73 - Alex ist...geflasht?

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Alex grinst mich schief an, ehe er zur Tür guckt. Eine junge Frau, vielleicht etwas jünger als Alex, kommt in mein Zimmer. Ihre braunen Haare sind zu einem ordentlichen hohen Zopf gebunden. Ich habe sie noch nie gesehen. Wer ist das? Erst, als ich das kleine Mädchen hinter ihr sehe, kann ich es mir denken.
„Hallo, du bist also Josefine?", fragt die Frau und reicht mir ihre Hand.
Noch etwas verdattert ergreife ich sie und nicke.
„Ich bin Alicia. Die Mutter von Paulina." Sie geht ein Stückchen zur Seite, sodass ich ihre Tochter richtig sehen kann. Sie hat sich etwas hinter ihrer Mutter versteckt.
Paulina also, das Mädchen, für das ich mich eingesetzt habe. Sie scheint wohlauf zu sein, was mich freut.
Ich gucke zu Alex, der wiederum etwas verträumt zu der Frau guckt. Oh Mann.
Ich räuspere mich, damit der Kerl mal aus seinen Tagträumen aufwacht. Klappt auch gut, nachdem er sich kurz geschüttelt hat.
Mein Blick scheint wohl noch immer ein Fragezeichen zu sein, denn Alicia spricht weiter. „Ich wollte mich bei dir bedanken, dass du dich so für meine Tochter eingesetzt hast. Und dafür auch selbst Verletzungen auf dich genommen hast. Geht es dir wieder einigermaßen gut?"
Ich winke ab. „Das ist doch selbstverständlich. Ich würde das immer wieder machen. Und ja, meine Rippen tun noch etwas weh, aber alles halb so wild."
„Ich kann dir gar nicht genug danken. Diese Vorstellung, was passiert wäre, wenn du ihr nicht geholfen hättest."
Ich werde rot. Das ist nun wirklich kein großes Ding gewesen. Zumindest sehe ich das als selbstverständlich.
„Und wie geht es dir, wenn ich fragen darf?" Ich schenke dem Mädchen ein Lächeln.
„Mir geht es gut. Danke, dass du mich vor den Jungs beschützt hast", antwortet sie schüchtern.
„Aber eine Frage, woher wissen Sie, dass ich hier bin?", frage ich an die Mutter gewandt.
„Sag doch bitte Du. Ich war mit Paulina hier, weil wir einen Termin hatten. Als wir gerade gehen wollten, hat sie Alexander gesehen und mir gesagt, dass er der Mann war, der ihr danach auch geholfen hat. Da habe ich ihn einfach angesprochen und, was ein Zufall, er wollte gerade zu dir."
Genau zum Ende hin klingelt ihr Handy. Sie wirft einen flüchtigen Blick auf das Display. „Oh, da muss ich ran. Danke nochmals und", sie dreht sich zu Alex, „wir sehen uns?"
Alex nickt, als wäre er nicht ganz bei sich. Was zum...?
Alicia verschwindet mit Paulina an der Hand nach draußen.
„Alex? Das war gerade was?", schieße ich sofort los.
Er zieht sich einen Stuhl zu mir ans Bett und grinst dämlich vor sich hin.
„Hallo, Erde an Herrn Hetkamp. Alles gut bei Ihnen?" Ich zwicke ihm ins Bein.
„Wir haben Nummern getauscht. Sie lädt mich auf einen Kaffee ein, um mir so zu danken, dass ich mich um ihre Tochter gekümmert habe", antwortet er und guckt mir in die Augen.
„Ist sie single?"
Er hebt seine Schultern. „Sonst hätte sie mir doch bestimmt nicht ihre Nummer gegeben."
„Verrenn dich da bloß in nichts. Sonst bist du später umso trauriger", gebe ich zu bedenken. „Was anderes, weißt du, wie alt Paulina ist?"
„Neun."
Okay, Alex wird wortkarg. Kein gutes Zeichen. Na das kann ja was werden.

Irgendwie, ich kann gar nicht genau sagen, wie ich das hinbekommen habe, überstehe ich die Tage im Krankenhaus.
Am Samstag steht Alex pünktlich auf der Matte.
„Endlich bist du wieder zu Hause. Ist irgendwie langweilig, keine pubertierende Zicke im Haus zu haben." Er nimmt meine Reisetasche und geht vor.
„Äh, hallo? Eine pubertierende Zicke? Also wirklich!", beschwere ich mich. „Und jetzt mach mal halbe Schritte, meine Rippen tun noch verdammt weh!", schreie ich über den halben Stationsflur.
Ein Kopf fährt aus der Schwesternkanzel. „Mensch Alex, hör mal auf, Fine zu ärgern."
„Danke Tabea, wenigstens eine die zu mir hält."
Grinsend dreht sich Alex um.
„Grins nicht so blöd. Wir können gern unsere Rippen tauschen", brumme ich.
„Also Fine, noch mal für dich, Alex weiß das schon. Sechs Wochen kein Sport, ganz viel Ruhe und erst in zwei Wochen wieder Schule. Den Monat vor den Sommerferien macht ihr ja eh nichts mehr, also verpasst du nichts", sagt Tabea.
Ich nicke.
„Man sieht sich", verabschiedet sie sich.
„Aber bitte nicht auf Station", werfe ich ein, verabschiede mich ebenfalls und jage dann Alex hinterher. Im Schneckentempo.

