Kapitel 23

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Es war das geschäftige Treiben auf den Straßen, das Arran aus seinen Träumen riss. Schon seit klein auf, nein seit dem tragischen Vorfall mit seinem Vater, hatte er einen leichten Schlaf. Bereits das leiseste Geräusch weckte ihn, doch er hatte sich längst damit abgefunden. Müde streckte er seinen Körper im Bett durch, ehe er sich langsam aufrichtete. Der kleine Radiowecker blickte ihm entgegen und verkündete ihm mit roter Schrift: Samstag, 7.34 Uhr. Naias Geburtstag. Sein eigener lag erst 5 Tage zurück. Doch er hatte ihn noch nicht gefeiert. Unter der Woche seinen 16. Geburtstag zu feiern wäre definitiv uncool gewesen. So war heute auch irgendwie sein Geburtstag. Er lächelte, ehe er sich in dem winzigen Schuppen aufrichtete. Der Schuppen bot wirklich nicht viel. Eine Lichterkette hing kreuz und quer an seiner Decke. Er hatte eine Kommode mit Kleidung. Seine Matratze lag auf Europaletten. Ein Stuhl stand auf der rechten Seite mit all der Kleidung, die er anziehen wollte oder er dachte sie sei noch tragbar. Auf der anderen Seite stand ein kleines Nachtschränkchen mit dem Radiowecker und seinem Handy. Zusätzlich noch eine kleinen Lampe falls er nachts Licht brauchte. Er brauchte sie nicht wirklich oft, denn er sah bei Nacht perfekt. Mit all der Einrichtung hatte er das wichtigste bei sich. Es war nicht viel, doch es war eindeutig besser als sich ein Zimmer mit Naia oder seiner Mam zu teilen. Es gab für einen 16 jährigen Jungen sicher nichts schöneres und so war er dankbar für sein eigenes kleines Reich. Obwohl er früh geweckt wurde, hatte er heute gute Laune. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Lied in seinem Kopf, zog er sich an, ehe er auch schon sein Heiligtum verließ. Über die zusammengeschusterten Stühle stieg und die Feuerleiter hinabrutschte. Es schepperte metallisch als er unten landete, doch auch daran hatten sich alle längst gewöhnt. Er hatte seinen Schlüssel noch nicht im Schloss, da hörte er bereits spanische Musik aus der Wohnung. Kurz stoppte er und schloss seine Augen. Wappnete sich für das was gleich folgen würde, dann schloss er auf. Dort war er, der vertraute Geruch von Kaffee und 2 tanzende Frauen. Nana stand wie jeden Morgen am Herd und kochte. Wippte im Takt der Musik. Seine Mam saß wie üblich am Esstisch mit ihrem Kaffee in der Hand und Naia tänzelte ihre besten Salsaschritte vor sich hin. „Buenos dias!" Rief sie vergnügt und tat etwas, das er schon befürchtet hatte. Sie tänzelte zu ihm, packte seine Hände und tänzelte mit ihm. Es war etwas, das man lernte wenn man mit zwei Latinas in einem Haushalt lebte. Auch wenn Naia nicht im geringsten wie eine aussah, im Herzen war sie eine. Sie tanzten wann immer sie konnten und sie sangen stets irgendetwas auf spanisch. Gerade hörte er ein Lied, das er sich in letzter Zeit oft anhören durfte. Andas en mi cabeza. Du gehst mir nicht aus dem Kopf. So ungefähr hatte er es für sich übersetzt. Als er noch kleiner war, hatte ihn das Getanze genervt. Er war immer missgelaunt herumgestanden, während Naia und Nana einfach um ihn herum tanzten. Ihn fast damit bedrängten. Irgendwann mit 14 hatte er gelernt, das es einfacher war ein paar Schritte mit zu tänzeln, als sich verbissen dagegen zu wehren und mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt. Fand es regelrecht amüsant, denn er sah wie glücklich es die Beiden machte. So erwiderte er Naias Händegriff und stieg einfach mit ein. „Happy Birthday du Tanzmaus!" Rief er ihr durch die Musik hinweg entgegen und sofort strahlte sie. „Dir auch nochmal, mi nino." Antwortete sie ihm frech. „Wie kommts du schon wach?" Fragte er weiter und Naia blickte über die Schulter. „Nana kam mit einem Kuchen in mein Zimmer. Ich hab auf dich gewartet." Er folgte ihrem Blick und Summer begriff das sie im Weg saß. Sie beugte sich etwas zur Seite und dann sah er den kleinen, runden Kuchen auf dem 2 Kerzen standen. 1 und 6. 16. Rechts und Links davon steckten Wunderkerzen im Kuchen. Ein Erdbeer-Creme-Torte. Naias Lieblingskuchen. Auch Arran hatte vor 5 Tagen einen bekommen. Er war genauso dekoriert gewesen, allerdings war es ein Schokokuchen mit Schokoganache. Schokoladiger konnte kein Kuchen sein. „Na dann schneid an." Gab er von sich und zufrieden ließ sie ihn los, wandte sich um und lief zum Tisch. Er folgte ihr und setzte sich zu seiner Mam, während Naia ein großes Messer griff. Nana drehte die Musik leiser, ehe auch sie zum Tisch kam. „Warte mi Cielo!" Sagte die alte Dame schnell und nickte in Arrans Richtung. Er nickte und Summer gab einen Takt mit ihren Händen vor. Kurz darauf sangen die drei zusammen Happy Birthday. Naia grinste glücklich wie ein