Kapitel 50

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Es war ein seltsames Gefühl, als Arran in seinem eigenen Zimmer am Schreibtisch saß und Naia war bei ihm. Sie saß nicht auf seinem Schoss, aber in seiner Nähe und hielt ein Handy in der Hand, das sie von Blanco hatte. Es würde das erste mal sein, das sie Teil seines ‚Alltags' wurde. Mitbekam was er in Wirklichkeit den ganzen Tag trieb. Allen voran klingelte ständig sein Handy, oder irgendjemand kam herein. Naia sah jedesmal auf und musterte die Person und Arran wusste, das sie ihn einzuschätzen versuchte. Sie hatten nur ein einziges Mal darüber gesprochen, doch sie schien es noch immer versuchen zu wollen. Wem konnte er vertrauen und wem nicht. Arran sagte ihr absichtlich nicht um wen es ihn ging. Er wusste, sie würde es durchschauen. Darauf wenigstens vertraute er. Wenn nicht, dann würde sie ihm auch so sagen wem er vertrauen konnte und wenn Rascals Name nicht dabei, würde Arran den anderen Weg wählen. Einen Weg um den Kampf zwischen El Lirio und Los Mortes auszunutzen. Auch wenn er nicht wusste, wie er das tun sollte. Es war seltsam, wann immer sein Telefon klingelte und er Dinge sagte wie. „Was soll das heißen du kannst ihn nicht finden. Ein Kopf wird rollen. Entweder seiner oder deiner. Wir verstehen uns?" Seine Stimme war kurz gefährlich geworden, während er Naias Blick spürte. Er versuchte das auszublenden. Hier musste er Rojo sein. Der unerbittliche. „Ich finde ihn!" Damit legte sein Gesprächspartner auf und er legte frustriert das Telefon weg. Er hatte es gerade erst weggelegt, als es an der Tür klopfte. „Rojo." Erschallte es hinter dem Holz und er blickte genervt auf. „Was?" Die Tür öffnete sich und ein Kerl tauchte auf, dessen halbes Gesicht hinter einer Capi und einem Schal versteckt war. Im Grunde blitzten nur seine Augen dazwischen hindurch. Verdugo. Der Henker. Arran höchst persönlich hatte ihn losgeschickt. Er hatte einen Posten erreicht, bei dem er sich selten selbst die Hände schmutzig machte und doch gab es so viele grausame Dinge in Auftrag. Verdugo kam zu ihm, nur um einen USB-Stick auf den Tisch zu legen. „Das Verhör?" Fragte er und Verdugo nickte. „Er hat gesungen." Arran nickte. „Gute Arbeit. Kannst gehen." Verdugo nickte nun seinerseits, ehe er die Kehrtwende machte und den Raum wieder verließ. Erst als die Tür zu war und der Raum bis auf ihn und Naia leer, stand die Blonde auf und trat vorsichtig näher. „Das Verhör.. Kann ich es sehen?" Dort lag wieder die Angst in ihrer Stimme und Arran sah zu ihr herüber. „Nein." „Aber ich will doch Rojos Cielo werden! Ich sollte es sehen!" „Solltest du nicht. Du siehst genug Naia. Das reicht." „Aber Arran!" Sagte sie mit Nachdruck und er lächelte kurz. „Rojos Cielo sollte seine Zuflucht sein und nicht der gleiche Abgrund. Findest du nicht auch? Bitte Naia." Sie musterte ihn und schien ihre Gegenargumente zu sammeln, doch schließlich seufzte sie. „Ok. Aber ich bin überrascht." Sie lief um den Tisch herum und zum Fenster herüber. „Und über was?" Fragte Arran, der sie nicht aus den Augen ließ. Sie hatte das Fenster erreicht und blickte auf den sonnigen Tag hinaus. „Ich dachte Gangster leben und arbeiten in der Nacht. Nicht zur Mittagszeit." Er sah auf die Uhr hinüber. Ob sie hunger hatte? „Die Kämpfe und Waffenlieferungen finden am Abend statt. Dort wo wenig Zeugen und wenig Bewohner im Weg sind. Gangster haben eine falsche Doppelmoral. Der Kerl gerade. Verdugo. Er ist davon überzeugt nur Leute zu töten, die es verdient haben. Gewalttätige und Verbrecher, die die Stadt unsicher machen. Er hält sich für den Guten. Wie einige hier. Sie glauben El Lirio bringt der Stadt Frieden." Naia stand noch immer am Fenster, doch jetzt drehte sie sich um und sah ihn an. „Und was denkst du?" Arran hörte ihre Frage und dachte kurz darüber nach. Er war selbst Gangster. War er nicht von der selben Doppelmoral gezeichnet? „Du kennst die Antwort. Ich bin kaum anders. Herrscht eine Mafiagang allein, ist das sicherer für die Stadt. El Lirio war die größte Gang." Naia musterte ihn für einen Moment traurig, ehe sie wieder aus dem Fenster blickte. „Die Kämpfe sind nachts. Was ist also am Tag?" Kurz überlegte Arran, ob er aufstand und zu ihr trat. Er wollte es, doch es war der falsche Moment. Zumal jederzeit jemand kommen konnte. Er durfte keine Schwäche zeigen. Er hatte genug gezeigt. Sonst wäre seine Gewalttat in der Bar umsonst gewesen. „Das