15 - Harte Bekanntschaft

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Mit sauberen Händen stehe ich schon wieder vor der geschlossenen Tür zum Klassenraum, als mir eine ganze fünfte Klasse entgegen stürmt. Jedenfalls denke ich, dass es eine fünfte Klasse ist. Das sind die Jüngsten unserer Schule und so sieht die Truppe eben aus. Da der Gang hier sehr schmal ist, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich direkt vor die Tür zu stellen, um die Kinder durchzulassen. Sie sehen nicht so aus, als würden sie Halt machen. Und wirklich, sie rennen wild an mir vorbei. Was ist denn bei denen los?

Ehe ich die Chance habe, die Tür zu öffnen, wird mir dies abgenommen. Zu meinem Leidwesen, denn ich stehe noch immer in der gleichen Position vor der Tür. „Ah!" Erschrocken taumele ich nach hinten und fasse mir direkt an meine Nase, die sofort das Pochen angefangen hat. Nach einem schönen Knacken. Das warme Blut fließt mir meine Hand entlang und kaum nehme ich sie weg, tropft es auf den Boden. „Oh Scheiße, Fine, das wollte ich nicht!" Ich hebe meinen Blick und sehe Tim, der mich mit vor Schreck geweiteten Augen anguckt. Ohne zu zögern rennt er los Richtung Toiletten. Unschlüssig stehe ich nun hier vor der Tür, die er sofort wieder zugeschlagen hatte. Soll ich jetzt hier auf ihn warten? Doch diese Entscheidung wird mir schnell von ihm abgenommen, denn kaum habe ich mich versehen, steht er wieder vor mir, in seiner Hand einen Stapel voll Papiertücher. Sofort drückt er mir eines in die Hand. „Gehts?", fragt er und guckt mich peinlich berührt an. Ich nicke nur und merke einen dumpfen Kopfschmerz, der von meiner Nase aus zu kommen scheint. Alex' Worte geistern mir durch den Kopf. Der Spiegel.

Die Tücher werden in fliegendem Wechsel getauscht. Anni guckt mich besorgt an. „Deine Nase sieht schrecklich aus. Blau und dick." ‚Der Schmerz ist auch kaum auszuhalten' hätte ich am liebsten ergänzt. Auch meiner Wirtschaftslehrerin wird die ganze Situation nicht mehr so gefallen, ihrem Blick zu urteilen. „Möchtest du nicht lieber ins Sekretariat gehen und anrufen lassen? Ich denke mal, dass du zum Arzt solltest." „Ist die beste Idee", murmele ich mit einem Tuch unter der Nase und will aufstehen. Doch mein Kreislauf hatte das anscheinend nicht so wirklich vor, denn mich packt eine kleine Schwindelattacke, die mich sofort zurück auf den Stuhl zieht. „Ich gehe schon anrufen", wirft meine Lehrerin besorgt ein. „Aber mein Vater ist arbeiten. Lassen Sie Herrn Alexander Hetkamp anrufen", bemerke ich und lasse mir von Anni ein neues Tuch geben.

Quietschend kommt ein Auto neben der Schule zum Stehen. Der hatte es aber eilig. Doch nur kurz darauf wird die Tür zu unserem Klassenraum aufgerissen und Alex kommt rein. Mir wird klar, dass das Auto zu ihm gehört haben muss. Doch etwas verwirrt mich. Er ist in Dienstkleidung. „Habt ihr in meiner Abwesenheit den Rettungsdienst gerufen?", fragt meine Lehrerin verwirrt. „Nein. Alex? Ich dachte, du müsstest heute nicht arbeiten?", kommt es durcheinander von mir. „Ich musste für Silke einspringen. Du siehst ja gar nicht gut aus. Da warst du aber lange in der Schule." Mit zusammengezogenen Augenbrauen hockt er sich vor meinen Stuhl und begutachtet das ganze Ausmaß. „Nimm mal das Tuch weg, ich möchte das kurz abtasten." Als er das tut, ziehe ich zischend die Luft ein. Außerdem hat die Blutung noch immer nicht gestoppt und so landet ein Tropfen Blut auf Alex' Hose. „Zum Glück bist nur du das." Schmunzelnd hält er mir ein neues Tuch unter die Nase. „Was hast du denn für Beschwerden? Und wie ist das überhaupt passiert?" „Also das war so." Ich werfe einen Blick zu Tim, der noch immer neben meinem Tisch steht und direkt rot wird. Ich lächle ihm zu. „Die Tür wollte sich mit mir anlegen und hat gewonnen. Ich stand, idiotisch wie ich bin, direkt vor der Tür, als diese von innen geöffnet wurde. Den Rest siehst du ja." Alex schüttelt seufzend den Kopf, folgt jedoch meinem Blick, der noch immer auf Tim liegt. Er wird unter Alex' musternden Augen noch um einiges farbiger. „Aber er hat das nicht mit Absicht gemacht, oder?", hakt er nach. „Nein, wirklich nicht. Das war meine Schuld, nicht seine. Tim kann ja nicht ahnen, dass ich direkt vor der Tür stehe."

Dann erwähne ich meine Schmerzen und die kleine Schwindelattacke, woraufhin Alex zu seinem Funkgerät greift. „Flo?" „Ja ma'am?" Alex verdreht die Augen. „Hör bitte auf, mich so zu nennen. Beweg mal deinen faulen Hintern zu uns hoch. Mit dem Rucksack. Der Spiegel hat stärker zugeschlagen." Jetzt liegt es an mir, die Augen zu verdrehen. Aus Alex' Funke kommt noch ein „Okay, bin unterwegs." Ich denke, es sollte dabei bleiben, doch Flo schiebt dann leise grummelnd hinterher: „Ma'am, immer zu Ihren Diensten. Jetzt darf ich ernsthaft bis nach oben latschen." Alex fängt an zu grinsen. „Kumpel, überprüfe mal die Einstellung deiner Funke. Ich denke nicht, dass das gerade für uns bestimmt war. Man hört alles." „Oh scheiße", murmelt Flo noch, ein Nesteln an seinem Funkgerät ist zu hören, dann ist Ruhe. Diese Unterhaltung hat meine ganze Klasse zum Lachen gebracht.

Dann stößt auch Flo zu uns in den Raum, den Notfallrucksack geschultert. „Und Flo, war das Treppenlaufen jetzt so schlimm?", nuschele ich. Nicht mal mehr wirklich reden kann ich, da selbst das langsam in meiner Nase wehtut. „Ich freue mich auch sehr doll, dich mal wiederzusehen, Fine." Er zwinkert kurz grinsend und hockt sich dann zu Alex, um den Rucksack zu öffnen und ein Kühlpack zu entnehmen. Dieses aktiviert er und hält mir in den Nacken. Die Blutung hört unmittelbar auf. Na super, war das Kühlpack umsonst, das hätte jetzt so oder so aufgehört. „Möchtest du jetzt Schmerzmittel oder soll ich das im Auto machen?", fragt Alex. Meine Augen werden größer. „Habt ihr einen RTW gerufen?" Bitte jetzt nicht solch einen Aufwand wegen mir. „Nö, aber einen Einsatz wegen dir aufgemacht. Flo, melde sie mal bitte an. Am besten Klinik am Südring. Also, jetzt oder unten?" „Unten."

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt