95 - Wenn Gerüche verraten

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Die Nacht war wortwörtlich zum Kotzen.
Phil und Papa haben beide Nachtwache geschoben. Nur einer wäre nach deren Meinung natürlich nicht ausreichend gewesen, nein.
Habe ich nicht geschlafen, hing ich über dem Eimer oder hatte ein Glas Wasser in der Hand. Phil hat mir dann immer beruhigend über den Rücken gestrichen, während Papa mir irgendeinen Schaum auf meine Haut geschmiert hat, der einfach nur gestunken hat. Aber wenn er meint, dass das hilft, bitte.

Kein Verlassen des Hauses mehr ohne Sonnencreme. Darauf achten die anderen jetzt natürlich akribisch. Und ich werde regelmäßig aus der Sonne gezogen, um ja nichts zu riskieren. Ist mir so aber auch lieber, als schlussendlich wieder auf der Couch zu liegen.

Die Zeit verfliegt nur so und die letzte Woche in Italien bricht an.
Mit Elian habe ich nur noch geschrieben, die Zeit habe ich mit meiner Familie genossen.
Doch jetzt, an einem Sonntag, möchte er sich wieder mit mir treffen. Da die anderen eh nur einen Strandtag machen, verpasse ich nichts.
„Papa? Kann ich mich gegen zwölf Uhr mit Elian treffen?", frage ich mal so nebenbei, während wir nach dem Frühstück die Spülmaschine einräumen.
Er stoppt kurz in seiner Bewegung und guckt mich an. „Ich kenne den Typen gar nicht. Ehrlich gesagt finde ich es nicht so prickelnd, dass du dich mit ihm triffst."
Ich drehe mich von Papa weg und verdrehe meine Augen. „Letztes Mal ging es doch auch gut. Er ist wirklich ein netter Junge, glaub mir."
„Wo triffst du dich denn mit ihm?"
Ich beiße mir auf die Lippe. Er hat geschrieben, dass er heute eine Party bei sich zu Hause schmeißt, zu der ich herzlich eingeladen bin. Und jetzt könnte ich ihm bei den Vorbereitungen helfen.
„Bei ihm im Haus", nuschele ich in der Hoffnung, dass Papa das nicht hört.
„Ich habe das gehört, du musst gar nicht probieren, das zu vertuschen. Wie alt ist er denn?", fragt er weiter. „Das hast du uns noch gar nicht gesagt."
„17", kommt es schnell von mir, vielleicht etwas zu schnell. Aber ich werde ihm nicht sagen, dass er schon längst 18 ist.
„Ah ja, 17 also", wiederholt Papa. „Und was wollt ihr machen?"
„Wird das jetzt ein Verhör oder was?" Ich überlege, ob ich die Wahrheit sagen soll. Aber schön, ich kann ihn nicht anlügen. Und falls doch was passieren wird, was nicht der Fall ist, dann müssen sie ja wissen, wo ich mich aufhalte und was ich mache.
„Gut, um genau zu sein, er schmeißt heute eine Party, zu der ich eingeladen bin. Und da helfe ich ihm auch bei den Vorbereitungen." 
Papa hustet, als hätte er sich verschluckt. „Du willst mir nicht sagen, dass du zu einer Party möchtest, bei der du keinen kennst. Und Elian kennst du auch nicht wirklich. In einem fremden Haus, wo auch wir keinerlei Ahnung von irgendwas haben? Der Junge ist auch keine 17, du kannst immer noch nicht lügen."
„Doch Papa, genau das will ich dir sagen. Ihr könnt mir doch vertrauen. Außerdem ist das Haus drei Straßen weiter, da gibt es doch keine Probleme."
„Und wie viele Probleme es da gibt", erwidert er.
„Ihr könnt mich aber nicht festhalten. Ich werde gehen."
Papa schüttelt den Kopf und schließt die Spülmaschine.
Warum haben die denn immer solche Probleme mit Partys?

Um zwölf Uhr gehe ich dann zu Elian. Da können sie sagen, was sie wollen.
„Bin bei Elian!", rufe ich noch ins Haus, wo gerade alle in allen möglichen Zimmern verteilt sind, dann ziehe ich die Haustür auch schon hinter mir zu.
Ich habe ihnen ja auch einen Zettel mit seiner Adresse hinterlassen, so ist nicht. Sie wissen also ganz genau, wo ich stecke.

Nun doch etwas nervös drücke ich den Knopf der Klingel zweimal tief ein. Eine quietschende Tür ist zu hören und dann erscheint auch schon ein leicht verschwitzter Elian, der mir grinsend die Tür öffnet.
Wir umarmen uns zur Begrüßung und er erklärt mir, dass er gerade das Wohnzimmer umstellt. Deswegen auch sein Aussehen.
Ich staune nicht schlecht, als ich das Wohnzimmer und die Terrasse sehe. Auf der Terrasse steht schon eine Art Bar. Er hat laut Erzählungen einen Freund, der nebenbei in einem Club jobbt und total gute Drinks machen kann. Er wird dann der Barkeeper sein.
Auf Nachfrage kommt auch heraus, dass Elian morgen Geburtstag hat. Oh, deswegen auch dieser ganze Aufriss, sie feiern rein.
„Du kommst doch?", fragt er da mit einem Hundeblick.
Ohne groß zu überlegen, nicke ich einfach. Ich werde kommen. Ob die wollen oder nicht.

Die Couch quietscht auf dem alten Holzboden, als wir sie zur Seite schieben. Das hätte fast die Klingel übertönt.
„Ich gehe schnell", sagt er und flitzt davon.
Ich greife nach meinem Handy. Halb drei schon. Die Zeit vergeht so schnell, weil wir uns einfach so gut verstehen.
Als Elian kurz darauf zurück ins Wohnzimmer kommt, stecke ich mein Handy wieder weg.
Mein Blick wandert zu seinen Händen, in denen er ein kleines Tütchen hält. Und während er mir näher kommt, wird mir auch klar, worum es sich handelt.
Mit Alkohohl habe ich nun keine Probleme, aber bitte keine Drogen.
Er bemerkt meinen Blick. „Oh, das ist nur ein bisschen, wie nennt ihr das? Gras? Wie auf der Wiese."
Ich schüttele den Kopf. Hat der an der Tür gerade ernsthaft Gras entgegengenommen?
„Ein kleines Geburtstagsgeschenk. Von einem Freund", erklärt er.
Erneut schüttele ich den Kopf. Ich mache ihm klar, dass ich gern zu seiner Party komme. Aber bitte keine Drogen.
Mir selbst mache ich den Vorschlag, einfach einen Rückzieher zu machen und zu verschwinden, einfach nichts mehr mit Elian zu machen. Am Donnerstag reisen wir eh wieder ab.
Aber würde ich Papa dann nicht auch eine Bestätigung in seinem leisen Verdacht geben? Das will ich auch nicht.
Plötzlich scheint er eine Idee zu haben. „Komm, nimm das und gib mir das nach der Party einfach wieder, okay? Keine Drogen auf der Party, versprochen."
Ohne auf eine Reaktion von mir zu warten, drückt er mir das Zeug einfach in die Hand.
Als würde ich ferngesteuert werden, stecke ich mir das wirklich in meine Hosentasche meiner kurzen Hose.

Es dauert ein paar Minuten, in denen es eine komische Spannung zwischen uns gibt. Doch das renkt sich schnell wieder ein, und ich vergesse sogar, dass ich gerade Gras in meiner Hosentasche habe.

Wir setzen uns für eine kleine Pause auf die Terrasse und trinken ein Glas Limo.
Ich muss vor der Party noch mal nach Hause, mich umziehen und den Leuten sagen, dass ich zur Party gehe. Das kann witzig werden.

Gegen späten Nachmittag mache ich mich dann auf den kurzen Weg.
„Ich dachte, da wäre heute eine Party?", kommt es verwirrt von Papa, als ich kurz ins Wohnzimmer gucke.
„Ist da ja auch. Nachher gehe ich hin, aber ich muss mich noch umziehen."
„Leg die Hose mal neben die Waschmaschine zu den anderen Hosen, die wasche ich gleich. Und danach kommst du bitte noch mal runter, damit wir reden können", macht Papa Anweisungen.
Stumm nickend und innerlich genervt, gehe ich die Treppe hoch, nehme mir eine frische kurze Hose aus dem Schrank und verschwinde dann im Badezimmer.
Die alte Hose landet auf dem Stapel neben der Waschmaschine. Leider.

„Elian ist schon 18, oder?" Alex mustert mich prüfend.
Ich verschränke meine Beine auf der Couch zu einem Schneidersitz und spiele nervös an dem Gummi meiner Socke. „Ja, ist er. Aber die Party ist seine Geburtstagsparty."
„Also wird er morgen schon 19?", schlussfolgert Phil.
„Super kombiniert, ich bin stolz auf dich", gebe ich etwas pampig zurück. „Paula, sag doch auch mal was. Bitte. Oder Toni."
Toni ignoriert mich gänzlich, der wird gerade mit Jamira schreiben.
Paula hebt ihre Schultern. „Ich war damals mit 16 in Spanien auch auf einer Party von Daniel. Oder David, da bin ich mir doch nicht mehr so sicher. Aber wenn was passieren sollte, möchte ich keine Schuld tragen. Also enthalte ich mich."
Phils Blick schielt zu ihr. „Wer ist Daniel?", kommt es forschend von ihm.
Paula grinst ihn an. „Er war mal ein Flirt im Urlaub."
Phil hebt eine Augenbraue. „Aha. Ich will gar nicht wissen, wie viele Flirts du in deinen Urlauben hattest. Vielleicht sogar hier." 
Paula haut ihm auf seinen Oberschenkel. „Sag mal, was denkst du denn? Du bist hier der einzige Flirt. Und das seit einer Weile. Obwohl es da auch mal in Griechenland einen ganz süßen gab..."
„Oh ja, weißt du, damals in Dänemark, da gab es eine süße Lilly", beginnt Phil.
Und so entflammt eine hitzige Unterhaltung zwischen Phil und Paula, wer wann einen Urlaubs-Flirt hatte. Soll mir recht sein, so vergessen sie die Party.
Papa erhebt sich mit den Worten „Ich gehe dann mal Wäsche waschen".

Nicht lang ist er weg, als schon wieder ein Gepolter auf der Treppe zu hören ist. „Im Badezimmer stinkt es richtig. Hat da jemand von euch gekifft?", fragt er leicht lachend. Eigentlich hat man gehört, dass es ironisch war.
Doch mit dieser Frage schießt es mir wieder in den Kopf. Scheiße. Ganz große Scheiße. Wie konnte ich das nur vergessen?

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now