie den Kopf und dort waren Augen, die alles durchleuchteten. „Ich will es nicht beschönigen. Rojo hat Dinge getan, die unverzeihlich sind. Aber du hast es für uns getan. Für deine Familie. Du hast uns nicht vergessen und ich wollte dich nicht vergessen, denn du hättest nichts davon getan, wenn es nicht um uns gegangen wäre. Ich hätte nicht sagen dürfen, das ich für Nana bleibe." Arran sprang von seinem Platz auf. Er machte einen Schritt auf Naia zu und umgriff ihr Handgelenk. „Naia. Das ist nicht deine Schuld! Ich hab die ganze Scheiße getan!" „Hast du sie genossen?" Sie sah auf, als brauchte sie die Antwort gar nicht. Als wusste sie sie. Sie wollte, das er es selber begriff. Er konnte es nicht aussprechen. Nicht, weil er es genossen hätte, sondern weil es ihm das Gefühl gegeben hätte, nichts falsch gemacht zu haben. Das hatte er. Er hatte viel Falsch gemacht. „Trotzdem trägst du keine Schuld." Brachte er heraus und sie lächelte traurig. „Die Menschen können dir sagen, das du keine Schuld trägst, aber Schuld ist nichts, was man wegreden kann. Es ist etwas, das jeder für sich alleine fühlte. Arran. Du hast dich verloren. Über all die Jahre hast du den richtigen Weg aus den Augen verloren. Hast die falschen Entscheidungen getroffen, doch ich weiß, das dort tief in dir noch immer Arran ist. Und ich glaube an diesen Arran." Für einen Moment blieb ihm die Luft weg. Langsam ballten sich seine Hände während Tränen sich aus seinem tiefsten Inneren bahnten. Er war zu Rojo geworden. Jemand, der nicht weinte. Als brauchte er einen Anker in seinem Leben. Als wäre sie sein Anker, trat er vor und schloss sie in seine Arme. Hastig und viel zu stürmisch. „Naia, lass uns von hier verschwinden. Lass uns gehen. Es wird nicht sofort gehen. Es wird schwer werden, aber ..." Er stockte und sie erwiderte seine Umarmung. „Aber du möchtest raus. Du möchtest wieder du selbst werden?" Fragte sie verstehend und er nickte an ihrem Haar. „Ja." Wieder er selbst werden. Es waren so schöne Worte. Er fühlte sich ihnen nicht würdig. Er konnte nicht glauben das es einen Weg zurück gab, doch jetzt wollte er ihn finden. Er wollte es wenigstens versuchen. Für sie.

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now