Kapitel 55.1

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Das Video stoppte und eine Stille erfüllte den Raum. Sicher waren auch die anderen Wachen noch nie in den Genuss dieses Videos gekommen. Arran war beeindruckt, doch mit einem Blick auf Naia wusste er, das sie verstört war. Das sie geschockt war, was ihr Vater aus seinem sogenannten Potenzial gemacht hatte. Arran hatte genug Menschen gesehen um zu wissen, das Marco diese Verhöre genoss. Das er die Macht genoss. Wie war es, wenn man fern ab von dieser Welt aufwuchs und zu erleben, was für ein wahrhaftiges Monster der eigene Vater gewesen war. Nichts daran spiegelte Naia wieder und Tomás wollte ernsthaft, das sie so wurde. Naias ganzer Körper zitterte und sie presste die Augen zusammen, weil sie kurz davor war in Tränen auszubrechen. „War mein Bruder nicht umwerfend? Einfach berauschend. Ich habe seine Arbeit so oft bewundert und doch war ich immer wieder überrascht. Er durchschaute alles und jeden. Da fragt man sich wie Blanco uns Beide reinlegen konnte. Nicht wahr?" Diese Worte: Nicht wahr. Naia tat es. Marco hatte es getan und auch Tomás imitierte seinen Bruder. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte er immer so sein wollen wie sein Bruder. Hatte ihn beneidet. Selbst Arran konnte das durchschauen. „Ich verrat es dir kleine Celestia. Damit dir nicht das Gleiche widerfährt. Damit du uns erhalten bleibst. Du warst es. Mit deiner Geburt wurde Marco schwach. Nachlässig. Unaufmerksam. Hatte nur noch seine Tochter im Sinn. Bis die Mörder kamen und sein Leben aushauchten." Arran schluckte schwer, als er diese Worte hörte. Sie bewiesen, das Tomás keine freundlichen Onkelgefühle für Naia hegte. Er verabscheute sie. In seinen Augen war sie der Grund für den Untergang seines Bruders. Einen Bruder, den er vergöttert hatte. Vermutlich noch immer vergötterte. Tomás trat zu Naia und sofort zuckte sie zusammen. Doch er packte einfach ihr Gesicht und zwang sie aufzublicken. „Du wirst dafür büßen Celestia. Naia, oder Rojos Cielo. Nenn dich wie du willst. Das ist mir egal. Aber du wirst den Platz einnehmen, den wir mit Marcos Tod verloren haben. Du wirst er werden und sein Lebenswerk zu Ende führen." All diese Worte unterstrichen, wie geisteskrank Tomás war. Für ihn war Naia nicht mehr als ein Werkzeug, obwohl sie die Tochter seines vergötterten Bruders war. Der einzige Grund, warum er sie leben ließ, war, das er ihr Talent nutzen wollte. Nur deswegen hatte sie es wagen können zu reden. Nur, weil er sie brauchte. „Bereite dich darauf vor Celestia. Darauf seinen Platz einzunehmen und du solltest beten, das du auch in einem Verhör sein Talent beweisen kannst. Oder du wirst deine Familie verlieren, so wie ich meine verloren habe." Endlich ließ er ihr Gesicht los und wandte sich ab. „Bringt sie fort. Zwei Zellen gegenüber." Das war alles. Jemand klopfte gegen die Tür und mehr Wachen traten ein. Jemand stülpte Arran wieder einen Sack über. Ein anderer presste ihm den Lauf eines MG's in den Rücken. Man befreite Arran vom Stuhl, nur um ihn mitzuschleifen. Nichts zu sehen, störte seinen Orientierungssinn. Alles was er fühlte, war der Zug an ihm. So sehr, das er fast das Gleichgewicht zu verlieren drohte. Da ihm nur sein Gehör blieb, versuchte er einzuschätzen wo Naia war. Er hörte Schritte hinter sich. Ein Beinpaar schien mehr über den Boden zu stolpern, als zu gehen. Naia war in seiner Nähe. Er überlegte, ob er kämpfen sollte. Doch er wusste, das er gerade keine Chance hatte. Der Lauf drückte sich noch immer in seinen Rücken. Er fand kaum halt. Es wäre ein sinnloser Versuch, sich und Naia zu befreien. Er fühlte Treppen und die Luft wurde etwas kühler. Wie in einem schlechten Film befreite man Arran von den Fesseln und stieß ihn in einen Raum hinein. Er hörte wie eine metallische Tür sich schwerfällig schloss. Sofort griff Arran nach dem Beutel auf seinem Kopf, als er Naias erschreckten Aufschrei hörte. Endlich sah er wieder etwas und wirbelte herum, beobachtete noch wie Naia achtlos zu Boden geworfen wurde. Dort war sie. Auf dem Gang gegenüber in einer Zelle. Sie hatte genauso wenig Einrichtung wie er. Eine einfache Pritsche, künstliches Licht und Kameras an der Decke. Mehr hatte ihr neuer Ort nicht zu bieten. Langsam trat Arran näher an den Gang. Spürte bereits die Stäbe an seinem Körper, während er Naia nicht aus den Augen ließ. Er sah ihr Zittern, er hörte ihr Schluchzen und er konnte fast nichts tun. „Naia. Bitte. Sieh mich an." Bat er sanft. Er versuchte stark zu wirken, damit sie sich beruhigte, doch es dauerte eine ganze Weile, bis sie endlich aufblickte und er ihre blauen Augen zu Gesicht bekam. „Naia. Hör mir gut zu. Wir werden das hier schaffen. Aber bis dahin. Bitte. Tu was sie von dir verlangen." Er wollte es nicht. Er wollte nicht, das sie wie er werden musste. Wie Marco. Wenn Arran könnte, er würde sie weit weg bringen. Doch weder Blanco noch Tomás würden ihm das ermöglichen. Er war nicht in der Lage Naia davor zu bewahren, Dinge zu tun, für die sie nicht gemacht war. Er konnte nur hoffen, das sie durchhielt, bis er einen Weg hier heraus gefunden hatte. Solange würde er in diese traurigen blauen Augen blickten und ihr zu Lächeln, weil das alles geworden war, was er tun konnte.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now