Kapitel 65

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Mit einem Schlag waren sie wieder alleine. Arran sah zu Naia, doch diese stand auf und lief zum bodentiefen Fenster herüber. Blickte hinaus und auch Arran folgte ihrem Blick. Erst jetzt erkannte er, das sich der Tag zum Abend neigte. Die Sonne sich längst zum Horizont gesenkt hatte und das Meer genauso rot leuchtete, wie der weite Himmel. Ein Abendrot mit Blick auf das Meer, dort wo die dunklen Schatten der Nacht bereits das Wasser küssten. Selbst Naia leuchtete in diesem wunderschönen tiefroten Licht. So stand auch Arran auf und trat an ihre Seite. Gönnte sich einen Moment den roten Himmel zu bewundern. Seinen roten, wunderschönen Himmel. Für Augenblicke schwiegen sie einfach. Genossen diesen ruhigen Moment, wissend, das sie das darauffolgende Gespräch nicht mögen würden. Dann, mussten sie sich entscheiden, wie es weiterging und egal welche Entscheidung sie trafen. Egal, ob sie flohen und fürchteten verfolgt zu werden, oder blieben und Arran den Kampf einging. Keine der beiden Optionen würde für sie ein leichter Weg werden. Keiner der Beiden war ungefährlich. Arran nutzte den ruhigen Moment um sich selbst zu sammeln. Was wollte er? Wollte er wirklich kämpfen? Er hatte sich geschworen, sofort mit ihr zu verschwinden, wenn sich die Chance bot. Das hier war diese Chance und wenn er sich nicht beeilte, würde er sie verspielen. „Du willst kämpfen." Sagte Naia plötzlich in die Stille hinein. Arran sah auf. Schreckte aus seinen Gedanken. Sein roter Himmel hatte sich umgedreht und sah zu ihm hinauf. Rote Schatten lagen auf ihrem Gesicht und ließen ihr blondes Haar orange leuchten. Ein Impuls in ihm wollte zu ihr treten und ihr Haar berühren, doch etwas hielt ihn ab. Ihre Worte. Wollte er kämpfen? Eine Welt ohne die Syndikate von Lirio und Mortes. Ohne all die Reste von Las Floras. All die Jahre hatte er für die Sicherheit Sunburns gekämpft. Dort waren alle Menschen, die ihm einmal etwas bedeutet hatten. Cesco, Jacob, Kiki, sein alter Fußballtrainier Olivier, der Slushyeisverkäufer Louis vom Rummel und viele mehr. Er hatte so viel geopfert um sie alle in Sicherheit zu wissen. Eine Stimme in ihm sagte ihm, das es genug war. Er hatte genug für alle geopfert. Es reichte. Er hatte ein Recht darauf zu gehen. Doch dort war auch eine andere Stimme. Ein kleiner Teufel oder Engel – wer wusste das schon – der ihm zuflüsterte, das er es fast geschafft hatte. Was war, wenn sie Milestone endlich retten könnten. Unser. Hatte dieses unbewusste Wort nicht alles verraten, was er wirklich dachte. Eine Wahrheit, die er zu dem Zeitpunkt selbst nicht gekannt hatte? Wollte er kämpfen? Den Traum von Marco und seinem Vater wahr werden lassen? Ein Milestone ohne Mafia. Es würde keine Tragödien mehr geben, wie er sie selbst mit Ethan erlebt hatte. Oder wie all die anderen in diesem Haus mit ihm. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr wusste er, das Naia die Wahrheit sagte. Er wollte kämpfen. Er wollte all das hier beenden. Er wollte das sie irgendwann in Frieden leben konnte. Ob hier oder irgendwo. Hauptsache er musste nicht die Rache von Blanco und Tomás befürchten. „Wenn ich dich in ein Zeugenschutzprogramm bringe. Würdest du gehen?" Er sah auf und direkt zu Naia und diese zu ihm zurück. Er sah, wie sie den Kopf schüttelte. „Du sagtest einmal du bist egoistisch, weil du selbst wenn ich Rojos Cielo bin, mich immer als deinen roten Himmel sehen wirst." Naia wandte sich ab und sah wieder zum Meer hinaus. Die Sonne war längst so tief, das ihr Rot die Farbe von Blut anzunehmen schien. „Würde ich in das Zeugenschutzprogramm gehen, dann könntest auch du dich retten. Du würdest nicht kämpfen müssen. Stimmts?" Sie sah noch immer nicht zu ihm und er wusste, sie hatte recht. Er wollte für sie beide kämpfen. Dafür das Naia irgendwann in Frieden lebte. Wenn sie schon jetzt ging, dann hatte er keinen Grund zu kämpfen. Er könnte einfach verschwinden. „Aber du würdest trotzdem kämpfen." Fügte sie nach einem Moment des Schweigens hinzu, als hätte sie ihre Worte dem Moment seiner Gedanken angepasst. Ja es gab ein Aber in seinem Kopf. Was wäre wenn man sie doch fand. Wenn Blanco und Tomás fielen, dann würde wirklich niemand mehr