53 - Begrüßung mal anders

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„Was?", schießt es aus mir heraus, bevor ich es verkneifen kann.
„Was hat er denn gesagt?", hakt Stephan nach.
Toni schüttelt sofort den Kopf. „Das werde ich nicht wiederholen, schon gar nicht in Fines Gegenwart."
Stephan wendet sich nun an den anderen Typen, anscheinend heißt der Heiko. „Stimmt das? Und wenn ja, warum? Fine, kennst du ihn?"
„Na ja, da gab es mal....", fange ich an, werde von Heiko aber unterbrochen. „Halt die Fresse."
„Hey, lass sie ausreden. Und schon gar nicht in diesem Ton, haben wir uns da verstanden?", fährt Stephan ihn wütend an.
Doch zum Weiterreden komme ich nicht, denn der Rettungsdienst kommt an - und das ziemlich aufgeregt.
„Sag mal Toni, bist du noch ganz bei Trost? Seit wann prügelst du dich denn? So habe ich dich doch nicht erzogen." Papa lässt förmlich den Rucksack fallen und hebt Tonis Gesicht an.
„Papa, hör mit den Vorwürfen auf. Anscheinend hatte er dafür einen guten Grund", greife ich ein. Ich kann das nicht hören, wenn er jetzt Ärger bekommt, obwohl er mich nur verteidigt hat.
Das Klingeln zur Stunde schallt aus dem Schulgebäude, doch das ignoriere ich.
„Leute, so nicht. Ich würde sagen, ihr guckt euch die zwei mal an und sagt dann, ob sie in die Klinik müssen oder nicht. Wenn nicht, dann kommen sie mit auf die Wache. Es handelt sich hier ja schon um Körperverletzung. Außerdem ist es wichtig, worum es hier ging und was Fine damit zu tun hat", spricht Robin das Machtwort. Doch den letzten Satz hätte er sich klemmen können.
„Wie, was Fine damit zu tun hat?" Papa dreht sich zu mir, dann zu Toni und Heiko.
„Ja, sie scheint der Auslöser gewesen zu sein. Aber ich würde jetzt von dir gern wissen, was vorgefallen ist. Unter vier Augen." Stephan nimmt mich zur Seite, holt seinen Block und Stift aus der Jackentasche und guckt mich gespannt an.
Ich erzähle ihm die Sache von der Party, wo er mich blöd angemacht hat. Inwiefern das jetzt aber ein richtiges Motiv sein kann, weiß ich beim besten Willen nicht. Anni bestätigt meine Aussage noch und wir werden entlassen. Netterweise bringt Stephan uns in den Raum, damit wir keine Verspätung eingetragen bekommen. Auch wenn das mal wieder die Aufmerksamkeit meiner Klasse auf uns zieht.

Konzentrieren kann ich mich nicht mehr. Meine Gedanken schweifen permanent um Toni. Papa hat mir netterweise noch per Nachricht mitgeteilt, dass Toni nicht ernsthaft verletzt ist, zur Abklärung war er sogar in der Klinik. Immerhin eine Sorge weniger.
Warum habe ich von der Sache so gar nichts mitbekommen? Klar, man kennt mich in Tonis Jahrgang, weil ich eben seine kleine Schwester bin. Aber wenn über mich geredet wird, hätte ich ja wenigstens Blicke bemerken müssen. Obwohl man da schon wieder sagen kann, dass ich oft mit Anni im Gebäude bleibe und wir nur von Raum zu Raum gehen. Und überhaupt, was und warum wurde über mich geredet?

Auch bei Tim bleibt mein Zustand nicht unbemerkt.
Nach dem letzten Block hält er mich auf. „Möchtest du das Treffen lieber verschieben? Dich scheint die Sache mitgenommen zu haben, was ja auch verständlich ist."
„Du weißt davon?", frage ich verblüfft.
„Fast jeder aus den höheren Jahrgängen hat die Prügelei vorhin mitbekommen oder davon gehört."
Ich überlege kurz. „Eigentlich fände ich das Treffen heute gut. Dann komme ich vielleicht ein bisschen auf andere Gedanken. Außerdem geht es meinem Bruder körperlich nicht besonders schlecht, also muss ich mir an sich keine Sorgen machen."
Auf Tims Gesicht legt sich ein Lächeln. „Na dann, ich freue mich. Ich würde vorher noch mal kurz nach Hause, ich komme dann vorbei, okay?"
Ich nicke, wir umarmen uns zum Abschied und unsere Wege trennen sich.
„Na da war gerade jemand erleichtert, dich heute trotzdem noch zu sehen." Anni zwinkert mir grinsend zu, doch ich wende das nur mit einem genervten Schnalzen ab.

„Bin wieder da!", rufe ich durchs Haus, nachdem ich die Tür geöffnet habe. Doch statt einer Antwort höre ich, wie kleine Schritte schnell in meine Richtung rennen.
„Hallo Fine, da bist du ja endlich. Phil hat andauernd gesagt, dass du gleich kommst. Aber gleich ist schon lange vorbei."
Komplett verwirrt von dieser Situation gucke ich in Amelies Gesicht. Was macht sie denn hier?
„Ich habe die ganze Zeit mit Phil gespielt. Jetzt können wir ja spielen! Als Toni gekommen ist, hatte der keine gute Laune und ist einfach in sein Zimmer verschwunden. Ganz schön unfreundlich, der Kerl." Sie verschränkt ihre Arme und tapst zurück ins Wohnzimmer.
„Eine Runde Pferdchen noch", ruft sie sofort freudig. Von Phil ist nur ein Seufzen zu hören. Der Arme, ich will gar nicht wissen, wie viele Runden er schon drehen musste.

Nach dem kurzen Abstecher im Bad gehe auch ich ins Wohnzimmer und lasse mich auf die Couch fallen. Phil ist noch immer ein Pferd - oder eher eine Schildkröte, bei seinem Tempo. Das Bild entlockt mir ein leises Lachen.
Langsam setzt sich Phil auf und lässt Amelie so von sich runterrutschen. „Hey, du bist ein böses Pferd", schimpft Amelie. Phil guckt sie schmollend an, worauf sie ihm lächelnd durch die Haare wuschelt, was Phil auflachen lässt. Ihm stehen Kinder. Ich muss Paula mal fragen, ob da was geplant ist.
Phil schnappt sich Amelie und setzt sich mit ihr auf dem Schoß neben mich.
„Seit wann prügelt sich Toni? Weißt du worum es ging? Ich habe nur eine knappe Nachricht von Franco bekommen", fragt er mich und klingt ratlos.
„Sein Gegner soll irgendwie Lügen über mich verbreitet haben, was zu vielem Gerede geführt hat. Und Toni wollte mich verteidigen. Mehr weiß ich aber auch nicht. Aber wieso ist Amelie hier?"
„Papa hätte heute eigentlich frei gehabt. Da in meiner Schule heute irgendein komischer Tag ist, hat die heute zu. Aber Papa musste heute früh spontan einspringen und so hat er mich bei euch abgegeben", erklärt sie sofort grinsend. Freut sie anscheinend, bei uns zu sein.
„Mhm, deinen Papa habe ich heute schon gesehen."
Phil zieht zuerst verwirrt eine Augenbraue hoch, dann scheint es ihm aber logisch zu werden. Amelie befreit sich derweil aus Phils Griff mit der Begründung, dass sie auf Toilette muss. So zischt sie ab ins Badezimmer.
„Du, Phil?"
Er nickt als Zeichen, dass er mir zuhört.
„Ich würde mich ja wirklich gern mit Amelie beschäftigen, aber Tim kommt gleich vorbei. Das habe ich voll vergessen, zu erzählen. Wenn du da jetzt was gegen hast, kann ich auch absagen."
Phil winkt ab. „Er kann ruhig kommen. Ich beschäftige mich schon mit Amelie, damit habe ich kein Problem, das mache ich gern." Phil konnte schon immer gut mit Kindern.

Schneller als gedacht klingelt es an der Tür. Amelie springt sofort auf. „Ich mache auf!" Phil, der gerade in der Küche am Kochen ist, eilt ihr hinterher. Und ich? Ich beende meinen Zug bei Mensch ärgere dich nicht, welches ich gerade mit Amelie begonnen habe. Tim kann es eigentlich noch nicht sein.
„Hallo, wer bist du denn?", höre ich Amelie fragen.
"Ich bin Tim, und wer bist du?"
Oh, es ist doch schon Tim?
„Amelie. Zu wem möchtest du denn, Tim? Bist du ein Freund von Toni?"
„Nein, ich möchte zu Fine", antwortet er leicht lachend.
„Sie ist im Wohnzimmer", schaltet sich Phil mit ein. Ich fand diese Unterhaltung zwischen Amelie und Tim gerade zu süß, als dass ich sie hätte unterbrechen können.
„Fine? Hier ist ein komischer Junge, der sagt, dass er zu dir möchte. Willst du das denn auch? Immerhin sind Jungs doof. Wenn nicht, dann sag es. Ich lasse ihn dann nicht rein!", ruft Amelie mit ernster Stimme.
Ich pruste los, doch Phil fand es anscheinend nicht ganz so witzig. „Amelie", sagt Phil etwas streng, trotzdem kann man auch Belustigung in seiner Stimme hören, „Tim ist nicht komisch. Außerdem möchte Fine sehr wohl, dass er reinkommt."
„Pff, wenn sie meint. Muss sie ja wissen." Da kommt Amelie wieder ins Wohnzimmer gelaufen und setzt sich zu mir, nimmt den Würfel in die Hand und tut so, als wäre gerade gar nichts gewesen.
Dabei war das gerade außerordentlich süß von ihr.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Onde histórias criam vida. Descubra agora