35 - Der Spiegel ist zurück - und damit das Unglück

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„Wir fangen heute mit dem Thema Volleyball an", verkündet Frau Meier. Ich stöhne auf. Ballspiele sind einfach nicht meins, schon bei Basketball habe ich komplett versagt. Außerdem habe ich vom gestrigen Training noch totalen Muskelkater und kann kaum normal laufen. Unsere Trainer mussten beim Krafttraining auch übertreiben, mir tut mein ganzer Körper weh, wenn ich nur ansatzweise etwas sportliches mache.

Grummelnd schließe ich mich Anni an, die schon los gerannt ist, um sich warmzulaufen. Mir entweicht bei fast jedem Schritt ein ‚aua'. Auch Anni rennt nicht ganz lautlos, anscheinend tut ihr ebenfalls alles weh. „Was los, Sportskanone? Sonst bist du doch immer motiviert für Sport." Ich erschrecke mich kurz, als Tim plötzlich neben mir auftaucht und mich angrinst. „Muskelkater. Zu viel geturnt." „Oh nein, du Arme. Ist ja schrecklich." Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Verarscht du mich gerade?" „Nein, im Gegenteil, ich finde die Sportart Turnen sehr beeindruckend. Wieso denkst du eigentlich immer, dass ich dich verarsche? Mit dem Wasser neulich die gleiche Sache." Ich wende meinen Blick ab. Was kann ich darauf jetzt erwidern? Doch die Entscheidung wird mir schnell abgenommen. „Hey Tim, wer schneller zwei Runden gerannt ist. Flirten kannst du später", kommt es von hinten, dann saust Leon an ihm vorbei. Das lässt Tim nicht so auf sich sitzen und sprintet ebenfalls los. Ein Blick zu Anni verrät mir, dass sie gerade anscheinend das Gleiche denkt, denn sie schüttelt den Kopf.

Nach dem Einlaufen klären wir ein paar Regeln, dann geht es schon zum ersten Spiel. Welches auch ganz gut verläuft, wie gesagt, ich bin kein Profi in Ballsportarten, aber Volleyball klappt erstaunlich gut. Also für meine Verhältnisse.

Die Freude sei mir jedoch nicht vergönnt, wäre auch zu schön gewesen. Alles geht so schnell. Der Ball fliegt auf unsere Seite, keiner steht an der richtigen Stelle. Ich bin am nächsten am Ball, springe in die Richtung. Merke jedoch schnell, dass das nicht reicht. Möchte mich mit meinen Armen auf dem Boden abfangen. Ja, das schaffe ich auch. Nur sollte man das nicht mit komplett durchgestreckten Armen machen. Ein ekelhaftes Gefühl fährt durch meine linke Schulter, strahlt in den ganzen Arm aus. „Ouh", stoße ich aus und kneife meine Augen zusammen. Anni, die in meinem Team ist, eilt als erstes auf mich zu. „Alles okay? Das hat ganz schön geknallt." Meine ganze Klasse steht still, als hätte jemand auf Pause gedrückt. Langsam richte ich mich auf, bringe es jedoch nicht dazu, mich hinzustellen.

„Irgendwie....", fängt Anni an, hält dann aber inne. Ihr Blick starr auf meine Schulter gerichtet. Sie muss nicht weiterreden und ich weiß, was sie sagen will. Ich spüre es. Leider. Der anfängliche Schock lässt nach und der Schmerz übermannt mich. Tränen schießen mir in die Augen, ich wimmere auf. Meinen Arm kann ich keinen Zentimeter mehr bewegen. „Okay Fine, bleib ruhig. Frau Meier, können Sie bitte einen Rettungswagen rufen? Halt deinen Arm schön still." Ich nicke nur. „Einen Rettungswagen? Sie ist doch nur hingefallen, das geht doch gleich wieder." Das hat sie jetzt nicht ernsthaft gesagt. Jetzt schaltet sich Tim ein, der ziemlich entrüstet zu Frau Meier guckt. Auch er steht relativ nah bei mir. „Ihr Arm sieht aber nicht gerade gesund aus und wegen eines einfachen Sturzes hätte sie keine Tränen in den Augen. Meine Güte, was sind Sie für eine Lehrerin? Außerdem haben die zwei doch wohl etwas Ahnung von der Medizin." Dann rennt er aus der Halle, nachdem er Anni zugenickt hat. Zischend ziehe ich die Luft ein. Nicht nur vor Schmerz. Er ist einer Lehrerin nicht gerade respektvoll begegnet. Und das wegen mir? Doch die Gedanken haben keinen langen Halt, denn mein Kopf dreht sich um diese scheiß Schmerzen. Ich unterdrücke den Drang, meinen Arm zu bewegen. Den Drang, meinen Arm mit einer ruckartigen Bewegung wieder in die richtige Position zu bringen. Auch wenn ich weiß, dass das gleich null bringt.

Es dauert ewig, bis endlich die Tür der Turnhalle aufgeht und Tim, gefolgt von zwei Männern, wiederkommt. Doch ich weiß nicht, aber ein Gefühl des Unwohlseins und der Angst steigt in mir auf. Die zwei Sanitäter habe ich noch nie gesehen, ich kenne sie nicht. Deshalb hat es wahrscheinlich auch so lang gedauert, bis sie hier waren. Wann wurde ich das letzte Mal von fremden Leuten behandelt? Ich kann mich nicht daran erinnern. Es war mindestens Papa dabei, der ja auch mehr als Ahnung hat.

Meine Klasse hat sich inzwischen auf den Bänken niedergelassen. Anstatt sich Frau Meier mal darum kümmert, die hier wegzubekommen. Tim hat recht, was ist sie nur für eine Lehrerin? „Guten Tag, der Rettungsdienst. Was ist denn passiert?" Die zwei Männer knien sich zu mir. Mein Puls steigt in die Höhe und ich werfe Anni einen panischen Blick zu. Was ist nur los mit mir?

Als meine Antwort ausbleibt, antwortet Anni für mich. „Sie ist mit durchgestreckten Armen auf den Boden gefallen. Am rechten Arm scheint alles okay, aber den linken hats getroffen." „Ich sehe schon", sagt wieder der gleiche Sanitäter. „Ich heiße Felix, wie heißt du?" In meinem Hirn rattert es. Felix, den Namen kenne ich. Wie ein Blitz durchfährt es mich. Felix Brohm. Der Pfleger, der ein Patientenleben auf dem Gewissen hat. Aus purer Absicht. „Josefine", murmele ich. Schmerzmittel wären schön, aber wer weiß, was die mir geben würden. „Okay Josefine, darf ich mir das mal angucken?" Er spricht mit mir, als wäre ich ein kleines Kind. Gut, so fühle und benehme ich mich anscheinend auch. Zögernd schüttele ich den Kopf. Wegen der Schmerzen. „Tut es so doll weh?", hakt er nach. Gedankenleser. Nein, kein Gedankenleser, er hat einfach Ahnung von seinem Job. Aber kann man ihm vertrauen?

Ein Nicken meinerseits. Er wechselt einen Blick mit seinem Kollegen. Beide noch ziemlich jung, aber muskulös gebaut. Nicht vertrauenswürdig beschließe ich. Auch wenn der Gedanke gemein ist und mir nur Probleme bereiten wird.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now