Kapitel 55

3 3 0
                                    

Tomás sah zufrieden aus, als er Richtung Tür blickte. „Sagt Azul er soll sich abreagieren. Und startet den Beamer." Beamer, dachte Arran verwirrt. Naia sah noch immer auf den Boden hinab. Jemand verschwand um mit einem Laptop wieder aufzutauchen. Er schaltete ihn an und steckte ein kleines Gerät in die USB Buchse. Es war im Grunde nicht mehr als ein großer Knopf. Jemand anderes aktivierte den Beamer an der Decke. Arran hatte noch nichtmal Zeit gehabt den Beamer zu bemerken. „Celestia. Das war wirklich hervorragend. Deswegen möchte ich dir etwas zeigen. Ich weiß meine Mutter wollte dich von der Vergangenheit fernhalten. Ich aber möchte, das du dich an sie erinnerst. Ich werde dir deinen Vater zeigen." Naia hob mit großen Augen den Kopf. Dort war eine Mischung aus Angst und Neugier in ihrem Gesicht. Sie sah zu Tomás während ein Dritter hinter ihm die Leinwand herunter zog. Tomás saß noch immer im Weg und so hatte er die Güte von seinem Platz zu weichen und den Blick frei zu geben. Der Kerl mit dem Laptop drückte den ominösen Knopf und sein Bildschirmbild tauchte augenblicklich an der Leinwand auf. Es waren ein paar Klicks am Laptop bis das Bild einer glücklichen Familie in die Kamera blickte. Dort stand ein Mann Ende 30. Er hatte braunes Haar und die selben braunen Augen, wie Tomás. An den Schläfen konnte man bereits Geheimratsecken erkennen. Es wäre wohl auch bei Marco nur noch eine Frage der Zeit gewesen bis er eine Halbglatze gehabt hätte. Marco strahlte stolz. Neben ihm stand eine deutlich kleinere Frau mit blonden Haaren und einem sanften Gesicht. Sie wirkte müde, aber lächelte mit einem kleinen Bündel in den Händen. Scheinbar war Naia gerade erst geboren worden. Es musste ein Bild kurz nach der Entbindung gewesen sein. Das nächste tauchte auf. Dort waren wieder Marco und Holly. Sie saßen im Garten auf einer Terrasse während ihre kleine blonde Tochter im Sandkasten buddelte. „Nicht viele haben diese Bilder zu Gesicht bekommen. Marco hatte immer darauf geachtet, sein Privatleben für sich zu behalten. Zum Schutz von Holly und Celestia. Nach ihrem Tod ließ ich die Bilder herbringen und verwahren. Selbst ich habe sie lange nicht gesehen." Tomás wirkte zum ersten Mal wirklich nachdenklich. Sah selbst zu den Bildern. Ein anderes Foto zeigte Tomás mit seinem Bruder. Beide im Anzug. Tomás saß am Schreibtisch während Marco lässig gegen den Tisch lehnte. Die Arme verschränkt. Arran sah gebannt auf die Bilder und dann zu Naia. Für einen Moment musste er entgegen der Situation lächeln. Naia klebte an den Bildern. Sicher hatte sie geahnt das Nana sie davon fernhalten wollte. Sicher hatte sie nie gefragt, doch sie hatte ihre Eltern immer sehen wollen. „Aber ich bin auch hier um dir deinen wahren Vater zu zeigen. Etwas das er vor Holly verbarg. Sein und dein wahres Potenzial. Startet das Video." Der Mann am Laptop nickte und klickte auf ein paar Tasten, bis ein Video abgespielt wurde.

Es zeigte irgendeinen namenlosen Mafioso, der an einem Stuhl gefesselt war. Die Tür öffnete sich und Marco trat ein. Er lächelte sanft. Er war hübsch. Jünger als in den Bildern und kaum das er den Raum betrat, hatte er ihn bereits eingenommen. Selbst in einer Menge würde jemand wie er auffallen. "Guten Tag mein unbekannter Freund." Sagte Marco galant und schloss die Tür hinter sich. Der Kerl sah auf, doch er presste sofort die Lippen zusammen. "Nicht so schüchtern. Ich beiße nicht. Es dürfte auch nicht wehtun. Ich mag brutale Verhöre nicht, musst du wissen." Marco trat langsam näher und blieb vor dem Kerl stehen. Dort war nur noch ein weiterer Stuhl und Marco setzte sich aufrecht auf diesen. Sein Blick voll Selbstbewusstsein. Keine Wache war mit ihm in dem Raum. „Was hältst du davon, wenn wir reden?" Fragte Marco aufgeschlossen, während sich die Augen des Fremden weiteten. Er versuchte sich gegen die Fesseln zu wehren, doch er entkam nicht. Man konnte ihm ansehen, das er Angst hatte. Große sogar. Plötzlich riss er den Mund auf. "Ich rede nicht!" Marco hörte es und nickte. „Ich weiß. Das sagt ihr immer. Aber ich fürchte das stimmt nicht. Es gibt tatsächlich wenige, die man niemals zum reden bringen kann. Du, mein namenloser Freund, bist keiner von ihnen." Die Augen des Mannes weiteten sich fassungslos. „Weißt du. Sätze wie >Ich werde nicht reden<, oder >Mich wirst du nicht brechen<, benutzen wir viel zu oft. Sie sind ein reiner Impuls. So schnell gesagt und doch so falsch." In aller Ruhe zog Marco eine Zigarette aus einer Schachtel und zündete sich eine Kippe an. Nahm einen tiefen Zug und bließ den Rauch dann zur Seite weg. "Du kannst mich nicht brechen!" Wieder lächelte Marco verständnisvoll. „Du sagst es zu schnell. Zu hastig. Du bist selbst nicht davon überzeugt. Du versuchst dir mit den Sätzen Mut zu machen. Es hilft nicht. Deine Stimme zittert, fast unhörbar, aber ich höre es. Du hast nicht Angst, das ich dir Schmerzen zufüge, sondern das ich jedes deiner kleinen Geheimnisse lüfte. Weiß deine Frau, das du ihr fremd gehst?" Fragte Marco lächelnd. Ruhig. Immer wieder einen Zug rauchend. Wieder rissen die Augen des Mannes auf. „Jaja. So ist das mit der Wahrheit. Es ist erschreckend, wenn man durchschaut wird nicht? Dein Ring mein lieber Freund. Du ziehst ihn oft aus und wieder an. Wollen wir wetten, das die Unterseite regelrecht blank poliert ist? Ich sehe es blitzen." Die Augen des Mannes glitten zu seinem Ring und dann wieder hoch zu Marco. Entschlossen sagte er nichts. „Wusstest du das meine Wahrheit, die wirkliche Wahrheit ist? Selbst die, die du dir selbst nicht eingestehst." Marco saß ruhig da, während der Kerl versuchte sich mit aller Gewalt von den Ketten zu befreien, die ihn am Stuhl fesselten. "Oh ja. Flucht ist tatsächlich das erste, das alle Versuchen, wenn sie mich kennen lernen. Eine durchaus dumme Idee. Du solltest dir anhören, was ich längst über dich weiß. Nicht das du hier entkommst und dein schlimmster Alptraum wird Wahrheit." Tatsächlich stoppte der Mann. Arran hörte diese Worte und er fragte sich, was würde er tun, wenn man ihn mit der Wahrheit drohte. Marco klang so freundlich und doch strahlte er einen unglaubliche Gefahr aus. Wie hätte er reagiert? Langsam wurde ihm wieder seine eigene Situation bewusst. Kannte er die Antwort nicht? Saß er wegen der Wahrheit nicht selbst hier auf diesem Stuhl. Kurz sah Arran zu Tomás. Marcos Taktik. Sie musste berüchtigt gewesen sein und Tomás imitierte seinen Bruder. Sicher wäre es auch beeindruckend Marco selbst getroffen zu haben. Hatte Blanco deswegen die beiden Brüder töten lassen? Bevor Marcos Einfluss so massiv wurde, das er Blanco ausschaltete? Marcos nächste Worte verdrängten diese Gedanken. Es war als musste man Marco einfach zuhören. „Du weißt natürlich was zu tun ist, um all das zu verhindern, nicht wahr? Ich will wissen wo Sergio gefangen gehalten wird. Und wir haben es ja schon geklärt. Ich weiß das du reden wirst, wenn ich dir die Wahrheit aufzeige. Warum also verkürzen wir das alles nicht?" Doch noch immer sagte der Mann nichts. Nein er presste sogar lieber die Lippen fest zusammen um nicht noch einmal einen falschen Satz zu sagen. "Aja. Das Schweigen. Das folgt oft auf den Fluchtversuch. Sag mal. Liebst du deine Familie mein unbekannter Freund?" Es war nur für einen Bruchteil eines Momentes. Der Fremde presste die Lippen noch ein wenig fester zusammen und Marcos lächelte wissend. "Wusstest du das Menschen, wenn sie Angst haben, das ihnen die Wahrheit über die Lippen kommt, vergessen wie man mit Mimik lügt? Und ich bin äußerst geschickt darin diese zu lesen. Du hast also Familie? Sicher hast du Kinder? Ja. 2? Nein? 3? Oh und einen Jungen? Dein Liebling? Nein. Also deine jüngste Tochter? Ja? Oh Papas kleine Prinzessin." Mit jedem Satz den Marco sprach wurde dem Fremden unwohler, weil Marco Dinge erriet, die man unter normaler Folter einfach verschweigen konnte. Oder man konnte Lügen. Doch was war, wenn einem jede Lüge genommen wurde? Wie lügte man dann? Wie sammelte man seinen Willen und durchstand die Folter? "Ich kenne das nur zu gut. Seinen kleinen Engel will man immer in Sicherheit wissen. Nicht wahr?" Plötzlich riss der Mann den Mund auf. "Sie hat nichts damit zu tun! Töte mich! Aber lass sie!" Sprach der Mann mit einer Mischung aus Verzweiflung und Panik. Sein Gesicht wurde immer fahler. "Aber nicht doch. Sterben? Dann hätte ich nicht den Ort und das kleine Mädchen wäre traurig." Marco zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, ehe er sie einfach fortschnippte. „Es ist wirklich traurig mein Freund. Du wolltest nicht, das sie in Gefahr gerät. Du hast deine kleine Prinzessin seit Jahren nicht gesehen. Deine Frau hat sie zu Verwandten geschickt. Tragisch. Und diese Schuld in dir. An deine zwei Söhne denkst du fast gar nicht." Langsam griff Marco unter sich und zog einen Block mit Stift hervor. Er begann etwas darauf zu schreiben. „Wie deine Tochter wohl heißt? Sollen wir das Geheimnis zusammen lüften, mein stiller Freund? Außer natürlich, du verrätst mir was ich wissen möchte." Noch immer schwieg der Mann, bis Marco den Block hochhob und ihm den Mann vor die Nase hielt. Es war als wurde der Mann binnen Sekunden zu einem Geist. „Ah bin ich nicht gut im raten? Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder, du sagst mir wo Sergio ist, oder ich muss das Spiel hier weiter treiben, bis wir jedes Detail deiner Geheimnisse gelüftet haben. Was wohl deine Tochter über deine Sex Vorlieben denkt? Du bist so unterwürfig. Wirst du gern dominiert? Da muss man ständig Stärke zeigen in unserem Milieu und dann braucht man etwas Abwechslung. Willst du, das ihre kleine Welt mit all diesem Wissen zerstört wird, bevor wie sie zerstören? Rede, wenn nicht. Wenn ich diesen Raum in den nächsten 5 Minuten ohne den Ort verlasse, dann fürchte ich, wird deiner Prinzessin die Hölle auf Erden widerfahren. Das wird sicher ein wundervolles Leben, mein unbekannter Freund. Deine Wahl." Der Mann starrte Marco mit riesigen Augen an, ehe er den Kopf hängen ließ. Von seiner eigenen Schwäche verstört. "Du bist ein Monster." War das erste, das der Mann endlich von sich gab. Die ersten Worte, in denen er genau das sagte, was er auch hatte sagen wollen. "Die Leute denken immer, weil ich nicht kämpfe, wäre ich schwach. Aber man wird nicht eine Säule von Las Floras, wenn man schwach ist. Man wird es, weil man mit eines der grausamsten Monster ist, die es auf dieser Welt gibt. Wenn dir das nicht klar war, hättest du nie zur Mafia sollen. Also. Schwörst du mir zu erzählen was ich wissen will und Las Floras nie wieder zu schaden?" Der Mann sah nicht mehr auf. "Ich schwöre." Und sie Beide wussten, das war die Wahrheit.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoDonde viven las historias. Descúbrelo ahora