Drogengeschäft." Antwortete er ihr endlich, als wäre es offensichtlich. „Die Politik, die Polizei. Sie sind geschmiert. In dieser Stadt gibt es wenige, die sich El Lirio in den Weg stellen. Milestone ist ein Umschlagsplatz. Mit Booten und Autos bringen Mittelsmänner die Drogen nach Milestone. Hier werden sie gesammelt, neu verteilt und für den Transport in die ganze Welt vorbereitet." Zu gerne hätte Arran jetzt Naias Gesicht gesehen, doch sie sah einfach weiter aus dem Fenster. Sie wirkte dunkel im Vergleich zu dem hellen Licht vor dem Fenster. „Das heißt, du organisierst das Drogengeschäft. Nein auch die Waffengeschäfte. Du bist abends öfter mal weg. Verdugo und der am Telefon. Es rollen Köpfe, wenn Lieferungen verschwinden oder scheitern. Nicht wahr?" Arran öffnete den Mund. Er hörte, wie traurig sie das feststellte. Sie versuchte es zu verstehen, doch es gab ihr nichts als Weltschmerz. Zeigte ihr, wie verdorben Milestone wirklich war. Sie versuchte sich dem zu stellen und es zu akzeptieren, doch sie konnte es nicht. Was konnte er sagen um es ihr leichter zu machen? Es gab nichts und es war ein erneutes Klopfen, das das Gespräch beendete. „Ja?" Rief Arran und löste seinen Blick endgültig von Naia. Er hörte nur ihre Schritte. Sie verschwand wieder auf dem Platz hinter ihm. Die Tür ging auf und fünf Leute betraten den Raum. Unter ihnen Leo, Rico und Rascal. Vor allem Rascal. Naia. Hauchte es in seinem Kopf. Finde es heraus. Durchschau mich und finde heraus, ob wir ihm vertrauen können. Die Stimmen in seinem Kopf stoppten, als seine Männer den Schreibtisch erreichten. Rascal und die zwei anderen blickten unschlüssig zu Naia. Er sah nichtmal über die Schulter. Es war ihnen übers Gesicht geschrieben. Was machte sie hier, doch niemand wagte es auch nur im Geringsten eine so törichte Frage zu stellen. Nicht, solange er im Raum war. „Boss." Sagte Leo und zog sich einen Stuhl heran. „Es ist alles vorbereitet." Er schien sich an Naia nicht im geringsten zu stören. Rico nickte der Blonden sogar kurz zu. Fast ein spitzbübisches Grinsen auf den Lippen. Nicht nur Arran schien von ihrer Anwesenheit beeinflusst zu werden. Auch Rico und Leo. „Gut. Heute Abend. Sonnenuntergang ist 21.34. Eine Neumondnacht. Wir warten bis es tiefschwarz ist. Also so gegen 23 Uhr geht es los. „Sleeper, Sky. Ihr übernehmt heute das wirkliche Ziel. Ich gebe euch rechtzeitig bescheid wohin ihr müsst. Leo und Rico, Rascal und ich. Wir übernehmen die Ablenkungen." Er konnte nicht immer selber gehen. Dann wäre es ein leichtes herauszufinden, wo die wirkliche Waffenlieferung war. Man müsste nur ihn immer im Auge behalten und mit seinem roten Haar war das keine Herausforderung. Arran musterte jeden seiner Männer. Sky und Sleeper wirkten nervös. Es würde ihre erste echte Lieferung werden. Rico und Leo dagegen sahen sehr entspannt aus. Dann blieben Arrans blaue Augen an Rascal hängen. Rascal sah aus wie jeder andere. Leicht gebräunte Haut, braune Augen, tätowiert, muskulös. Er wirkte wie ein jedermann und Arran musste zugeben, er wirkte wie der perfekte Spitzel. Einen Spitzel, den er noch immer nicht verraten hatte und der nicht ahnte, das er aufgeflogen war. Rascal war schon lange ein Mitglied von El Lirio, doch in letzter Zeit waren zu viele Waffenlieferungen aufgeflogen und vom Militär des Landes abgefangen worden. Rascal war sich seiner Sache zu sicher geworden. Ob er die Chance ergreifen würde, heute Arran Ding festzumachen? Würde er so ein Risiko eingehen? Sicher keine leichte Aufgabe, wenn sie mit einigen Männer zusammen zu einem ihm unbekannten Ort aufbrachen. Eine Gewisse Aufregung machte sich in Arran breit. Zeigte ihm das er den Nervenkitzel mochte. >Und was denkst du?< Naias Frage kehrte zu ihm zurück. Im Grunde hatte er es immer gewusst. Er zwar zu tief in diese Welt vorgedrungen. Viel zu tief. So tief, das er den Nervenkitzel mochte genauso wie er ihn verachtete. Sich verachtete, weil er es hier und dort genoss das Falsche anzustellen. „Gut besprechen wir, wie es laufen soll. Rascal." „Ja?" „Sag Tristan, er soll die Ausrüstung kontrollieren. Und geh nochmal Schießen üben, wenn du heute wieder daneben schießt, rollt dein Kopf." Es waren diese Dinge, die Rascal verraten hatte. Jemand, der viel zu oft daneben schoss. Er hatte zu sehr versucht der Gute zu bleiben. Rascal schluckte und nickte. „Ja Rojo." „Gut."


Sein roter Himmel - Su Cielo RojoWhere stories live. Discover now