Kapitel 56

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Müde saß Arran auf seiner Liege und lehnte an der Wand. Sein Gefühl sagte ihm, das es gerade Nacht war. Es war schwer abzuschätzen in dieser von künstlichen Licht erfüllten Zelle. Es gab weder Uhr noch Fenster. Sein Kopf sagte ihm er solle schlafen. Vorsichtig drehte er den Kopf und sah in die Zelle ihm gegenüber. Naia hatte sich auf der Pritsche zusammengerollt und schlief. Er sollte auch. Das wusste er. Doch er konnte nicht. Unruhig tippte er mit seinen Fingern auf dem Untergrund herum, während er versuchte tief ein und aus zu atmen. Sich zu beruhigen. Er spürte sein Herz rasen. Seine Haut war feucht vom Schweiß. Ruhelos kaute er auf seiner Unterlippe herum. Sie schmerzte längst, doch er machte einfach weiter. Er versuchte irgendwie ruhig zu bleiben, doch er war es nicht. Ein Schüttelfrost zog über ihn hinweg. Er hielt es nicht mehr aus und stand auf. Tigerte die Zelle auf und ab. Es war als wurde die Zelle immer kleiner. Seine Augen streiften durch das wenige im Inneren. Dann zu Naia und wieder durch die Zelle. Innerlich sah er die Kommode vor seinen Augen. Wusste was dort verborgen war und der Gedanke fraß ihn fast auf. Er hatte immer gewusst, das es ihn irgendwann hart erwischen würde. Dafür das er diesen Weg eingeschlagen hatte. In diesem Moment zerstörte es ihn fast. Wieder tigerte er auf und ab. Dann blieb er schlagartig stehen, ballte die Faust. Er holte aus und schlug zu, doch er stoppte Millimeter von der Wand entfernt. Eine solche Aktion würde seine Hand verletzten. Ein letzter klarer Gedanke erinnerte ihn daran, das er sie noch brauchen würde um Naia zu retten. Auch wenn sein gestresster Geist nicht wusste wann und wie. Stattdessen drückte er seine Faust so fest zusammen, das er seine Fingernägel spüren konnte. Es half kaum, um diesem nagenden Gefühl in seinem Inneren zu entkommen. „Arran." Wie von Sinnen wirbelte er herum. Bereit anzugreifen, nur um langsam zu erkennen, das es Naias Stimme gewesen war. Seine Augen huschten zu ihrer Zelle herüber und dort lag sie. Sie hatte nur den Kopf gehoben, aber als sie ihn in dem Licht erblickte, richtete sie sich müde auf. „Schlaf weiter." Antwortete er ihr ungewollt schroff. Es hasste sich in diesem Moment selber. Zu spüren das er es nie unter Kontrolle gehabt hatte. Das es nur ab und zu mal gewesen war. War es nicht. Er war verdammt nochmal süchtig und er wollte so nicht gesehen werden. Nicht von ihr. Doch sie wandte sich nicht ab und schlief weiter. Stattdessen setzte sie ihre Füße vorsichtig auf den Boden und lief zu den Gitterstäben. In ihrem Blick lag Mitleid. Er hatte es nicht verdient. Das wusste er. Er hatte sich doch ganz allein für diesen Scheiß entschieden. Er ertrug ihren Blick nicht und drehte ihr einfach den Rücken zu. Ob es ihm half, sich ab zu lenken? „Hast du dich beruhigt?" Fragte er an die Wand gerichtet. Sah nicht ihr Kopfschütteln. Wenigstens stellte er sich vor das sie nickte. „Mhm. Immerhin bin ich hier nicht allein." Für einen Moment schenkten ihm die Worte ein schwaches Lächeln, doch es wurde von seinen ruhelosen Gedanken überlagert. Verschwand woher es gekommen war. „Ohne mich wärst du niemals hier gelandet.." „Ohne dich hätte er mich früher gefunden." Stimmt. Es war nicht Rojos Schuld. Sie hatte ein Bild hochgeladen ohne von den Folgen zu wissen. Wenn Arran ehrlich war, er hätte damals um jeden Preis das Hotelzimmer bei Blanco verlassen. Jetzt wusste er, das jeder Preis eine Lüge war. „Bei Lirio war es besser mh?" Brachte er mühselig über sich. Er hätte sie wenigstens an sich drücken können. Es hätte nichts an der Gefahr für sie geändert, doch sie hätte sich getröstet gefühlt. Noch immer in Schweiß gebadet, wandte er sich ihr endlich wieder zu. „Arran.." Er sah, das sie nicht lächelte. Sein Versuch die Situation aufzuheitern war kläglich gescheitert. „Es ist meine Schuld." Brachte sie endlich hervor. Ihre Finger umschlagen die Gitterstäbe. Ihr Blick wurde so verletzlich. „Das Bild mit Nana. Sie wollte nicht. Hätte ich sie nicht gezwungen. Sie.." Naia brach ab, doch Arran wusste was Naia sagen wollte. Sie würde noch leben, hätte es dieses Bild niemals gegeben. „Naia. Hätte Nana es dir ehrlich erzählt, wäre es auch nicht passiert. Du wusstest es nicht. Sie hätte auch einfach beim Einkaufen erkannt werden können. Mit Mortes Vormarsch in die Randgebiete. Es war nur noch eine Frage der Ze-" Arran brach ab, als ihm schwindlig wurde. Sein Kreislauf schwächelte. Wenn er nur gewusst hätte, was er hier durchmachen würde. Er hätte damals versucht auch ohne das Zeug mit seinen Sünden klar zu kommen. Er lehnte sich erschöpft gegen die Wand. „Arran! Bitte. Helft ihm!" Rief Naia in den Gang. Jetzt lächelte er doch. Rutschte langsam die Wand hinab und lehnte seinen heißen Kopf dagegen. „Sie werden nicht kommen Naia. Ich schaff das. Mach dir keine Sorgen. Das ist nur ein Entzug." Er hob seine Hand um sie über seine Augen zu legen. Das blendende, stechende Licht loszuwerden. Es half, wenigstens ein wenig. „Aber ich mache mir Sorgen. Arran. Ein Entzug. Ich habe Reportagen gesehen. Das kann alles mit einem machen!" Er wusste ihre Sorge zu schätzen. Immerhin sorgte es dafür, das Naia sich keine weiteren Vorwürfe wegen Nanas Tod machte. Es gab zu viele Wenn aber in dieser Geschichte. Es gab so vieles was hätte schief gehen können. Es war wohl auch Glück das Blanco Naia nicht erkannt hatte. Hatte er Marcos Tochter einfach nicht auf dem Schirm gehabt? War sie für ihn in Vergessenheit geraten? Eine von tausenden Toten? Egal was es war. Arran war froh, das nicht auch noch Blanco Naia erkannt hatte oder diese Celestia in ihr. Müde hob er den Arm und drehte Naia den Kopf zu. „Es wurde eh mal Zeit dafür. Es weiter zu nehmen, während du da warst. Scham ist kein Ausdruck für das, was ich empfand." Er sah wie sie traurig nickte. Natürlich wusste sie es. Jeder musste es ihm angesehen haben. Dieser Ekel, den man vor sich selbst empfand. Es war ok, während es niemanden kümmerte. Doch Arran wusste, das es Naia interessierte. Besorgte. Beschäftigte. „Ich werde deinem Werewolf ähnlicher." Sagte er plötzlich mit einem Grinsen auf den Lippen. Fast schon stolz für diese Erkenntnis, die es irgendwie durch seinen Geist schaffte. Ein Geist, der nur an die Droge denken konnte. „Dem alten Arran?" Fragte Naia verblüfft und Arran schüttelte den Kopf. Licht blitzte in seine Augen und er schob seinen Arm wieder darüber. „Nein. Taylor. Dieser Werewolf. Wenn er sich verwandelt, durchlebt er auch eine schmerzhafte Zeit mit Hitzen." Zu gerne hätte er Naia jetzt angesehen, doch er schaffte es einfach nicht. Sein Herzrasen wurde immer schlimmer. Er hatte das Gefühl es nicht mehr lange zu machen. Es wäre eine erbärmliche Art zu sterben. „Du kennst Taylor?" Fragte Naia verblüfft. Arran nickte. Redete einfach weiter um die Schmerzen des Entzugs einfach zu ignorieren. „Ich hab ihn gesehen. Ich wollte es wissen. Ehrlich gesagt. Ich war geschockt. Diese Bella. Am Ende ist ihr Werewolf nicht mehr als ein Schosshund und der Vampir kriegt sie." Er hörte sogar, wie sie leicht lachte. „Dachtest du unser Jacob ist der Vampir?" Das war eine Frage, wie ein Faustschlag. Doch was spielte es jetzt noch für eine Rolle? „Eine Zeit lang ja. Aber dann habt ihr euch getrennt. Danach wurde mir langsam klar, warum Werewolf." Er kippte den Kopf zu ihr und unterdrückte die Kopfschmerzen, als er das Licht wieder sah. Stattdessen betrachtete er sie und lächelte. „Dieser Werewolf in deinem Film war immer an ihrer Seite. Er hat alles für sie getan und er liebte sie. Du wusstest es. Damals schon. Lange bevor ich es selbst auch nur ahnte. Du hast nur darauf gewartet, das es mir selbst klar wird." Es war so offensichtlich, wenn man es einmal durchschaut hatte. „Und der Werewolf sieht eindeutig besser aus." Sagte er noch stolz, als wäre das allein sein verdienst. „Und mit dem Vampiren, hat sie den falschen genommen." Fügte sie noch hinzu. Etwas, das wohl viele oft gedacht hatten. Auch er selbst. „Vielleicht bin ich doch eher der Vampir." Überlegte er laut, doch sie schüttelte den Kopf. „Niemand hat mehr für seine Liebe in Kauf genommen, als der Werewolf. Obwohl er nicht einmal etwas davon hatte. Obwohl er sie nicht gekriegt hat. Obwohl er damit mehr litt, als hätte er ganz aufgegeben." Langsam weiteten sich seine Augen und für einen Moment vergaß er all die Schmerzen und seine Schwäche. Ihre Worte halten in ihm wieder. Ihm wurde etwas klar. Er hätte es tun sollen, all die Zeit. Er war noch immer vor seinen Gefühlen weggerannt. Aus Angst vor etwas, dessen Ursprung er selber nicht kannte. Es hatte schon so viele Situationen gegeben in denen er hätte sterben können. Er hatte in so vielen Momenten seinen Tod in Kauf genommen. Wollte er es nicht wenigstens einmal sagen? Sich einmal laut eingestehen. „Naia." Fing er endlich an. Obwohl ihm schlecht wurde, stand er auf und trat an die Gitterstäbe heran. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding und sein Herz raste noch immer. Die Lichter schmerzten in seinen Augen, doch für einen Moment, war dort nur sie. Alles andere vergessen. „Ich liebe dich." Sie standen sich gegenüber. Getrennt durch Gitterstäbe und einem Gang, doch für einen Moment verschwand all das um sie herum. Sie wirkte unsicher und eine Mischung aus Freude und Unsicherheit lag auf ihrem Gesicht. Er schüttelte den Kopf. „Es ist ok Naia. Es ist ok wie es ist. Auch ich kann ab und zu die Wahrheit sehen. Ich liebe dich und ich warte. Egal wie lange." Tränen bildeten sich in ihren Augen, ehe sie schluckte und endlich nickte. Sein Herz wurde ihm leichter, als er die Freude auf ihrem Gesicht erkannte. Er wusste, das er noch immer nicht an sein altes Ich heranreichte. Das sie zwar Rojos Cielo werden wollte, aber noch nicht geworden war. In diesem Moment war es ihm egal. Alles was er wollte, war endlich zu seinen Gefühlen zu stehen. Es nicht mehr für sich zu behalten. All die Zeit hatte sie darauf gewartet. Nun war es an ihm zu warten. Zu warten, bis auch sie ihn liebte, so wie er geworden war.

Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now