129 - Wer ist hier der Arzt?

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"Ich würde gern noch Blut abnehmen und sie dann auf ein Zimmer bringen lassen", sagt er an Phil gerichtet, ehe er sein Gesicht zu mir dreht. "Zur Überwachung müsstest du noch bleiben", steigt Dr. Schäfer einfach über mein Problem hinweg, obwohl ich schon wieder nahe einer Panikattacke bin. Er geht nicht auf mich ein. Er behandelt mich, als wäre ich geistig nicht in der Lage, ernsthafte Beschwerden äußern zu können.
Dieses Gefühl von Unsicherheit nagt an mir, droht, mich gleich komplett aufzufressen.
"Phil, mach was", flehe ich mit einer Stimme, die wie vom Winde erschüttert klingt. "Mein Fuß tut weh, kribbelt und ich kann ihn nicht bewegen", presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich kann meine Gefühle nicht ordnen. Von einem Gefühl der Verwirrung bis hin zur Wut scheint eine ganze Bandbreite vorhanden zu sein.

"Haben Sie sich den Fuß wirklich genau angeguckt?", hakt Phil nun ernsthaft skeptisch nach.
Ich meine, ein Augenrollen von Dr. Schäfer zu erhaschen. "Ja, habe ich. Da ist nichts. Eine Rauchgasintoxikation kann auch gut und gern mal zu leichten Verwirrungen führen", knirscht er unwirsch.
Da hat wohl jemand seinen Job nach dem Geld und Status gewählt. Und seine sozialen Kompetenzen ordentlich verfehlt.

Phil schließt kurz seine Augen und fährt sich durch die Haare. "Muss man das wohl selbst in die Hand nehmen", murmelt er in Dr. Schäfers Richtung, ehe er mich mit einem warmen Blick anguckt. "Ist etwas mit deinem linken Fuß passiert, was diese Schmerzen hervorrufen könnte?"
In meinem Kopf arbeitet es. Die Couch. Ich verziehe kurz mein Gesicht, als ich mich an diesen Schmerz erinnere. Aber danach scheint mein Adrenalinpegel so in die Höhe geschossen zu sein, dass das in Vergessenheit geraten ist.
Bevor ich jedoch zu einer Antwort ansetzen kann, kommt mir der Arzt des Jahres zuvor. "Dürfte ich mal fragen, was das jetzt hier werden soll? Ich fühle mich gerade so, als würden Sie meine Kompetenzen infrage stellen. Wer hat denn hier in diesem Raum studiert?"
Die Krankenschwester guckt ihren Kollegen mit einem Blick an, der alles sagt. Sie muss sich beinahe das Grinsen verkneifen. Anscheinend ist Dr. Schäfer nicht nur heute so drauf. Vielleicht liegt es daran, dass er seine Rente schon riechen und es kaum erwarten kann.
"Eine proximale Humerusfraktur kann ich jedenfalls ausschließen", brummt der Typ von Arzt mit einem großen Schwung Ironie in seinen Bart und wendet sich an den Pfleger. "Einmal auf die Kinderstation bitte."

Es ist, als würde über Phils Kopf ein Fragezeichen munter in die Luft hüpfen. Er steht gewaltig auf dem Schlauch - nicht nur er. "Eine proximale was? Humerusfraktur?", hakt Phil mit einer fahrigen Handbewegung nach.
"Da fragen Sie sich jetzt, was das ist, oder? Da sieht man ja, wer hier die Ahnung von der Medizin hat." Ich wusste nicht, dass das Ausziehen von Handschuhen so arrogant und siegessicher aussehen kann.
Phil entweicht ein ungläubiges Lachen. "Ich verstehe den Zusammenhang einer proximalen Humerusfraktur und Schmerzen im Fuß nicht so ganz, da haben Sie recht. Könnten Sie mir den bitte mal erklären?"
Der Arzt, oder wie man den nennen kann, hält in seiner Bewegung inne, ehe er sich langsam wieder zu Phil dreht. "Wissen Sie, ich habe jahrzehntelange Berufserfahrung auf dem Buckel. Nach sechs Jahren Studium. Ich verstehe nicht, was Sie jetzt von mir wollen."
"Wissen Sie", beginnt Phil in der gleichen Tonlage wie Dr. Schäfer, jedoch hat er ein nicht so arrogantes Lächeln auf den Lippen, "mein Studium der Humanmedizin liegt noch nicht allzu lang zurück, aber ich bin mir sicher, dort mal etwas über Anamnese gelernt zu haben. Und ich bin mir auch sicher, dass der Humerus keineswegs in der Nähe des Fußes liegt. Oder täusche ich mich gerade? Ich meine - Anatomie kann ja mal schnell ziemlich schwer werden, Kollege, das wissen Sie selbstverständlich."

Dieser Moment, in dem Dr. Schäfer zu verstehen scheint, wer automatisch mit Phil ihm gegenübersteht, grenzt an Göttlichkeit.
"Ich... verstehe. Frau Michel, melden Sie sie mal bitte beim Röntgen an. Damit der Herr Kollege zufrieden ist." Ein Hauch von Röte legt sich wie ein Filter über Dr. Schäfers Gesicht, doch er verlässt ohne ein weiteres Wort fluchtartig den Behandlungsraum.

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Où les histoires vivent. Découvrez maintenant