33 - Zwischen Alkohol und guten Gesprächen

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Ehe wir uns versehen konnten, sind die beiden bei uns angekommen. „Na, wie geht's euch so?", fragt Leon über die Laute Musik hinweg. Ein Fehler. Anni starrt ihn an und bekommt nicht mal ein hallo raus. „Ganz gut, euch?", gebe ich zurück, um ihr den Arsch wenigstens etwas zu retten. Obwohl das hier glaube ich nichts mehr wird. „Na ja, gutgehen tut es uns, aber die Party ist jetzt nicht so das Wahre. Ein bisschen viel Alkohol, findet ihr nicht?", kommt es von Tim. Ich mache große Augen. Krass, ich hätte gedacht, die zwei wären auch so die Typen zum Trinken. Anni nickt wie hypnotisiert. Also springe ich mal wieder ein, auch wenn ich in Tims Gegenwart eigentlich auch etwas nervös werde. „Ja, wirklich sehr viel Alkohol. Ich meine, ihr seht es ja selbst. Aber was trinkst du da?" Ich deute mit meinem Blick auf Tims Becher. „Ach, das ist Wasser. Also reines Wasser." Er zwinkert mir zu. Meint er das jetzt ernst oder verarscht er mich? Anscheinend hat mein Blick genau das gesagt. „Nee, wirklich jetzt. Das ist nur Wasser." Ach so.

Sie setzen sich zu uns. Anni wirft mir erneut einen panischen Blick zu, doch ich kann ihr leider nicht helfen. Dann wendet sich Leon an sie. Die Arme. Unauffällig kneife ich ihr ins Bein, damit sie langsam mal wachwird. Nach einem kurzen Zucken und Schütteln scheint sie wirklich wieder etwas mehr bei sich zu sein. Jetzt kann ich mich wenigstens auf Tim einlassen, der mich schon etwas belustigt anguckt. Anscheinend war es doch nicht unauffällig genug. Sein Blick liegt nun auf mir, was mich doch an die Grenzen der Nervosität bringt. „Deine Nase sieht gut aus. Ich hatte wirklich tierische Angst, dass du Folgeschäden bekommst", sagt er da unvermittelt mit seinem süßen Lächeln. Mein Gesicht glüht. Ich habe sein schlechtes Gewissen nach der Türaktion deutlich bemerkt, auch wenn ich die Schuldige in dieser Sache bleibe. „Ach, das ist Geschichte. Anderes Thema: Ich hätte ehrlich gesagt gedacht, dass du Alkohol magst." Er schüttelt den Kopf und macht eine abwertende Handbewegung. „Schmeckt mir nicht wirklich. Ab und zu ist es ganz lecker, aber dann auch nur Sekt. Ich bin nicht der Typ, der sich zum Spaß haben betrinkt. Du anscheinend auch. Dich habe ich noch gar nichts trinken sehen." Bedeutet das, dass er mich beobachtet hat? „Nee, habe vorhin mal einen Schluck Bier probiert. Jetzt weiß ich definitiv, was ich nicht trinke." Er lacht, wo ich mit einstimme. Neben mir merke und höre ich, dass auch Anni endlich Worte aus sich rausbekommt. Zum Glück.

Tim und ich reden noch eine Weile, bis er und Leon sich zum Gehen verabschieden. Erst dann werfe ich einen Blick auf die Uhr, während Anni mich ganz benebelt angrinst. Als hätte sie selbst gerade Literweise getrunken. Vor Schreck klappt mir der Mund auf. Schon ein Uhr durch und unzählige verpasste Anrufe und Nachrichten von Alex und Papa. „Oh Scheiße", murmele ich und schreibe schnell eine Nachricht an Alex, dass er Anni und mich abholen soll. Ohne großartig warten zu müssen, kommt eine Antwort von ihm, dass er unterwegs ist. Innerlich schließe ich schon mit der Party ab und lasse nochmal das Gespräch zwischen Tim und mir Revue passieren, welches wirklich über eine Stunde gedauert haben muss.

Doch lang hält diese Ruhe in Gedanken nicht an - abgesehen davon ist es so oder so nicht ruhig, die Musik wird gefühlt immer lauter. „Hey, wollt ihr nicht auch mal was trinken? Ist doch sonst voll langweilig", spricht uns plötzlich ein Typ an. Das ist einer der 18-Jährigen, den ich nicht kenne. Er ist sichtlich betrunken. „Nein danke, wir gehen gleich", lehnt Anni freundlich ab. Doch unvermittelt verdunkelt sich sein Blick. Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte, und wie man auf solche Gedanken kommen kann, jedoch kann ich gar nicht so schnell reagieren, wie mein Shirt plötzlich von einer stinkenden Flüssigkeit getränkt ist. Das ist kein Bier. Das ist härterer Alkohol. Empört und erschrocken zugleich schreie ich auf. „Was fällt dir ein?", schreie ich den Typen an und springe auf, ohne wirklich nachzudenken. Die ganze Aufmerksamkeit liegt nun auf uns. Super. „Oh, du lebst ja doch noch. So, wie du hier rumhängst, könnte man fast das Gegenteil behaupten", lallt er, was nicht mal einen wirklichen Sinn ergibt. Er ist doch derjenige, der hier gleich leblos irgendwo kotzend hängt, wenn er noch mehr trinkt.

Ich stehe da, will irgendetwas schlagfertiges kontern, doch der Geruch, der von mir ausgeht, löst in mir eine heftige Übelkeit aus, die ich nicht mehr wirklich lang zurückhalten kann. Noch schnell schaffe ich es, Anni am Handgelenk zu greifen, dann ziehe ich sie hinter mir her aus dem Haus. Mein Handy klingelt, doch ich kann den Anruf nicht annehmen. Vor dem Haus schaffe ich es gerade noch so zum nächsten Gebüsch, in das ich mich schwallartig übergebe. Anni hält mir meine Haare zurück. Hinter uns ertönt wie aus dem Nichts eine tiefe Stimme, die mir plötzlich ohne Musik so laut vorkommt. „Da wird sich dein Vater zu Hause aber freuen." Ich wirbele herum, noch immer die Übelkeit im Halse steckend. Alex steht mit verschränkten Armen vor mir und mustert mich angestrengt. Seine Falten, die sich auf der Stirn gebildet haben, sind kaum erkennbar. Die Laterne hat auch schon bessere Tage hinter sich. „Ich habe gesagt, du sollst deine Grenzen kennen und einhalten", sagt er kühl. Er tritt einen Schritt näher. „Du stinkst wie eine Schnapsleiche", stellt er abwertend fest. Irgendwie tut mir das weh, dass er so von mir denkt. Doch ehe ich mich erklären kann, überkommt mich erneutes Würgen und ich drehe mich wieder um. „Alex, das ist nicht so, wie es aussieht", fängt Anni an, während sie noch immer meine Haare hält. „Ist es wirklich nicht", nuschele ich mit Tränen in den Augen und warte, ob noch was kommt. Übergeben ist auch wirklich anstrengend, das ist Training für den ganzen Körper. Langsam drehe ich mich wieder um. „Ich habe einen Schluck Bier probiert. Glaub mir, nie wieder das Zeug." „Nach einem Schluck sieht das nicht aus", murmelt er und greift nach meinem Handgelenk, um meinen Puls zu fühlen. Dann zieht er mich zu seinem Auto, parkt mich auf der Rückbank und drückt mir einen Kotzbeutel in die Hand. Danke auch.

Während der Fahrt fängt Anni an, die ganze Geschichte zu erzählen. Alex sieht nicht so aus, als würde er das glauben, bis er sich an einer roten Ampel schließlich umdreht und endlich auch mal mein durchtränktes Oberteil bemerkt. Gut, durch die Jacke konnte er das draußen auch schlecht erahnen. Dann folgen Entschuldigungen von ihm, die ich jedoch immer nur nickend abwende, da ich erneut mit der Übelkeit kämpfe. Er wird jetzt noch ewig ein schlechtes Gewissen haben, weil er mir nicht geglaubt hat, so wie ich ihn kenne.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now