Der wohlige Duft nach Zuhause weht mir entgegen, als ich den ersten Schritt in den Flur setze. So lang war ich weg, dass ich den rieche.
„So Madame, du haust dich auf die Couch und lässt dich bedienen, okay?", gibt Alex die Anweisung.
„Da habe ich nichts gegen", entgegne ich.
Doch im Wohnzimmer sehe ich, dass Toni auf der Terrasse sitzt. Mit Jamira. Toni war auch einige Male im Krankenhaus, aber vorher habe ich ihn nicht mehr besonders häufig gesehen. Er ist die meiste Zeit bei Jamira.
Langsam gehe ich zur Terrassentür.
„Hallo Jamira, schön, dich mal wiederzusehen."
Ihre Köpfe schnellen zu mir.
„Wieder alles gut? Toni hat mir erzählt, was passiert ist."
„Ja, zwar noch Schmerzen, aber ich habe hier ja die passenden Leute, falls was sein sollte."
„Josefine, auf die Couch habe ich gesagt!", ruft Alex plötzlich aus dem Badfenster, welches zum Garten zeigt.
Ich rolle mit den Augen. „Ja ja, bin ja schon auf dem Weg", beschwichtige ich.

„Liegst du gemütlich?"
Ich nicke.
„Hast du Durst?"
Ich schüttele den Kopf.
„Willst du was essen?"
Bloß nicht.
„Hast du Schmerzen?"
„Bisschen."
„Brauchst du etwas dagegen?"
„Ich halte es noch aus."
„Brauchst du überhaupt etwas?"
„Nein Alex. Aber danke, ich schätze es sehr. Trotzdem bin ich nicht schwerkrank. Meine Rippen sind nur etwas futsch." Mir war so klar, dass das jetzt wieder ausarten wird. Und dann ist Alex auch noch zwei Wochen wegen seiner gebrochenen Hand zu Hause. Das kann ja was werden.

Das Wochenende ist vergangen und die zwei Wochen zu Hause rumlungern können beginnen. Mit Alex zusammen. Und ab und an eben diejenigen, die keinen Dienst haben.
Mein Weg führt mich um neun Uhr nach dem Aufwachen ins Bad. Und aus diesem geht es direkt nach unten auf die Couch. Alex bekommt die Krise, wenn ich nicht in seinem Sichtfeld bin.
Er sitzt in Jogginghose und mit einer Tasse Kaffee schon unten.
„Möchtest du was frühstücken?", ist seine erste Frage.
Ich lehne dankend ab und kuschele mich in eine Kuscheldecke. Auch wenn draußen ekelhafte Temperaturen herrschen, brauche ich immer eine Decke. Sonst ist es ungemütlich.
Alex hebt eine Augenbraue. „Die Frage war nicht ernst gemeint. Vielleicht sollte ich sie anders formulieren. Du isst jetzt was, also was möchtest du? Es lief doch die Woche vor dem Krankenhaus gar nicht so schlecht. Wurde doch immer besser. "
Ich stöhne genervt auf. Ja, er hat recht. Das Krankenhaus hat mich wieder an den Anfang befördert. Wenn es ungesundes Essen gibt, dann dort.
„Brot mit Frischkäse."
„Geht doch." Zufrieden steht er auf und geht in die Küche. „Morgen treffe ich mich übrigens mit Alicia. Wir gehen zusammen frühstücken", sagt er mit einer großen Freude in der Stimme. Ich würde es ihm wirklich gönnen, wenn es was wird. Andererseits - würde er dann ausziehen? Das will ich nicht unbedingt.
„Dann bin ich ja allein", stelle ich freudig fest.

Alex kümmert sich später noch um die Wäsche, was mit einer Hand teilweise echt anstrengend sein muss, während ich mich durch das Mittagsprogramm im Fernsehen suche. Ich will schon verzweifelt aufgeben, als es an der Tür klingelt.
Langsam rappele ich mich auf. Da Alex im Keller ist, hat er das nicht gehört. Also muss ich mich kümmern.

Mit der Person vor der Tür hätte ich jedoch nicht gerechnet. Und schon gar nicht mit ihrem Aussehen.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now