nach ihr suchen. So wenigstens seine Hoffnung. „Es ist völlig egal, ob ich gehe oder nicht. Du wirst kämpfen. Wenn das also keine Rolle spielt, dann werde auch ich nicht gehen. Dann will ich bleiben und irgendwann zusammen mit dir verschwinden." Nun konnte Arran den Impuls nicht mehr unterdrücken. Er trat zu Naia und hob seine Hand um sie sanft an der Wange zu berühren. „Naia. Ich wollte es dir nicht sagen, aber ob du jetzt gehst, oder ob du gehst, wenn die Schlacht vorbei ist. Ich werde dich niemals begleiten können." Es waren Worte, die aus seinem Herzen sprachen. Auch eine Wahrheit, die er immer in sich getragen hatte, doch die ihm erst klar wurde, als er es jetzt ansprach. Er sah wie sich ihre Augen weiteten. „Es mag sein das du Rojo verzeihen konntest, aber die Welt wird es nicht. Du hast es allein in diesem Raum unter uns gesehen. All die Leute, die einen Hass auf mich haben. Ich werde von der Polizei gesucht. Nur in Milestone kann ich problemlos herumwandern, weil die Polizei hier keine Macht hat. Wenn wir Milestone verlassen, oder wenn die Mafia in Milestone fällt. Früher oder später, wird mich die Polizei finden. Ich werde vor Gericht gebracht und im Gefängnis landen. Und das bis ans Ende meines Lebens. Meine Zukunft wird irgendwann das Gefängnis sein." Es war die Wahrheit. Es wäre ein Wunder, wenn er sich vor der Welt für immer verbergen könnte. Naia wirkte kurz geschockt, doch dann hob sie wiederum ihre Hände und berührte sein Gesicht. „Dann kämpfen wir und dann rennen wir weg. Wir genießen jede Minute bis sie uns finden. Und wenn es soweit ist. Dann werde ich dir Kuchen mit Pfeilen ins Gefängnis bringen. Wir finden einen Weg." „Naia." Unterbrach Arran sie, doch sie ging einfach auf ihre Zehenspitzen und raubte ihm einen Kuss. Einen, den er mit riesigen Augen fassungslos und erstarrt, kaum wahrnahm. Er war so perplex, das er nichtmal reagierte. „Ich habe mich längst entschieden Arran. Es gibt nur einen Werewolf für mich und der bist du." Arran hatte gedacht seine Augen waren bereits aufgerissen, doch sie weiteten sich tatsächlich noch ein Stück mehr. „Was?" Fragte er vollkommen plump. Sein Kopf war mit einem Schlag leer, als hätte er vergessen wie man irgendetwas dachte. „Aber wie. Du hattest doch Angst vor Rojo." Sie sah ihn lächelnd an. „Es war das Singen. Nur mein Werewolf hätte das für mich getan. Und das bist du. Du bist noch immer mein Werewolf. Wir haben schon so viel gemeinsame Zeit verloren, weil wir gewartet haben. Darauf das es der andere versteht, oder es der andere akzeptieren kann. Ich habe genug vom Warten. Ich habe genug davon, mir zu denken, hätte ich es nur gesagt. Deswegen hast du es mir in den Zellen gesagt. Darum sag ich es dir jetzt. Ich liebe dich Arran." Sprachlos sah er sie an, als die Worte sich langsam durch seinen lahmgelegten Geist fraßen. Ihn erfüllten, als hätte er die Erlösung gefunden. Lirio. Mortes. Juan. Tomás. Blanco. In diesem Moment war alles vergessen. Es gab nur sie, als Arran Naia einfach an sich drückte und sie küsste. Ein Kuss, der ein Rauschen über die Lippen jagte und das Herz höher schlagen ließ. Ein Kuss, der sie fragen ließ, warum sie das niemals zuvor getan hatten. Es fühlte sich so unglaublich richtig an und Arran war es in diesem Moment egal, was er ihr damit vielleicht antat. Was für eine Zukunft ihr bevorstand. Er wollte das. Er wollte sie. Er liebte sie. Ihr Kuss hielt so lange, das ihnen fast die Luft ausging. Sie sich nur deshalb lösten und fast schon zittrig ihre Stirne aneinander lehnten. In diesen magischen Moment hinein lächelten. Fassungslos, wie perfekt sich dieser unperfekte Moment anfühlte. Die Augen geschlossen um die Nähe ganz zu spüren. Tausende Male hatten sie sich in ihrem Leben berührt. Tausende Male, in denen es sich niemals so berauschend anfühlte, wie in dem Moment, als sie es sich endlich eingestanden. Sie liebten sich und sie gehörte zusammen. Sie hatten es immer und es war egal, wie viel von ihrer Zukunft ihnen noch blieb. Sie würden jeden Moment bis dahin zusammen genießen. Selbst, wenn die Polizei ihn schnappte und er weggesperrt wurde. Es war egal. Jeder Preis war es wert, wenn sie diesen Moment dafür haben konnten.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt