2 - Kein Glaube dem Aberglauben

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„Fine, aufstehen!" Die Stimme meines Vaters dringt leise zu mir durch. „Mhm", brumme ich beim Drehen. Und bleibe einfach liegen. „Los jetzt, du musst in zehn Minuten zur Schule!" Das hat gesessen. Ich springe erschrocken aus dem Bett, falle jedoch sofort wieder zurück. Mein armer Kreislauf. Papa bekommt sich währenddessen vor Lachen schon gar nicht mehr ein. „Das war ein Spaß. Hast noch eine gute halbe Stunde." Meine Augen bilden sich zu Schlitzen, wie automatisch greift meine linke Hand nach dem größten Kissen in meinem Bett. Weniger zielsicher erreicht es sein Ziel. Mehr oder weniger. War eben meine linke Hand. „Du bist doof", füge ich dieser Attacke noch bei, setze mich wieder richtig aufs Bett und schließe meine Augen. Bitte noch fünf Minuten Ruhe. Papa lässt dies jedoch nicht auf sich sitzen und zahlt es mir heim. Jedoch hat er schon deutlich mehr Kraft. Da mein Bett mittig an der rechten Wand meines Zimmers steht, ist neben mir keine Wand. Und wie soll es auch anders kommen, falle ich seitwärts das Bett runter. Meine Kräfte, die gegen das Kissen hätten steuern sollen, lassen am Morgen eben noch zu wünschen übrig. Der dumpfe Aufprall tat glücklicherweise nicht wirklich weh. „Na warte", knirsche ich, als ich mit dem Kopf über mein Bett gucke. „Nicht jetzt, ich muss los zur Wache." Flüchtend verlässt mein Vater das Zimmer. Sein Glück. „Ach so, ist dir was passiert?", fragt er dann doch noch rufend von unten. Die Frage kam verhältnismäßig spät für ihn als Vater und Notfallsanitäter. „Nein, alles schick!", antworte ich noch immer etwas angesäuert und beschließe mit einem Seufzen, jetzt auch mal ins Bad zu gehen. Bringt schließlich nichts.

Da hat dann mal wieder mein Händchen für Missgeschicke zugeschlagen. Oder ich bin einfach doch zu müde. Eigentlich wollte ich mir nur ein Handtuch zum Duschen nehmen, ziehe jedoch statt einem Handtuch gleich den ganzen Stapel mit raus, der sanft zu Boden fällt. Doch da das noch nicht genug ist, hat dieser Stapel einen Spiegel mitgerissen, der klirrend zu Bruch geht. Jetzt stehe ich hier, zwischen Handtüchern und Scherben. Duschen kann ich dann wohl heute Morgen vergessen, wenn ich pünktlich los will.

„Ist was passiert?", fragt eine verschlafene Stimme plötzlich hinter mir, die mich so zusammenzucken lässt, dass ich mich kräftig an einer Scherbe schneide, die ich gerade aufhebe. Sofort tropft etwas Blut zwischen die Scherben. Kurz muss ich schmunzeln, da das hier schon nach Tatort aussieht, das Brennen der Wunde überwiegt schließlich. Ich drehe mich um und erblicke Phil, dessen Gesicht noch total zerknautscht ist. Ups, da habe ich ihn wohl geweckt. „Ach, mir sind nur die Handtücher heruntergefallen. Und haben ihr übriges getan." „Dein Finger. Zeig mal her." Natürlich fällt dem Arzt das Blut mal wieder als erstes auf. „Komm mal mit, ich verbinde dir das." „Aber ich muss mich fertigmachen, ich komme zu spät zur Schule", protestiere ich und füge in Gedanken noch bei, dass da doch ein Pflaster reicht. „Dann bringe ich dich eben, geht schneller. Aber das muss ordentlich versorgt werden." Seine Stimme duldet keinen Widerspruch. Aber gut, ist ja nur gut gemeint. Schließlich hat er schon oft gesehen, was aus vermeintlich kleinen Wunden werden kann.

Im Büro, welches gleichzeitig als Aufbewahrungsort für alle Mittelchen, die Ärzte und Sanitäter so im Haus haben, dient, versorgt Phil meine Wunde. Nachdem er sie fachgerecht gereinigt hat, kommt ein dicker Verband dran. „Muss das sein? Das sieht ja so aus, als hätte ich mir sonst etwas getan", maule ich herum. „Ja, das muss sein. Am Abend werde ich das auch nochmal kontrollieren, der Schnitt sah ordentlich tief aus. Könnte knapp ein Fall zum Nähen sein." „Bitte nicht", stöhne ich genervt auf. „Und deswegen werde ich es auch regelmäßig kontrollieren, abgemacht?" Ich nicke. Mir bleibt eh nichts anderes übrig. Plötzlich steht Alex im Türrahmen. Seine unbemerkte Anwesenheit erschreckt mich so sehr, dass ich, wie schon mal heute Morgen, heftig zusammenzucke. Ich bin ein sehr schreckhafter Mensch. „Ich habe die Sauerei mal weggemacht. Ich hoffe, das ist nicht allzu schlimm?" Alex deutet mit einem Nicken auf meine Hand. „Nee, Phil hat nur wieder etwas übertrieben." Von eben genanntem bekomme ich eine Faust gegen die Schulter. „Scheint ja gleich das erste Pech gewesen zu sein. Folgen nur noch 7 Jahre", bemerkt Alex schmunzelnd. Mit zusammengezogenen Augenbrauen gucke ich ihn an. „Kennst du den Aberglauben nicht? Ein zerbrochener Spiegel bringt sieben Jahre Pech." Ein schiefes Grinsen ziert Alex' Lippen. „Ach das. Ja, kenne ich. Aber das ist doch Quatsch." Ich unterstreiche meine Aussage mit einer wegwerfenden Handbewegung und erhebe mich von dem kleinen Sofa, auf dem ich die ganze Zeit sitze. „Ich muss mich jetzt schnell anziehen und dann los." „Gut, bin auch gleich soweit. Warte im Flur auf dich." Damit geht Phil hinter mir aus dem Raum und verschwindet in seinem Zimmer.

Und das war nur der Anfang meines Spiegeldesasters.




7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now