Honigkuchenpferd. „Si si! Bueno! Schneid an!" Rief Nana kaum das sie fertig waren und Naia ließ sich das nicht zwei Mal sagen. Teller und Besteck lag bereit. Sicher das Werk seiner Mutter. Augenblicke später genoss Arran sein Stückchen Kuchen. Es war eine willkommene Abwechslung zu ihrem sonstigen Frühstück. Eine Scheibe knusprigem Weißbrots mit Marmelade darauf. An diesem Morgen saßen sie länger als gewöhnlich zusammen und es war eine herzliche Stimmung. „Mi cielo! Du bist schon 16. Die Zeit fliegt dahin!" Erkannte Josefa und Summer nickte zustimmend. „Sie werden so schnell groß." Sie hob ihre Hand und kniff ihm in die Backe und er lehnte sich etwas weg. „Ist ja gut Mam." „Und sie feiern jetzt ohne uns!" Fügte Nana mit einem Hauch von Vorwurf hinzu. Arran rollte mit den Augen und Naia legte seiner Großmutter eine Hand auf die Schulter. „Wir lieben euch trotzdem!" Sagte sie überzeugt und Arran blickte alle einmal abschätzig an. „Wie reagiert ihr erst, wenn wir studieren gehen?" Warf er in den Raum. „Ihr müsst jeden Tag anrufen." Antwortete ihm Summer und er seufzte. „Sicher nicht. Was das kostet." Nana rieß die Arme hoch. „Burro! Silencio! Sei dankbar für die Liebe, die wir euch geschenkt haben!" Es war Naia die fröhlich lachte. „Du machst es schlimmer wenn du weiter redest." Erkannte sie und Arran rollte noch einmal mit den Augen. „Allein mit drei Frauen wohnen!" Warf er ihnen vielsagend und nichtssagend vor. Alles zusammengefasst, war es ein wunderbarer Geburtstagsmorgen. So mürrisch er auch auf all das Gerede der Frauen reagierte, so sehr mochte er es auch und er wusste, das seine Familie sich dessen bewusst war. Mit einem Mal sprang Naia auf und verschwand in ihr Zimmer, nur um wenig später mit einem kleinen Geschenk zurück zu kommen. Sie lächelte sanft und er wusste das es seines war. Er hatte darauf bestanden, das sie sich erst an ihrem Geburtstag etwas schenkten. Er mochte es nicht Geschenke zu bekommen, ohne etwas zurück zu geben. So stand nun auch er auf und lief zu dem Zimmer von seiner Mutter nur um ebenfalls ein Geschenk zu holen. Naia und er sahen sich kurz an, ehe sie es sich gleichzeitig reichten. Er war wirklich neugierig auf sein Geschenk, doch er wartete erneut. Beobachtete wie Naia ungeduldig ihr Geschenk auspackte nur um ein Kartenspiel mit einem Werewolf auf dem Cover in Händen zu halten. Sofort wurden ihre Wangen rot und Arran grinste fies. „Burro!" Rief sie plötzlich und klopfte ihm gegen die Schulter. „Mi cielo? Was ist los?" „NICHTS!" Sie sagte es so schnell, das klar war das etwas war. Arran konnte fies sein wenn er wollte und das hier war sein persönliches Highlight. Er hatte es geschafft ihre Szene vor dem Kino in einem Geschenk zu verewigen. Darauf war er tatsächlich stolz. Doch es war nicht nur verarsche. „Du wirst es mögen." Sagte er endlich versöhnlich, als ihre Wangen langsam wieder heller wurden. „Achja?" Sie blickte misstrauisch auf und er deutete auf das Spiel. „Es ist ein Gruppenspiel. Jeder bekommt durch eine Karte eine Rolle. Die meisten sind Dorfbewohner, doch ein paar sind Werewölfe und das Dorf muss herausfinden, wer die Wölfe sind. Das ist genau dein Ding." Endlich wendete sie es und blickte auf die Beschreibung auf der Rückseite. Sie hatte kaum die ersten abgebildeten Karten gesehen und den Text gelesen, dann kam ihr Lächeln zurück. „Danke. Das sieht wirklich cool aus." Sie hob den Blick und dann sah sie auf sein Geschenk. „Du bist dran." Erkannte sie und er sah auch endlich auf sein Geschenk. Es war leicht. Das war alles was er bemerkte. So fummelte auch er das Papier mühsam ab bis er eine Handyhülle in Händen hielt. Seine war bereits nur noch Fetzen und konnte kaum noch als Hülle verstanden werden. Doch seine Augenbrauen zuckten genervt, als er das Bild des Covers sah. Es war Songoku aus seiner Serie, der gerade ein Kame-hame-ha – einer seiner Angriffe – abgeschossen hatte. „Sehr witzig." Als ob er diese Hülle im Leben an sein Handy stecken würde. Er war jetzt 16 und keine 12 mehr. Sie lachte zufrieden über sein Gesicht. Zugegeben. Das war eine gute Rache für sein Geschenk, denn sie verschwand plötzlich um mit einer anderen Hülle aufzutauchen. Sie war deutlich dezenter. Eine schwarze Hülle über die quer ein weißes aufgedrucktes Band verlief. „Baka." Sagte er und sie sah zu ihm hinauf. „Das bleiben wir wohl immer. Baka und Burro." Sie grinsten sich zu ehe sie sich kurz in die Arme schlossen. „Danke." Es kamen ihnen gleichzeitig über die Lippen. War das ein Verständnis über den anderen, das man hatte weil man von klein auf zusammen wohnte, oder war es einfach das sie eben gleich waren? Frech und sanft auf die selbe Art und Weise.


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt