72 - Der Spiegel wars

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Sicht Josefine

Intensivstation. Das ist das Erste, was mir in den Sinn kommt, als ich meine Augen öffne.
Langsam hebe ich meinen Unterarm. Sofort verstummen alle Gespräche und ich habe die komplette Aufmerksamkeit.
„Diesmal hat der Spiegel anscheinend ordentliche Arbeit geleistet", krächze ich und ringe mir ein Grinsen ab. Ein ehrliches Grinsen, nur bin ich noch super schwach. Das ist der erste Satz, den ich sage, nachdem ich aufgewacht bin. Und dafür fange ich mir überraschte Blicke ein.
„Du lebst", haut Papa raus, nachdem er kurz die Luft angehalten hat. Dann werde ich vorsichtig von ihm umarmt, so wie von Paula, Phil und Alex darauf.
„Klar, ich kann euch ja nicht allein lassen", säusele ich. Mein Kopf ist matschig und von der Narkose, die ich wohl gehabt habe, bin ich ziemlich benommen.
„Ich hole Charlotte", sagt Papa und rast los.
„Habt ihr nichts besseres zu tun, oder warum seid ihr alle hier?", frage ich, als wäre ich besoffen.
„Oh, die Narkose wirkt noch ganz schön", grinst Phil.
Mein Blick schweift durch den Raum und bleibt bei Alex hängen. Besser gesagt an seiner linken Hand.
„Was hast du denn da gemacht? Ich kann dich nicht allein lasse. Obwohl, was ist überhaupt passiert? Und wenn ihr so erleichtert seid, wie lang war ich weg?"
Paula will zu etwas ansetzen, doch die aufgehende Tür kommt ihr zuvor. Charlotte tritt neben mein Bett.
„Da bist du ja wieder. Du hast uns einige Nerven geraubt." Sie streicht mir lächelnd über die Schulter.
„Hä?"
Anscheinend muss meine Verwirrtheit so lustig sein, denn ein Lachen von allen ist zu hören.

Charlotte hat schnell nach ein paar Sachen geguckt, mir alles grob erklärt und dann die anderen rausgeschmissen. Darüber war ich auch froh, denn Schlaf kann ich gut gebrauchen.

Den nächsten Tag verbringe ich in einem Dämmerzustand, oft bin ich keine zehn Minuten am Stück wach. Erst am folgenden Tag fühle ich mich einigermaßen wieder fit genug, um auch mal länger wach zu bleiben. Und das wird von Tim direkt ausgenutzt, der mich mit einem stürmischen Kuss begrüßt.
„Wow, nicht so hastig." Ich lache, doch er schüttelt nur seinen Kopf.
„Du hast mir schlaflose Nächte bereitet. Das kannst du mir doch nicht antun", jammert er.
Ich kann ihm gerade jedoch kein Mitleid geben, denn mir flackert eine Frage auf. „Heute ist Freitag. Und erst 9 Uhr. Es ist Schule. Warum stehst du neben mir?" Ich richte mich vorsichtig im Bett auf. Meine Rippen tun echt weh, wenn ich eine unbedachte Bewegung mache. Laut Frederik wurden die mit irgendwelchen Drähten fixiert. Klingt nicht gerade ansehnlich.
„Tja, deine Ärzte haben mir eine Krankschreibung besorgt."
Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Na schön, es war Paula. Die Jungs hätten das bestimmt nicht gemacht. Aber sie meinte, ich tue dir jetzt gut."
„Hat sie eine Ahnung", gebe ich gespielt abwertend von mir.
Er stämmt seine Hände in seine Hüfte. „Was soll das denn jetzt heißen?" Er lächelt mit einem Mundwinkel. Hilfe ist das süß.
Ich rutsche vorsichtig zur Seite und klopfe auf den entstandenen Platz. Das lässt er sich nicht zweimal sagen. Natürlich liegt er neben meiner gesunden Seite.
„Das habe ich bestimmt vermisst", flüstere ich verträumt und gucke ihn von der Seite an.
„Bestimmt?", hakt er irritiert nach.
„Na ich habe ja nichts im Koma gemerkt. Deswegen bestimmt."
„Ich habe das auf jeden Fall vermisst." Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

Pünktlich zum Mittag kommt Linda mit einem Tablett in mein Zimmer.
„Diesmal isst du bitte was", bemerkt sie, während sie das Tablett auf den Tisch stellt und ihn zu mir schiebt.
Sie hebt den Deckel ab, wodurch sie das Essen entblößt. Kartoffelbrei mit einer Sauce und Mischgemüse. Das nennen sie hier also Schonkost.
Angeekelt mustere ich das dampfende Essen. Das pure Fett.
„Wie, hat sie heute etwa kein Frühstück gegessen?", hinterfragt Tim ziemlich erschrocken.
Linda schüttelt den Kopf. „Aber vielleicht klappt es mit dir. Ich hoffe mal."
Hallo, ich bin auch noch da. Die reden, als wäre ich nicht zwischen denen.
Mit einem besorgten Blick verlässt Linda das Zimmer wieder.
„Sag mal, geht das jetzt von vorne los?" Tim hat sich aufgerichtet. Langsam tue ich es ihm gleich. Immer schön vorsichtig.
„Mann, ich...", fange ich an, breche jedoch ab. „Ist doch normal, dass ich nach der Zeit im Koma etwas brauche, bis ich wieder essen kann."
Tim seufzt. „Ich werde dich nicht zwingen. Aber dir helfen, das wieder in den Griff zu bekommen. Du musst dich nur darauf einlassen." Er streicht mir sanft über den Rücken, greift dabei rüber und macht sich eine Gabel mit Kartoffelbrei voll. „Das tue ich nur für dich, damit du erst mal keinen Stress mit Linda oder so bekommst." Damit schiebt er sich die Gabel in den Mund.
Dankbar gucke ich ihn an. Womit habe ich ihn verdient?

Am Nachmittag kommt auch Anni vorbei. Die Jungs und Paula habe ich sofort wieder weggeschickt, denn ich habe von Charlotte erfahren, dass sie die letzten Tage in jeder freien Minute bei mir waren. Da brauchen sie auch mal Ruhe. Und überhaupt, dass hier immer eine Menge an Menschen war. Auf der Intensivstation. Kontakte halt.

Samstag kann ich endlich auf die Kinderstation verlegt werden. Auf Intensiv ist es schon immer ein anderes Gefühl.
Das Frühstück lasse ich ausfallen, auch wenn ich es eigentlich anders wollte. Aber ich konnte mich nicht überwinden.
Tim scheint jedoch einen Plan zu haben. Zum Mittag geht wieder die Tür des Zimmers auf und ich bekomme das Gespräch zwischen ihm und Schwester Louisa mit. Er wimmelt sie mit dem Essen ab.
Grinsend betritt er dann mein Zimmer und küsst mich erst mal ausgiebig. Oh ja, ich spüre, dass er mich vermisst hat.
„Wie hast du das jetzt gerade geschafft?", komme ich auf die Situation gerade zu sprechen.
Er hebt die Tüte in seiner Hand hoch und holt daraus eine Büchse mit zwei Gabeln. Mit diesen Dingen bedeutet er mir, dass ich rutschen soll, was ich auch noch etwas verwirrt vorsichtig tue.
Er setzt sich zu mir, hält mir eine Gabel hin und macht den Deckel ab. Sofort steigt der Duft seiner leckeren Tomatensauce in die Luft.
„Ich dachte, dass du davon wenigstens etwas isst. Habe ich gerade frisch für uns gekocht."
Auch ich muss nun grinsen. „Du bist einfach toll. Danke."
Es fällt mir schwer, ja, aber ich könnte Tim jetzt nicht enttäuschen. Außerdem kann ich bei diesen Nudeln einfach nicht widerstehen, egal, wie präsent meine Gedanken über Ernährung sind.

„Wann kann ich hier wieder raus?", frage ich seufzend, während Tabea in meine Krankenakte guckt.
Sie hebt ihren Blick. „Heute ist Montag. Du hast eine Zeit lang im künstlichen Koma gelegen, dein Zustand war nicht berauschend. Ich denke am Samstag."
„Am Samstag erst?", maule ich und friemele am Pflaster meines Zugangs herum.
„Hey, lass das mal schön dran. Außerdem ist das verhältnismäßig früh, weil du ja dein medizinisches Personal zu Hause hast." Tabea kommt zu mir und überprüft die Naht an meinen Rippen. „Sieht soweit gut aus. Vor der Tür steht Besuch für dich."
Fragend gucke ich sie an.
„Ich hole ihn mal rein." Lächelnd geht sie davon.
„Alex, sie kann wahrscheinlich Samstag raus. Du kannst sie ja sicher abholen, oder?", höre ich Tabea fragen und Alex bejahen. Ah, mein Besuch. Alex kommt auch schon rein, doch Tabea sagt noch was anderes.
„Sie können jetzt auch zu ihr."
Ich hebe meine Augenbrauen. Wer soll jetzt zu mir?

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें